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Widerruf eines Immobilienkreditvertrags

Widerruft ein Kreditnehmer, der einen privaten Immobilienkredit aufgenommen hat, nach mehreren Jahren wirksam den Kreditvertrag, sodass es zu einer wechselseitigen Rückgewähr der gezahlten Leistungen kommt, stellt der Nutzungsersatz, der dem Kreditnehmer zufließt, keine steuerbaren Einkünfte dar.

Hintergrund: Vor einigen Jahren stellte sich heraus, dass die Sparkassen unwirksame Widerrufsbelehrungen in ihren Kreditverträgen verwendeten. Dies ermöglichte es den Kreditnehmern, einen Widerruf noch nach vielen Jahren zu erklären und so die Rückabwicklung des Kredits herbeizuführen. Auf diese Weise konnte die Zinsbelastung nachträglich reduziert werden.

Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute, die im Jahr 2007 zwei Darlehen für eine vermietete Wohnung, sowie für eine selbstgenutzte Wohnung aufgenommen hatten. Nachdem sie festgestellt hatten, dass die von der Sparkasse verwendeten Widerrufsbelehrungen unwirksam waren, widerriefen sie im August 2014 mit Erfolg ihre Willenserklärungen zum Abschluss der Darlehensverträge. Beide Darlehensverträge wurden daraufhin rückabgewickelt, und die Kläger erhielten per Saldo einen Nutzungsersatz in Höhe von ca. 3.500 € aus dem Darlehen für die selbstgenutzte Wohnung sowie einen Nutzungsersatz in Höhe von ca. 4.000 € aus dem Darlehen für die vermietete Wohnung. Das Finanzamt erfasste den Nutzungsersatz aus dem Darlehen für die selbstgenutzte Wohnung als Kapitaleinkünfte und den Nutzungsersatz aus dem Darlehen für die vermietete Wohnung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Kläger wehrten sich gegen die Erfassung des Nutzungsersatzes in Höhe von 3.500 € als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Wird ein Kreditvertrag widerrufen, wandelt sich der Kreditvertrag in ein gegenseitiges Rückgewährschuldverhältnis um. Es werden dann die geleisteten Zahlungen wieder rückgängig gemacht und jeweils ein Wertvorteil für die Gebrauchsvorteile ermittelt, der zu zahlen ist.
  • Der Nutzungsersatz, den die Sparkasse an die Kläger zahlen musste, fiel nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre an und bleibt daher steuerlich irrelevant. Das Rückgewährschuldverhältnis ist nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Einheit zu behandeln. Aus dieser Einheit und dem sich ergebenden Saldo kann nicht isoliert ein Zinsanspruch herausgelöst und besteuert werden.

Hinweise: Der BFH stellt klar, dass die Rückabwicklung von Immobilienkrediten aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen führt.

Offen gelassen hat der BFH die Frage, ob die Rückabwicklung des Darlehensvertrags über die vermietete Immobilie zu steuerbaren Vermietungseinkünften führt; denn die Kläger hatten sich hiergegen nicht gewehrt. Nach der Begründung des BFH, der den Nutzungsersatz nicht der steuerbaren Erwerbssphäre zuordnet, dürfte aber auch hier eine Steuerpflicht zu verneinen sein.

Die Rechtslage für den Nutzungsersatz aufgrund eines Widerrufs hat sich mittlerweile zuungunsten der Kreditnehmer geändert, da der Darlehensnehmer keinen Anspruch mehr auf Nutzungsersatz hat.

Quelle: BFH, Urteil vom 7.11.2023 – VIII R 16/22; NWB

Widerruf der Gestattung der Ist-Versteuerung bei Missbrauchsverdacht

Ist dem Unternehmer die sog. Ist-Versteuerung gestattet worden, kann das Finanzamt die Gestattung nicht deshalb widerrufen, weil der Unternehmer von seinen Vertragspartnern jahrelang kein Geld erhalten und deshalb keine Umsatzsteuer abgeführt hat, seine Vertragspartner aber die in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuer geltend gemacht haben.

Hintergrund: Auf Antrag kann das Finanzamt einem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, die sog. Ist-Versteuerung anzuwenden, sodass die Umsatzsteuer erst dann vom Unternehmer abzuführen ist, wenn er das Entgelt von seinem Kunden erhält. Bei der Soll-Versteuerung muss er die Umsatzsteuer hingegen bereits dann abführen, wenn er seine Leistung erbracht hat, ohne dass es auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt.

Sachverhalt: Das Finanzamt hatte dem Kläger im Jahr 1987 die sog. Ist-Versteuerung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gestattet, sodass er die Umsatzsteuer erst abführen musste, wenn seine Rechnungen bezahlt werden. Der Kläger war als Geschäftsführer für mehrere GmbH unternehmerisch tätig und stellte ihnen seine Geschäftsführerleistungen in Rechnung und wies Umsatzsteuer gesondert aus. Die GmbH überwiesen die Rechnungsbeträge jahrelang nicht, machten aber die Vorsteuer geltend. Das Finanzamt stellte dies bei einer Außenprüfung im Jahr 2015 fest und widerrief die Gestattung der Ist-Versteuerung ab 2016. Das Finanzamt begründete dies mit einer missbräuchlichen Verwendung der Gestattung. Hiergegen klagte der Kläger.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Zwar stand die Gestattung der Ist-Versteuerung unter dem Vorbehalt eines Widerrufs. Der Widerruf darf aber nicht aus sachwidrigen Gründen erfolgen.
  • Im Streitfall war die Begründung des Widerrufs sachwidrig. Denn das Finanzamt ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die GmbH, für die der Geschäftsführer unternehmerisch tätig war, die Vorsteuer aus den Rechnungen des Klägers auch ohne Bezahlung der Rechnung geltend machen konnten.
  • Nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfolgen der Vorsteuerabzug und die Entstehung der Umsatzsteuer zeitgleich. Die GmbH könnten nach dieser Rechtsprechung die Vorsteuer daher erst dann abziehen, wenn sie die Rechnungen bezahlt haben und der Kläger dann auch die Umsatzsteuer abführen muss.
  • Zwar wird in Deutschland der Vorsteuerabzug nicht nur bei der Soll-Versteuerung, sondern auch bei der Ist-Versteuerung zugelassen, wenn die Leistung ausgeführt worden ist und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt; auf die Bezahlung der Rechnung kommt es also nicht an. Nach dem EuGH ist aber ein zeitlicher Gleichklang zwischen Vorsteuerabzug und Entstehung der Umsatzsteuer erforderlich. Der Umstand, dass die GmbH die Vorsteuer schon vor der Zahlung geltend gemacht haben, beruht also nicht auf einem Missbrauch, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung des europäischen Mehrwertsteuerrechts durch den deutschen Staat.

Hinweise: Bei den GmbHs, für die der Kläger tätig gewesen ist, dürfte es sich um „nahestehende“ Gesellschaften gehandelt haben, da eine jahrelange Nichtzahlung von Rechnungen unter fremden Dritten kaum akzeptiert werden dürfte und da die GmbH die Rechnungsbeträge auf Verrechnungskonten gebucht haben.

Der BFH hat eine abschließende Entscheidung über den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs aus der Rechnung eines Ist-Versteuerers nicht getroffen, sondern nur über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs entschieden. Dennoch bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber tätig werden wird, um im Fall der Ist-Versteuerung zu verhindern, dass die Vorsteuer deutlich früher geltend gemacht wird, als die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt wird.

Bei der sog. Soll-Versteuerung gibt es dieses Problem nicht, weil bei ihr ein zeitlicher Gleichklang besteht. Denn die Umsatzsteuer entsteht mit der Ausführung der Leistung, und der Leistungsempfänger kann mit der Ausführung der Leistung auch die Vorsteuer geltend machen, sofern er über eine ordnungsgemäße Rechnung verfügt.

Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 5/21; NWB