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Frist für umsatzsteuerliche Zuordnungsentscheidung bei gemischt-genutzten Wirtschaftsgütern

Will ein Unternehmer ein gemischt-genutztes Wirtschaftsgut, das er also sowohl privat als auch unternehmerisch nutzt, vollständig seinem Unternehmen zuordnen, kann er die für die Zuordnung erforderliche Dokumentation bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Umsatzsteuererklärungen, die für steuerlich vertretene Unternehmer gilt, vornehmen. Nach dem Finanzgericht Köln (FG) gilt für die Dokumentation nicht die kürzere Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Unternehmer. Für ein im Jahr 2019 angeschafftes gemischt-genutztes Wirtschaftsgut konnte die Zuordnungsentscheidung daher bis zum 31.8.2021 getroffen und dokumentiert werden.

Hintergrund: Verwendet der Unternehmer einen Gegenstand sowohl für sein Unternehmen als auch privat, hat er umsatzsteuerlich ein sog. Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand entweder vollständig oder nur anteilig oder aber gar nicht seinem Unternehmen zuordnen und dementsprechend die Vorsteuer vollständig, anteilig oder gar nicht abziehen. Allerdings muss er bei einer vollständigen Zuordnung die Privatnutzung des Gegenstands der Umsatzsteuer unterwerfen. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) musste das Zuordnungswahlrecht bis zum Termin für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung ausgeübt werden; dabei kam es für alle Unternehmer auf die Abgabefrist an, die für steuerlich nicht beratene Unternehmer gilt: bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2017 war dies der 31.5. des Folgejahrs.

Sachverhalt: Der durch einen Steuerberater steuerlich vertretene Kläger erwarb im Jahr 2019 eine Photovoltaikanlage; er nutzte den Strom sowohl privat als auch unternehmerisch. Er reichte am 11.3.2021 seine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2019 ein und machte in dieser die Vorsteuer aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage in vollem Umfang geltend. Das Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug mit der Begründung ab, dass die Zuordnungsentscheidung bis zum Ende der gesetzlichen Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Steuerpflichtige hätte erfolgen müssen; dies war für den Veranlagungszeitraum 2019 der 31.7.2020.

Entscheidung: Das FG Köln gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Dem Kläger stand ein Zuordnungswahlrecht zu, da er die Photovoltaikanlage sowohl privat als auch unternehmerisch nutzte. Er konnte dieses Zuordnungswahlrecht in der Weise ausüben, dass er die Photovoltaikanlage in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnet und damit die Vorsteuer in vollständiger Höhe abzieht.
  • Seine Zuordnungsentscheidung musste der Kläger dokumentieren. Diese Dokumentation konnte dadurch erfolgen, dass er den vollständigen Vorsteuerabzug in der Umsatzsteuerjahreserklärung geltend macht.
  • Die Dokumentation musste zeitnah erfolgen, und zwar bis zum Ende der Abgabefrist für Umsatzsteuererklärungen, die durch einen Steuerberater erstellt werden. Die Abgabefrist endete für den Veranlagungszeitraum 2019 am 31.8.2021. Diese Frist hat der Kläger eingehalten.
  • Es kommt nicht auf die allgemeine Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Steuerpflichtige an, die am 31.7.2020 endete. Denn ansonsten müsste der Kläger sein Zuordnungswahlrecht, das er durch Geltendmachung des vollständigen Vorsteuerabzugs ausüben kann, bis zum 31.7.2020 dokumentieren, obwohl er die Umsatzsteuerjahreserklärung, in der er den Vorsteuerabzug geltend macht, erst 31.8.2021 abgeben muss. Diese wäre mit dem europäischen Mehrwertsteuerrecht nicht vereinbar.

Hinweise: Das Urteil ist für steuerlich vertretene Unternehmer erfreulich, weil das FG die Dokumentationsfrist für die Zuordnungsentscheidung an diejenige (längere) Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung knüpft, die für steuerlich vertretene Unternehmer gilt. Die allgemeine Abgabefrist endet für 2023 bereits am 2.9.2024, während die Abgabefrist für steuerlich vertretene Unternehmer erst am 2.6.2025 endet.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat für Veranlagungszeiträume ab 2017 offengelassen, ob für Unternehmer, die steuerlich vertreten werden, eine längere Frist für die Dokumentation ihrer Zuordnungsentscheidung gilt. Das FG hat jedoch keine Revision zugelassen, so dass eine höchstrichterliche Entscheidung aussteht. Für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2016 hat der BFH ausschließlich auf die Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Steuerpflichtige abgestellt; bis einschließlich 2016 ergab sich die verlängerte Abgabefrist für steuerlich vertretene Steuerpflichtige aber auch nicht aus dem Gesetz, sondern nur aus einer Verwaltungsanweisung.

Die Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung kann auch auf andere Weise als durch einen Vorsteuerabzug in der Umsatzsteuerjahreserklärung erfolgen, z.B. durch ein Schreiben an das Finanzamt oder durch Versicherungsunterlagen über eine betriebliche Versicherung oder einen Liefervertrag, der das gemischt-genutzte Wirtschaftsgut betrifft.

Quelle: FG Köln, Urteil vom 7.11.2023 – 8 K 2418/22; NWB

Erste Tätigkeitsstätte eines Bauleiters bei nur organisatorischer Zuordnung

Wird ein Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag einer bestimmten Niederlassung des Arbeitgebers aus organisatorischen Gründen zugewiesen, ohne dass damit der Tätigkeitsort festgelegt wird und muss er die Niederlassung nur gelegentlich aufsuchen, handelt es sich bei der Niederlassung nicht um eine sog. erste Tätigkeitsstätte. Der Arbeitnehmer kann daher Verpflegungsmehraufwendungen gelten machen, wenn er von seiner Wohnung mehr als acht Stunden abwesend ist. Und er muss für die Nutzung des Dienstwagens für Fahrten von seiner Wohnung zur Niederlassung keinen geldwerten Vorteil versteuern.

Hintergrund: Hat der Arbeitnehmer eine sog. erste Tätigkeitsstätte, kann er für die Fahrten von seiner Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte lediglich die Entfernungspauschale geltend machen. Verpflegungsmehraufwendungen kann der Arbeitnehmer nur geltend machen, wenn er mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist.

Sachverhalt: Der Kläger war als Bauleiter bei einem internationalen Bauunternehmen angestellt. In seinem Arbeitsvertrag wurde eine Niederlassung seines Arbeitgebers im Ort Z in der X-Straße als „Einstellungsort“ bezeichnet. Der Kläger durfte einen Dienstwagen für die Fahrten von seiner Wohnung nach Z benutzen. Der Arbeitgeber versteuerte die Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten von der Wohnung nach Z nach der sog. 0,03 %-Regelung. Der Kläger machte in den Streitjahren 2015 bis 2017 für ca. 170 Tage pro Jahr Verpflegungsmehraufwendungen wegen einer Abwesenheit von seiner Wohnung von mehr als acht Stunden geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte, weil der Kläger nicht mehr als acht Stunden von der Niederlassung in Z abwesend gewesen war. Der Kläger wandte sich gegen die Nichtanerkennung der Verpflegungsmehraufwendungen und gegen die Versteuerung der Dienstwagennutzung nach der sog. 0,03 %-Regelung.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Der Kläger hatte in Z keine erste Tätigkeitsstätte. Eine erste Tätigkeitsstätte setzt eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers voraus, der der Arbeitgeber arbeitsvertraglich zugeordnet wird.
  • Eine derartige Zuordnung ist im Streitfall nicht erfolgt. Zwar fand sich im Arbeitsvertrag eine Formulierung zum „Einstellungsort“ in Z. Dies war aber keine Zuordnung zu dem Betriebsgebäude in der X-Straße in Z, sondern sollte einen Einsatz des Klägers im Bereich der Niederlassung in Z ermöglichen. Dies ergibt sich aus der vom Finanzgericht in erster Instanz durchgeführten Zeugenvernehmung.
  • Gegen eine Zuordnung zum Betriebsgebäude in der X-Straße in Z sprach, dass der Kläger seine Tätigkeit als Bauleiter nicht in dem Betriebsgebäude in Z ausüben sollte, sondern ganz überwiegend außerhalb des Gebäudes. Die Zuweisung zur Niederlassung in Z war lediglich aus organisatorischen Gründen erfolgt, stellte aber keine Festlegung des Tätigkeitsorts dar. Der Kläger sollte das Betriebsgebäude in Z nur gelegentlich, nicht aber täglich aufsuchen, um anfallende Büroarbeiten zu erledigen oder um an Besprechungen teilzunehmen.
  • Der Kläger konnte deshalb Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen, weil er von seiner Wohnung mehr als acht Stunden abwesend war. Denn auf eine mehr als achtstündige Abwesenheit von der Wohnung und der Arbeitsstätte kommt es nur an, wenn es sich bei der Arbeitsstätte um die erste Tätigkeitsstätte handelt.
  • Für die Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und der Niederlassung in Z war kein geldwerter Vorteil i. H. von 0,03 % pro Entfernungskilometer zu versteuern, weil diese Versteuerung nur dann erforderlich gewesen wäre, wenn es sich bei der Niederlassung um die erste Tätigkeitsstätte gehandelt hätte.

Hinweise: Unbeachtlich war, dass der Arbeitgeber des Klägers selbst die 0,03 %-Regelung angewendet hatte; denn der Arbeitnehmer ist hieran nicht gebunden, sondern kann entweder zum Ergebnis kommen, dass es sich nicht um eine erste Tätigkeitsstätte handelt, oder kann eine andere Methode anwenden, z.B. die Fahrtenbuchmethode.

Wird der Arbeitnehmer einer bestimmten Einrichtung des Arbeitgebers – anders als im Streitfall – arbeitsvertraglich zugeordnet, ist es für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nicht erforderlich, dass dort der qualitative Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt. Eine erste Tätigkeitsstätte liegt also auch dann vor, wenn er dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich schuldet oder die zu seinem Berufsbild gehören; deshalb hat ein Postbote im Postamt seine erste Tätigkeitsstätte, auch wenn er tagsüber überwiegend unterwegs ist, um die im Postamt erhaltenen Briefe auszutragen. Im Streitfall fehlte es jedoch an einer Zuordnung zu der Einrichtung des Arbeitgebers in der X-Straße in Z.

Quelle: BFH, Urteil vom 14.9.2023 – VI R 27/21; NWB

Erlass von Nachzahlungszinsen bei fehlerhafter zeitlicher Zuordnung von Umsätzen

Hat der Unternehmer seine Umsätze zu Unrecht jeweils erst im Folgemonat angemeldet und korrigiert das Finanzamt diesen Fehler, indem es die Umsätze im zutreffenden Monat erfasst, können die sich hieraus ergebenden Nachzahlungszinsen zumindest teilweise erlassen werden. Der Erlass kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass es unterjährige Zinsvorteile, d.h. Zinsvorteile im laufenden Jahr, gegeben habe, die durch die Zinsfestsetzung abgeschöpft werden sollen.

Hintergrund: Steuernachzahlungen werden verzinst, wenn die Nachzahlung auf einem Steuerbescheid beruht, der mindestens 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, bekannt gegeben worden ist. Vorauszahlungen wie z.B. die Umsatzsteuervorauszahlungen werden nach dem Gesetz nicht verzinst.

Sachverhalt: Die Klägerin war Unternehmerin und hatte keine Dauerfristverlängerung beantragt, so dass sie ihre monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen bis zum 10. Tag des Folgemonats abgeben musste. In den Streitjahren 2009 bis 2013 meldete sie 90 % ihrer Umsätze nicht in dem Monat an, in dem sie den Umsatz ausgeführt hatte, sondern erst im jeweiligen Folgemonat, wenn ihr die für die Rechnungserstellung erforderlichen Informationen von ihren Subunternehmern mitgeteilt wurden. Im Rahmen einer Außenprüfung bemerkte das Finanzamt den Fehler und korrigierte ihn in der Weise, dass es 90 % der im jeweiligen Januar der Jahre 2009 bis 2013 angemeldeten Umsätze dem Vorjahr zuordnete. Dies führte zu Nachzahlungszinsen von insgesamt ca. 2 Mio. €. Den Zinsfestsetzungen lag ein Zinslauf von 56 Monaten (für 2009), 44 Monaten (für 2010), 32 Monaten (für 2011), 20 Monaten (für 2012) und acht Monaten (für 2013) zugrunde. Die Klägerin beantragte den Erlass der Nachzahlungszinsen, den das Finanzamt unter Hinweis auf die unterjährig entstandenen Zinsvorteile ablehnte.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Erlass der Nachzahlungszinsen für möglich. Hierüber muss nun das Finanzamt ermessensfehlerfrei neu entscheiden:

  • Ein Erlass von Steuern oder Nachzahlungszinsen ist möglich, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls aus persönlichen oder sachlichen Gründen unbillig wäre. Sachliche Unbilligkeit ist zu bejahen, wenn die Steuer- bzw. Zinsfestsetzung zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber im konkreten Fall den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass ihre Erhebung unbillig erscheint und der Gesetzgeber einen Erlass gewährt hätte, wenn er den konkreten Fall als regelungsbedürftig erkannt hätte.
  • Im Streitfall ist eine sachliche Unbilligkeit zu bejahen, da der Liquiditätsvorteil, der aufgrund der Zinsfestsetzung abgeschöpft werden soll, in Wirklichkeit nicht in dem Umfang vorhanden war, wie ihn das Finanzamt bei der Zinsfestsetzung zugrunde gelegt hat.
  • Zwar hat die Klägerin im Laufe des jeweiligen Streitjahres Liquiditätsvorteile gehabt, weil sie 90 % ihrer Umsatzsteuern jeweils einen Monat zu spät angemeldet und abgeführt hat. Allerdings ist der über das jeweilige Streitjahr hinaus entstandene Vorteil, der sich daraus ergibt, dass die Umsätze des Dezembermonats erst im Januar des Folgejahres angemeldet worden sind, vor Beginn des Zinslaufs für das Vorjahr wieder ausgeglichen worden; denn die Klägerin hat die Umsatzsteuer für den Januar des Folgejahres umgehend gezahlt.
  • Würde man den unterjährigen Liquiditätsvorteil, der z.B. dadurch entsteht, dass die Umsatzsteuer für März erst im Voranmeldungszeitraum April angemeldet worden ist, bei der Zinsfestsetzung berücksichtigen, käme es im Ergebnis zur Verzinsung von Vorauszahlungen, die nach dem Gesetz aber nicht verzinst werden dürfen.

Hinweise: Der Bescheid, mit dem das Finanzamt den Erlassantrag abgelehnt hat, ist aufgehoben worden, so dass das Finanzamt erneut über den Erlassantrag entscheiden muss. Das Finanzamt wird nun zumindest einen Teilerlass gewähren müssen. Dieser könnte so aussehen, dass die Zinsen insoweit erlassen werden, als sie den tatsächlichen Liquiditätsvorteil für 90 % der jeweils im Dezember entstandenen Umsätze übersteigen. Dies würde dazu führen, dass statt eines Liquiditätsvorteils von ca. 47.000 € nur ca. 15.000 € anzusetzen wären.

Die zeitliche Zuordnung von Umsätzen zum richtigen Voranmeldungszeitraum ist in der Praxis kein seltenes Problem, wenn z.B. der Unternehmer Subunternehmer beschäftigt und von diesen die Informationen über die ausgeführten Umsätze erst nach Ablauf der Abgabefrist für den zutreffenden Voranmeldungszeitraum erhält. Richtigerweise muss dann die fehlerhafte Voranmeldung berichtigt werden. Im Streitfall ist dies jedoch unterblieben; stattdessen sind die Umsätze im folgenden Voranmeldungszeitraum angemeldet worden. Das aktuelle Urteil erleichtert in einem solchen Fall nun einen Teilerlass der Nachzahlungszinsen.

Quelle: BFH, Urteil v. 23.2.2023 – V R 30/20; NWB