Die für die ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Steuerbescheids erforderliche Aufgabe zur Post ist seitens des Finanzamts nachzuweisen, und zwar auch dann, wenn die Bescheide in einem Druckzentrum im sog. Zentralversand gedruckt und dann einem Postdienstleistungsunternehmen zwecks Auslieferung übergeben werden. Dieser Nachweis kann dadurch geführt werden, dass der konkrete Bescheid eine Identifikationsnummer ausweist, der einem Druckauftrag zugeordnet werden kann und der sich in einer Postgebührenabrechnung wiederfindet.
Hintergrund: Ein Bescheid gilt grundsätzlich drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Mit Ablauf des Tags der Bekanntgabe beginnt die Einspruchsfrist. Geht es um die Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung, beginnt mit Ablauf des Tags ihrer Bekanntgabe die Klagefrist.
Sachverhalt: Der Kläger war Rechtsanwalt in Hamburg. Das Finanzamt übersandte ihm einen Feststellungsbescheid, der das Datum vom 2.9.2021 trug. Der Bescheid wurde im sog. Zentralversand im Druckzentrum in B gedruckt; das Druckzentrum ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Der Kläger legte gegen den Bescheid am 7.10.2021 Einspruch ein und machte geltend, dass er den Bescheid erst am 7.9.2021 erhalten habe. Hierzu verwies er auf einen entsprechenden Eintrag in seinem Fristenkalender.
Entscheidung: Das Finanzgericht Hamburg (FG) wies die Klage ab:
- Der Einspruch des Klägers ist erst am 7.10.2021 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist erhoben worden, die am 6.10.2021, einem Mittwoch, endete.
- Der Bescheid wurde am 2.9.2021 zur Post aufgegeben und galt damit an sich drei Tage später, am 5.9.2021, als bekannt gegeben. Da der 5.9.2021 ein Sonntag war, verschob sich der Bekanntgabetag auf Montag, den 6.9.2021. Somit begann die Einspruchsfrist am 7.9.2021 und endete am 6.10.2021.
- Die Aufgabe zur Post am 2.9.2021 ist vom Finanzamt nachgewiesen worden. Das Finanzamt hat die organisatorischen Abläufe zwischen dem Druckzentrum, dem Postdienstleistungsunternehmen C und der Deutschen Post AG umfassend dargelegt. Danach werden die Bescheide von dem Postdienstleistungsunternehmen C im Druckzentrum abgeholt. C übernimmt dann den weiteren Transport der Bescheide, indem er die Bescheide der Deutschen Post AG übergibt, die diese dann ausliefert.
- Die vom FG vernommenen Zeugen konnten den Bescheid des Klägers anhand des angebrachten Barcodes nebst dazugehöriger Identifikationsnummer einem Druckauftrag im Druckzentrum und einer Postgebührenabrechnung zuordnen. Aufgrund dieser Abrechnung stand fest, dass der Bescheid tatsächlich gedruckt und kuvertiert worden ist. Auch die Abholung des Bescheids im Druckzentrum durch die C ist nachgewiesen worden, da die Post von Freitag bis Montag täglich von C abgeholt wird und die C einen Transportbegleitschein vorlegen konnte, nach dem am 2.9.2021 insgesamt 397 Postkisten im Druckzentrum abgeholt wurden.
- Steht danach die Aufgabe zur Post am 2.9.2021 fest, gilt der Bescheid als am 6.9.2021 bekannt gegeben, da der 5.9.2021 ein Sonntag war. Diese Bekanntgabevermutung hat der Kläger nicht widerlegt. Zwar hat er einen Fristenkalender mit dem Eintrag „7.9.2021“ vorgelegt; aber er hat nicht den Briefumschlag aufgehoben, in dem sich der Bescheid befunden hat und aus dem der Poststempel ersichtlich wäre.
Hinweise: Aktuell häufen sich die Entscheidungen, in denen es um die Bekanntgabe von Bescheiden geht. Hintergrund ist die Unzuverlässigkeit des Postverkehrs, die dazu führt, dass Briefe nicht an jedem Werktag ausgeliefert werden oder dass Briefe länger als drei Tage unterwegs sind. Sollte die gesetzliche Vermutung einer Bekanntgabe drei Tage nach Aufgabe zur Post kippen, müsste ggf. in jedem Fall ermittelt werden, wann der Bescheid zur Post aufgegeben und wann er ausgeliefert worden ist. Dies wäre praktisch nicht umsetzbar.
Für die Praxis empfiehlt es sich, darauf zu achten, ob der Bescheid innerhalb von drei Tagen nach dem Datum des Bescheids eingegangen ist. Falls nicht, sollte der Einspruch dennoch so frühzeitig eingelegt werden, als wäre der Bescheid innerhalb von drei Tagen nach Aufgabe zur Post eingegangen; ein Einspruch kann unbürokratisch per E-Mail eingelegt werden. Außerdem sollte stets auch der Briefumschlag aufgehoben werden.
Quelle: FG Hamburg, Urteil v. 13.4.2023 – 5 K 59/22; NWB