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Anfechtung einer Zinsfestsetzung mit fehlerhaftem Zinslauf

Der Steuerpflichtige muss eine Zinsfestsetzung, der ein fehlerhafter Zinslauf zugrunde gelegt worden ist, mit einem Einspruch anfechten. Es genügt nicht, dass er die Einkommensteuerfestsetzung angreift. Unterlässt er die Einlegung eines Einspruchs, kann die Zinsfestsetzung nur korrigiert werden, wenn eine Korrekturvorschrift dies zulässt.

Hintergrund: Die Höhe der Zinsfestsetzung richtet sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer. Die Zinsfestsetzung hängt aber auch von der Dauer des Zinslaufs ab. In der Regel beginnt der Zinslauf 15 Monate nach dem Ende des Veranlagungszeitraums, also z.B. für den Veranlagungszeitraum 01 am 1.4.03; allerdings gibt es derzeit coronabedingte Verschiebungen des Beginns des Zinslaufs. Wird die Einkommensteuer wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert, beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist; diese Regelung gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2013 aber nicht bei der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags aufgrund der Nichtdurchführung der Investition.

Sachverhalt: Der Kläger bildete in den Streitjahren 2007 und 2008 jeweils einen Investitionsabzugsbetrag, führte jedoch in den folgenden drei Jahren die Investition jeweils nicht durch. Das Finanzamt machte daraufhin beide Investitionsabzugsbeträge rückgängig und änderte am 6.5.2013 die Steuerbescheide für 2007 und 2008 entsprechend. Zugleich setzte es Nachzahlungszinsen fest: Dabei legte das Finanzamt den Beginn des Zinslaufs auf den 1.4.2009 (für 2007) und auf den 1.4.2010 (für 2008) fest. Der Kläger legte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch „gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“ ein. Am 30.12.2013 wandte er sich auch gegen die Zinsfestsetzung. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, so dass der Kläger die Änderung der Zinsfestsetzung beantragte.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage auf Änderung der Zinsfestsetzung ab:

  • Allein die Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung führte nicht zu einer Änderung der Zinsfestsetzung. Zwar ist die Höhe der Einkommensteuer maßgeblich für die Höhe der Zinsen; die Einkommensteuerfestsetzung hat aber keine Bindungswirkung für den Beginn des Zinslaufs.
  • Eine Korrektur der Zinsfestsetzung hätte eine Korrekturvorschrift vorausgesetzt, die es im Streitfall aber nicht gab. So schied eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus, weil das Finanzamt bewusst den regulären Zinsbeginn, der 15 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beginnt, in dem Zinsbescheid angesetzt hat. Bei einer bewussten Rechtsanwendung liegt keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreib- oder Rechenfehlers vor. Weitere Korrekturvorschriften waren nicht einschlägig.
  • Der Einspruch hätte zwar eine Minderung der Einkommensteuer bewirken können, weil nach damaliger Rechtslage bei einem rückwirkenden Ereignis wie der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags der Zinslauf möglicherweise erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, begann; dies wäre der 1.4.2012 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2007 und der 1.4.2013 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2008 gewesen. Aber der Einspruch des Klägers richtete sich nur gegen die Einkommensteuerfestsetzung sowie gegen den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer, nicht jedoch gegen die Zinsfestsetzung. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist, nämlich am 30.12.2013, wandte sich der Kläger gegen die Zinsfestsetzung.

Hinweise: Der Fall zeigt, dass im Zweifel auch gegen die Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt werden sollte. Ein Einspruch kann gebührenfrei eingelegt werden, da der Staat keine Gebühren bei Einlegung eines Einspruchs erhebt.

Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 beginnt der Zinslauf bei Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags 15 Monate nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Investitionsabzugsbetrag gebildet worden ist. Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 beläuft sich der Zinssatz nur noch auf 1,8 % und nicht mehr auf 6 %.

Quelle: BFH, Urteil v. 13.12.2022 – VIII R 16/19; NWB

Finanzverwaltung kündigt Zinsfestsetzungen auf der neuen Rechtsgrundlage an

Die bayerische Finanzverwaltung kündigt für November 2022 den Erlass geänderter Zinsbescheide für Steuernachzahlungen auf der Grundlage des geminderten Zinssatzes von 1,8 % jährlich statt bislang 6 % an. Zinsbescheide für Steuererstattungen, die auf der Grundlage des bislang gültigen Zinssatzes von 6 % erlassen worden sind, bleiben jedoch wegen des gesetzlichen Vertrauensschutzes bestehen und werden nicht zuungunsten der Steuerpflichtigen geändert.

Hintergrund: Steuernachzahlungen und -erstattungen werden grundsätzlich mit Beginn von 15 Monaten nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verzinst. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat aber im Jahr 2021 entschieden, dass der Zinssatz von 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber ist daraufhin tätig geworden und hat rückwirkend ab 1.1.2019 einen Zinssatz von 1,8 % jährlich (= 0,15 % monatlich) eingeführt.

Wesentlicher Inhalt der Veröffentlichung des Bayerischen Landesamts für Steuern:

  • Ab November 2022 wird die bayerische Finanzverwaltung etwa zwei Millionen Zinsbescheide ändern, die den Verzinsungszeitraum ab 1.1.2019 betreffen.
  • Dies betrifft Zinsbescheide, in denen Nachzahlungszinsen mit einem Zinssatz von 6 % jährlich festgesetzt worden sind und die verfahrensrechtlich offen sind.

    Hinweis: Die Änderung führt zu einer Minderung der Zinsen, so dass die Differenz erstattet werden wird, falls die bisherige Zinsfestsetzung bezahlt worden ist.

  • Zinsbescheide, in denen Erstattungszinsen mit einem Zinssatz von 6 % festgesetzt worden sind, werden aufgrund des gesetzlichen Vertrauensschutzes nicht geändert – hier bleibt es bei dem Zinssatz von 6 %.

Hinweise: Werden Erstattungszinsen für den Verzinsungszeitraum ab 1.1.2019 erstmalig festgesetzt, besteht kein gesetzlicher Vertrauensschutz, so dass der neue Zinssatz von 1,8 % jährlich angewendet werden wird.

Die aktuelle Veröffentlichung gilt nur für Bayern, nicht für die übrigen Bundesländer. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dort andere Grundsätze angewendet werden.

Quelle: Bayerisches Landesamt für Steuern, Pressemitteilung v. 3.11.2022; NWB