Eine einfache Unterkunft, die dem Arbeitnehmer überlassen wird, kann statt des gesetzlichen Werts von 241 € mit dem niedrigeren ortsüblichen Mietpreis bewertet werden, wenn der Wert von 241 € nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Möglichkeit einer niedrigeren Bewertung im Fall der Unbilligkeit ergibt sich aus dem Sozialversicherungsrecht und gilt auch im Steuerrecht.
Hintergrund: Sachbezüge des Arbeitgebers wie z.B. die Gestellung einer Unterkunft oder Verpflegung müssen bewertet werden. Hierzu gibt es im Sozialversicherungsrecht Pauschalwerte, die für das Steuerrecht übernommen werden können. Im Sozialversicherungsrecht gibt es außerdem bei der Gestellung einer Unterkunft die Möglichkeit, den niedrigeren ortsüblichen Mietpreis anzusetzen, wenn der Pauschalwert nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
Streitfall: Der Kläger war Arbeitgeber und beschäftigt eine Vielzahl von Arbeitnehmern, denen er eine Unterkunft stellte. Dabei handelte es sich um Wohncontainer und Wohnwagen, die aus einem einzigen Raum bestanden, kleiner als 8 qm waren, zum Teil doppelt belegt waren und die über keine sanitären Anlagen verfügten. Die sanitären Anlagen befanden sich im Außenbereich und wurden von allen Arbeitnehmern auf dem Gelände genutzt. Der Kläger setzte pro Unterkunft einen Wert von 50 € bis 150 € an, während das Finanzamt den höheren Pauschalwert von mehr als 200 €, der sich nach dem Sozialversicherungsrecht ergab, ansetzte und gegenüber dem Kläger einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid erließ.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) hielt den Lohnsteuer-Haftungsbescheid für rechtswidrig und gab der Klage statt:
- Die Gestellung einer Unterkunft stellt einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil dar. Der Wert kann aus den sozialversicherungsrechtlichen Pauschalwerten abgeleitet werden.
- Allerdings kann im Sozialversicherungsrecht statt des Pauschalwerts ein niedrigerer ortsüblicher Mietpreis angesetzt werden, wenn der Pauschalwert nach Lage des Falls unbillig wäre. Diese Möglichkeit ist auch im Steuerrecht anwendbar, weil das Steuerrecht auf die sozialversicherungsrechtliche Bewertung verweist.
- Im Streitfall war der Pauschalwert unbillig, da es sich um sehr einfache Unterkünfte handelte. Die Arbeitnehmer hatten jeweils nur einen Raum ohne Sanitäreinrichtung und ohne gesonderte Küche, und der Raum war kleiner als der Standard von 8 qm. Außerdem lagen die Sanitäreinrichtungen im Außenbereich und wurden von allen Arbeitnehmern genutzt.
- Der ortsübliche Mietpreis konnte aus einer weiteren sozialversicherungsrechtlichen Bewertungsvereinfachung abgeleitet werden und führte zu einem monatlichen Sachbezug von weniger als 50 €. Dies war sogar weniger als vom Kläger angemeldet, so dass der Lohnsteuer-Haftungsbescheid rechtswidrig war.
Hinweise: Sowohl im Sozialversicherungs- als auch im Steuerrecht geht es darum, das „richtige“ Gehalt zugrunde zu legen. Die sozialversicherungsrechtlichen Werte können für das Steuerrecht übernommen werden; dies gilt nach dem aktuellen Urteil auch für die Unbilligkeitsregelung. Der sich danach ergebende ortsübliche Mietpreis ist bei kleinen Wohnungen günstiger als der Pauschalwert, da eine Wohnung mit einem Mietpreis von 4,23 €/qm monatlich bewertet wird; bei einfacher Ausstattung (ohne Sammelheizung oder ohne Bad oder Dusche) werden sogar nur 3,46 €/qm monatlich angesetzt (Werte 2022).
Zu einem steuerpflichtigen Sachbezug kommt es nur dann, wenn der Arbeitgeber die Unterkunft entweder unentgeltlich oder aber verbilligt überlässt, d.h. zu einer Miete, die unter den sozialversicherungsrechtlichen Werten liegt. Steuerpflichtig ist bei der verbilligten Überlassung nur die Differenz zwischen der Miete und dem sozialversicherungsrechtlichen Wert.
Quelle: FG Münster, Urteil v. 25.8.2022 – 7 K 3447/18 L; NWB