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Umsatzsteuerfreiheit für Krankentransporte

Der Transport von kranken, verletzten oder behinderten Menschen ist umsatzsteuerfrei. Die Umsatzsteuerfreiheit ergibt sich aus dem europäischen Umsatzsteuerrecht. Die Umsatzsteuerfreiheit gilt jedoch nicht für Essens- oder Medikamententransporte.

Hintergrund: Nach deutschem Umsatzsteuerrecht ist die Beförderung von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind, umsatzsteuerfrei. Nach europäischem Umsatzsteuerrecht sind Dienstleistungen umsatzsteuerfrei, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind und entweder durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder aber durch Einrichtungen, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, erbracht werden.

Sachverhalt: Es ging um eine GmbH, die überwiegend kranke, verletzte und behinderte Personen transportierte. Hierzu verwendete sie Fahrzeuge, die teilweise als Krankenwagen eingerichtet waren, teilweise bei Bedarf für die Beförderung von kranken und verletzten Personen eingerichtet werden konnten und die teilweise nur über eine seitlich ausfahrbare Trittstufe verfügten. In geringem Umfang beförderte die GmbH auch Essenscontainer und Medikamente. Das Finanzamt gewährte die Umsatzsteuerfreiheit nach deutschem Recht nur insoweit, als die Fahrten mit den Krankenwagen durchgeführt wurden. Die GmbH begehrte eine vollständige Umsatzsteuerfreiheit.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gewährte grundsätzlich die Umsatzsteuerfreiheit für die Transporte kranker, verletzter oder behinderter Menschen und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Auf die Umsatzsteuerfreiheit nach deutschem Recht kommt es nicht an, da sich die GmbH auf die Umsatzsteuerfreiheit nach europäischem Recht berufen kann. Diese Voraussetzungen liegen vor.
  • Die Beförderung kranker, verletzter oder behinderter Menschen ist eine Dienstleistung, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden ist. Die GmbH verfügte über eine Genehmigung zur Beförderung ausschließlich kranker, verletzter oder behinderter Menschen. In den Fahrzeugen befanden sich Notfallkästen, und die Fahrgäste wurden bei Bedarf auch bis zur Krankenstation des Krankenhauses begleitet oder einer Vertrauensperson übergeben.
  • Die GmbH war auch eine Einrichtung, deren sozialer Charakter anerkannt war. Der Begriff der Einrichtung ist weit auszulegen, so dass zu den Einrichtungen auch natürliche Personen sowie Kapitalgesellschaften gehören. Die Anerkennung als soziale Einrichtung folgt daraus, dass Krankenfahrten von Krankenkassen bezahlt werden.
  • Allerdings muss das FG nun aufklären, in welchem Umfang auch Essenscontainer und Medikamente transportiert wurden; denn insoweit greift weder eine Befreiung nach deutschem noch nach europäischem Umsatzsteuerrecht.

Hinweise: Der BFH hat das FG außerdem aufgefordert, eine mögliche Privatnutzung der Fahrzeuge und auch der Telefone zu überprüfen.

Die Umsatzsteuerfreiheit nach europäischem Recht ist zwar nicht zu gewähren, wenn hierdurch der Wettbewerb beeinflusst und damit die steuerliche Neutralität verletzt wird. Der BFH verneint aber eine Beeinflussung des Wettbewerbs zwischen der GmbH einerseits und Taxi- und Mietwagenunternehmen andererseits. Denn die GmbH erbrachte aufgrund der Betreuung der beförderten Personen Dienstleistungen, die über die bloße Beförderung hinausgingen.

Quelle: BFH, Urteil v. 24.8.2022 – XI R 25/20; NWB

Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen

Supervisionsleistungen eines Unternehmers sind nach europäischem Recht umsatzsteuerfrei, wenn die Supervision der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung dient. Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei der Supervision um Unterricht handelt, der ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen vermittelt.

Hintergrund: Nach deutschem Recht sind Unterrichtsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei. Die Umsatzsteuerfreiheit gilt z.B. für private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen, deren Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die Schule auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Nach dem europäischen Recht ist hingegen der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht umsatzsteuerfrei.

Sachverhalt: Die Klägerin erbrachte selbständig Supervisionsleistungen. Sie schloss mit Arbeitgebern Verträge und führte die Supervision bei deren Arbeitnehmern durch. Gegenstand der Supervision war die Bewältigung des beruflichen Alltags, nicht aber die Lösung persönlicher Probleme. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 2012 bis 2014 neben ihren Honoraren aus der Supervision noch Honorare aus einer Hochschultätigkeit in Höhe von ca. 2.500 € bis ca. 5.000 €. Sie behandelte ihre Umsätze aus der Supervision als umsatzsteuerfrei und ging davon aus, dass sie hinsichtlich ihrer Hochschulumsätze Kleinunternehmerin sei, da sie die in den Streitjahren geltende Umsatzgrenze von 17.500 €, die für steuerpflichtige Umsätze der jeweiligen Vorjahre galt, nicht überschritten habe. Das Finanzamt setzte hingegen Umsatzsteuer fest.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Zwar kann sich die Klägerin nicht auf eine Umsatzsteuerbefreiung nach deutschem Recht berufen. Denn sie erfüllte nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, weil sie z.B. keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorweisen konnte.
  • Jedoch gilt für die Klägerin die Umsatzsteuerbefreiung nach europäischem Recht. Die Klägerin war nämlich Privatlehrerin und erteilte Unterricht, der die weitere Voraussetzung, die von der Rechtsprechung aufgestellt worden ist, erfüllte: Der Unterricht diente nämlich der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung. Dies umfasst auch die Supervision der Klägerin; denn die Supervisionssitzungen sollten Kompetenzen vermitteln, die im beruflichen Alltag erforderlich waren.
  • Zwar verlangt der Europäische Gerichtshof für die Umsatzsteuerfreiheit von Schul- und Hochschulunterricht, dass ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen vermittelt wird, wie es für Schul- bzw. Hochschulunterricht typisch ist. Dieses Erfordernis gilt aber nicht im Bereich der Aus- und Fortbildung wie im Streitfall.

Hinweise: Da die Supervisionshonorare umsatzsteuerfrei waren, blieben sie bei der Prüfung der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer außer Ansatz. Die verbleibenden Honorare aus der Hochschultätigkeit lagen unter der in den Streitjahren gültigen Umsatzgrenze von 17.500 €, so dass die Klägerin als Kleinunternehmerin keine Umsatzsteuer schuldete.

Aktuell beträgt die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer 22.000 €. Die meisten umsatzsteuerfreien Umsätze gehen in die Ermittlung der Überschreitung der Umsatzgrenze nicht ein.

Quelle: BFH, Beschluss v. 22.6.2022 – XI R 32/21 (XI R 6/19); NWB

Umsatzsteuerfreiheit der Ortskundeprüfung für Taxifahrer

Ein Berufsverband, der Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer gegen Zahlung einer Gebühr durchführt, erbringt eine umsatzsteuerfreie Leistung. Die Gebühr unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer.

Hintergrund: Der Gesetzgeber stellt Lehrveranstaltungen von Einrichtungen, die dem Zweck eines Berufsverbands dienen, umsatzsteuerfrei, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden.

Streitfall: Der Kläger war ein Berufsverband, der nicht gemeinnützig war. Er führte im Streitjahr 2011 Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer durch und erhielt hierfür eine Gebühr auf der Grundlage einer Gebührenordnung. Hierfür stellte der Kläger keine Umsatzsteuer in Rechnung. Das Finanzamt verlangte vom Kläger jedoch Umsatzsteuer.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte die Umsatzsteuerfreiheit und gab der Klage statt:

  • Zwar war die Leistung des Klägers umsatzsteuerbar, unterlag also dem Grunde nach der Umsatzsteuer. Denn es gab einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Abnahme der Ortskundeprüfung und der entrichteten Gebühr; unbeachtlich war, dass die Leistung des Klägers im öffentlichen Interesse lag.
  • Die Leistung war aber umsatzsteuerfrei. Sie fällt nämlich unter die Umsatzsteuerfreiheit für Lehrveranstaltungen, die auch die Aus- und Fortbildung sowie die berufliche Umschulung umfasst. Hierzu gehören Schulungsmaßnahmen mit einem direkten Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder dem Erhalt beruflicher Kenntnisse dienen.
  • Die Ortskundeprüfung war eine Schulungsmaßnahme mit einem direkten Bezug zu einem Beruf. Denn sie stellte den Schlusspunkt sowie den notwendigen Bestandteil einer Schulungsmaßnahme zum Beruf des Taxifahrers dar. Ohne Ortskundeprüfung durfte der Beruf des Taxifahrers im Streitjahr nicht ausgeübt werden. Für die Steuerbefreiung ist nicht erforderlich, dass derselbe Anbieter sowohl die eigentliche Schulungsmaßnahme als auch die Prüfung durchführen muss.
  • Die weiteren Voraussetzungen der gesetzlichen Steuerbefreiung lagen vor. Der Kläger war ein Berufsverband, und die Einnahmen aus den Gebühren dienten überwiegend zur Kostendeckung. Letzteres folgt daraus, dass die Gebührenordnung die Gebührensätze danach festlegt, dass der mit den Amtshandlungen verbundene Personal- und Sachaufwand gedeckt wird.

Hinweise: Die bisherigen aktuellen Entscheidungen des BFH im Bereich der Umsatzsteuerfreiheit für Unterricht betrafen den Schul- und Hochschulunterricht. Der BFH hat in diesem Bereich entschieden, dass Unterricht nur dann steuerfrei ist, wenn er der Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten bezüglich eines breiten und vielfältigen Stoffspektrums dient; daher hat der BFH den Schwimmunterricht und Fahrschulunterricht (für private Zwecke) nicht als umsatzsteuerfrei behandelt.

Das aktuelle Urteil betrifft hingegen den Bereich der Aus- und Fortbildung sowie der beruflichen Umschulung. Der BFH stellt klar, dass die Begriffe der Aus- und Fortbildung sowie der beruflichen Umschulung nicht so eng auszulegen sind, dass die Umsatzsteuerbefreiung wirkungslos bliebe.

Quelle: BFH, Urteil v. 30.6.2022 – V R 32/21 (V R 31/17); NWB

Umsatzsteuerfreiheit für Gästeführer in einem Museum

Ein Gästeführer in einem Museum, das nur im Rahmen von Gruppenführungen besucht werden kann, erzielt umsatzsteuerfreie Umsätze. Der Gästeführer kann dieselbe Umsatzsteuerbefreiung in Anspruch nehmen, wie sie für das Museum beim Kartenverkauf gilt.

Hintergrund: Nach deutschem Umsatzsteuerrecht sind die Umsätze von Museen und gleichartigen Einrichtungen umsatzsteuerfrei. Für gleichartige Einrichtungen gilt dies nur, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Museum erfüllt.

Streitfall: Der Kläger war selbständiger Museumsführer im Museum A, das von einer gemeinnützigen Stiftung betrieben wurde und nur im Rahmen von Gruppenführungen besucht werden konnte. Die Umsätze des Museums aus dem Kartenverkauf waren umsatzsteuerfrei. Der Kläger verfügte über eine Bescheinigung der für ihn zuständigen Bezirksregierung, nach der er als Museumsführer die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie vergleichbare Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Der Kläger behandelte seine Umsätze als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt nahm jedoch eine Umsatzsteuerpflicht an.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze und gab der Klage statt:

  • Der Kläger ist umsatzsteuerlich eine „Einrichtung“, die einem Museum vergleichbar ist. Daher gilt die Umsatzsteuerbefreiung für Museen auch für ihn.
  • Der Begriff der „Einrichtung“ erfasst auch natürliche Personen. Aus der Bescheinigung der zuständigen Behörde ergibt sich, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie ein Museum.
  • Die Umsatzsteuerbefreiung für Museen gilt nicht nur für die Eintrittskarten, sondern auch für andere typische Museumsleistungen. Hierzu gehören etwa Führungen, wenn das Museum nur in Begleitung eines Gästeführers besucht werden kann. Der Kläger als Museumsführer ist dann ein unmittelbarer und unverzichtbarer Bestandteil der kulturellen Leistung des Museums.

Hinweise: Der BFH stellt entscheidend darauf ab, dass das Museum nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden durfte. Die Umsatzsteuerfreiheit dürfte daher nicht für selbständige Museumsführer gelten, die Führungen in Museen durchführen, die auch ohne Führung besichtigt werden können.

Eine Umsatzsteuerbefreiung nach europäischem Recht, die für den Schul- und Hochschulunterricht gilt, lehnte der BFH ab, weil die Erklärungen eines Museumsführers allenfalls einen spezialisierten Unterricht darstellen, aber nicht das für die Umsatzsteuerbefreiung erforderliche breite und vielfältige Spektrum der Wissensvermittlung umfassen.

Der BFH weist in seiner Entscheidung ferner darauf hin, dass die Umsatzsteuerbefreiung nicht für Hausmeister oder Sicherheitsmitarbeiter gilt; bei ihnen fehlt es an einer kulturellen Leistung.

BFH, Beschluss vom 15.12.2021 – XI R 19/18; NWB