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Umsatzsteuerliche Vereinnahmung eines Entgelts bei Überweisung

Ein Unternehmer vereinnahmt im Rahmen der umsatzsteuerlichen Ist-Versteuerung ein Entgelt, das ihm auf sein Girokonto überwiesen wird, erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto, auch wenn die Wertstellung zu einem früheren Zeitpunkt wirksam wird. Damit entsteht die Umsatzsteuer bei der sog. Ist-Versteuerung erst mit der Gutschrift.

Hintergrund: Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer mit der Ausführung der Leistung (sog. Soll-Versteuerung), ohne dass es auf den Zeitpunkt der Bezahlung ankommt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Unternehmer die sog. Ist-Versteuerung beantragen: Die Umsatzsteuer entsteht dann erst bei Vereinnahmung des Entgelts.

Sachverhalt: Der Kläger war Unternehmer und versteuerte seine Umsätze nach der Ist-Versteuerung. Er führte im Jahr 2019 eine Leistung aus. Das Entgelt hierfür betrug 30.000 € und wurde ihm auf sein Girokonto überwiesen. Die Gutschrift auf seinem Konto erfolgte am 2.1.2020, allerdings mit einer Wertstellung zum 31.12.2019. Das Finanzamt erhöhte daraufhin die Umsatzsteuer für 2019, weil es von einer Vereinnahmung bereits im Jahr 2019 ausging.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) ging von einer Vereinnahmung erst im Jahr 2020 aus und gab der Klage statt:

  • Die umsatzsteuerliche Vereinnahmung des Entgelts setzt voraus, dass der Unternehmer über das Entgelt wirtschaftlich verfügen kann. Dies ist erst im Zeitpunkt der Gutschrift der Fall.
  • Eine vorherige Wertstellung führt noch nicht zur wirtschaftlichen Verfügbarkeit des Entgelts. Denn die Wertstellung ist nur für die Zinswirksamkeit maßgeblich. Der Wertstellungstag gibt also lediglich den Zeitpunkt an, zu dem der gebuchte Betrag zinswirksam wird.

Hinweis: Eine Bank ist zwar gesetzlich verpflichtet, dem Kontoinhaber den überwiesenen Betrag unverzüglich verfügbar zu machen. Hieraus lässt sich dem BFH zufolge aber nichts für die Frage der Vereinnahmung und der tatsächlichen wirtschaftlich Verfügbarkeit ableiten.

Die Ist-Versteuerung kann auf Antrag u.a. dann gestattet werden, wenn der Unternehmer im Vorjahr einen Gesamtumsatz von maximal 600.000 € hatte. Dieser Betrag soll nach aktuellen Plänen des Gesetzgebers ab 2024 auf 800.000 € erhöht werden.

Quelle: BFH, Urteil vom 17.8.2023 – V R 12/22; NWB

Anspruch des Unternehmers gegen das Finanzamt auf Erstattung der an den Vertragspartner zu viel gezahlten Umsatzsteuer

Der Unternehmer kann einen Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung derjenigen Umsatzsteuer haben, die der Unternehmer versehentlich zu viel an den Vertragspartner gezahlt hat und die er deshalb nicht als Vorsteuer geltend machen kann. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer von seinem Vertragspartner nicht zurückerhält, weil dieser insolvent ist oder die Einrede der Verjährung erhebt. Dieser Erstattungsanspruch nennt sich „Direktanspruch“ und umfasst auch eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs, wenn das Finanzamt die Erstattung nicht innerhalb angemessener Zeit leistet.

Hintergrund: Das Umsatzsteuersystem ist auf Neutralität angelegt und soll den Unternehmer finanziell nicht belasten. Die Umsatzsteuer, die der Unternehmer an seinen Vertragspartner zahlt, kann sich der Unternehmer daher als Vorsteuer erstatten lassen. Probleme ergeben sich jedoch, wenn der Unternehmer versehentlich zu viel Umsatzsteuer an seinen Vertragspartner zahlt, weil dieser z.B. zu Unrecht 19 % statt 7 % in Rechnung stellt. Dem Unternehmer werden dann nämlich nur 7 % Vorsteuer erstattet, so dass er sich bemühen muss, die Rechnung berichtigen zu lassen und den Differenzbetrag von seinem Vertragspartner zu erhalten.

Sachverhalt: Der Kläger war Forstwirt und erwarb in den Jahren 2011 bis 2013 von anderen Unternehmern Holz, die ihm die Holzlieferungen mit 19 % in Rechnung stellten. Tatsächlich wäre aber der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % anzuwenden gewesen. Das Finanzamt erkannte nach einer Außenprüfung die Vorsteuer nur zu 7 % an und erließ im Juli 2019 entsprechend geänderte Umsatzsteuer- und Zinsbescheide. Der Kläger bemühte sich bei seinen Lieferanten um eine Berichtigung der Rechnungen und um eine Erstattung der überzahlten Umsatzsteuer. Die Lieferanten erhoben die Einrede der Verjährung. Der Kläger beantragte daraufhin beim Finanzamt den Erlass der zu viel gezahlten Umsatzsteuer. Dies lehnte das Finanzamt ab, und das Finanzgericht rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.

Entscheidung: Der EuGH bestätigte einen sog. Direktanspruch des Klägers gegen das Finanzamt:

  • Ein Unternehmer kann einen direkten Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung der Umsatzsteuer, die der Unternehmer an seinen Vertragspartner zu viel gezahlt hat, haben. Der Direktanspruch gegen das Finanzamt ergibt sich insbesondere aus dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer), nach dem das Mehrwertsteuersystem den Unternehmer nicht belasten darf.
  • Die Belastung des Klägers folgt daraus, dass er an seine Lieferanten eine Umsatzsteuer von 19 % – und damit überhöht – gezahlt hat, er aber nur 7 % als Vorsteuer geltend machen kann. Diesen Differenzbetrag erhält der Kläger von seinen Vertragspartnern nicht zurück, weil diese die Einrede der Verjährung geltend gemacht haben.
  • Der Direktanspruch ist ausgeschlossen, wenn dem Unternehmer Betrug, Missbrauch oder Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Hierfür gibt es im Streitfall aber keine Anhaltspunkte.

Hinweise: Die abschließende Entscheidung muss nun das Finanzgericht Münster treffen, welches den EuGH angerufen hat. Sollte es sich der Auffassung des EuGH anschließen, wird der Direktanspruch im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme wie z.B. eines Steuererlasses oder einer Billigkeitsfestsetzung umgesetzt.

Nach dem aktuellen EuGH-Urteil umfasst der Direktanspruch auch die Zahlung von Verzugszinsen, wenn das Finanzamt die Erstattung der Umsatzsteuer nicht innerhalb einer angemessenen Frist vornimmt. Der EuGH hat sich jedoch nicht zur Dauer einer angemessenen Frist geäußert.

Der EuGH bestätigt mit seiner aktuellen Entscheidung den Direktanspruch des Unternehmers. Dieser Anspruch wirkt sich zugunsten des Unternehmers aus, wenn er die Umsatzsteuer, die er an seine Vertragspartner gezahlt hat, nicht in vollem Umfang als Vorsteuer geltend machen kann, weil sie in der Rechnung überhöht ausgewiesen worden war, und weil sein Vertragspartner entweder zahlungsunfähig ist oder aber die Einrede der Verjährung erhebt.

Quelle: EuGH, Urteil vom 7.9.2023 – C-453/22 „Schütte“; NWB

Wirtschaftliche Eingliederung bei umsatzsteuerlicher Organschaft

Die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers kann sich auch aus der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften ergeben. Die wirtschaftliche Eingliederung setzt also nicht zwingend unmittelbare Beziehungen zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger voraus.

Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Es werden dann die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft zusammengefasst und vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt nicht auf und schuldet keine Umsatzsteuer.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die zu der im Immobilienbereich tätigen V-Gruppe gehörte. Alleingesellschafter und -geschäftsführer der Klägerin war der G. Die Klägerin verwaltete u.a. Mietshäuser des G. Die Klägerin machte geltend, dass sie in den Streitjahren 2008 bis 2011 eine Organgesellschaft des G (Organträger) gewesen sei und daher keine Umsatzsteuer schulde. Das Finanzamt verneinte die wirtschaftliche Eingliederung.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine wirtschaftliche Eingliederung für denkbar und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung war anzunehmen, da der G Alleingesellschafter der Klägerin war. Auch die organisatorische Eingliederung war zu bejahen, da der G Geschäftsführer der Klägerin war.
  • Eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des G war denkbar. Eine wirtschaftliche Eingliederung verlangt, dass die Tätigkeiten von Organgesellschaft und Organträger aufeinander abgestimmt sind und sich dabei fördern und ergänzen.
  • Zwar ergibt sich die wirtschaftliche Eingliederung nicht bereits daraus, dass die Klägerin Häuser des G verwaltet hat. Hausverwaltungsdienste sind nämlich ebenso wie Buchführungs-, Personalverwaltungs- oder Winterdienste standardisierte Dienstleistungen, für die es zahlreiche Anbieter gibt, die mit relativ geringem Aufwand austauschbar sind.
  • Eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin kann sich aber aus der Bedeutung der von ihr erbrachten Hausverwaltungsdienste für die V-Gruppe ergeben. Das FG muss dies näher aufklären und z.B. ermitteln, wie viele Mietshäuser der V-Gruppe die Klägerin in den Jahren 2009 bis 2011 verwaltet hat.
  • Denkbar ist auch, dass es eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Klägerin und anderen Gesellschaften der V-Gruppe gegeben hat. Dies wäre der Fall, wenn die Geschäftstätigkeit der Klägerin durch die anderen Gesellschaften der V-Gruppe gefördert worden sein sollte.

Hinweise: Ob eine wirtschaftliche Eingliederung bestand, hängt nun davon ab, in welchem Umfang wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Klägerin und den anderen Gesellschaften der V-Gruppe bestanden, nachdem keine relevanten Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und G festgestellt werden konnten. Damit eine wirtschaftliche Eingliederung anzunehmen ist, müssen aber die anderen Gesellschaften der V-Gruppe Organgesellschaften gewesen sein. Im Ergebnis kann eine wirtschaftliche Eingliederung also auch mittelbar über andere Schwestergesellschaften, die Organgesellschaften sind, hergestellt werden. Leistungen der Klägerin an Dritte können dagegen nicht zu einer wirtschaftlichen Eingliederung führen.

Quelle: BFH, Urteil v. 11.5.2023 – V R 28/20; NWB

Keine umsatzsteuerliche Durchschnittssatzbesteuerung für Landwirtschaftsbetriebe im Ausland

Die umsatzsteuerliche Durchschnittssatzbesteuerung für Land- und Forstwirte gilt nicht für Land- und Forstwirte, deren Betrieb sich im Ausland befindet und die in Deutschland landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Produkte verkaufen.

Hintergrund: Umsatzsteuerlich gelten für Land- und Forstwirte Sonderregelungen, die die Land- und Forstwirte entlasten. Hat der Gesamtumsatz des Land- und Forstwirts im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 € betragen, wird die Umsatzsteuer nach aktueller Rechtslage auf 9,5 % festgesetzt, und zugleich wird auch eine Vorsteuer von 9,5 % berücksichtigt. Im Streitjahr 2018 betrug der jeweilige Steuersatz 10,7 %, und es gab keine Umsatzgrenze von 600.000 €.

Sachverhalt: Die Klägerin unterhielt einen Bauernhof in Österreich. Sie verkaufte im Jahr 2018 auf deutschen Wochenmärkten Ziegenprodukte. Sie wandte in ihrer Umsatzsteuererklärung den im Jahr 2018 gültigen Durchschnittssteuersatz von 10,7 % an, berücksichtigte in gleicher Höhe die Vorsteuer und gelangte so zu einer Umsatzsteuerzahllast von 0 €. Das Finanzamt erkannte die Durchschnittssatzbesteuerung nicht an, da sich der Bauernhof nicht in Deutschland befand, und setzte eine Umsatzsteuer von 7 % fest. Hiergegen klagte die Klägerin.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Ein Landwirt, der seinen Betrieb nicht in Deutschland unterhält, kann die umsatzsteuerliche Durchschnittsatzbesteuerung nicht anwenden, sondern muss seine Umsätze mit dem in Deutschland gültigen Umsatzsteuersatz versteuern.
  • Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung zur Durchschnittssatzbesteuerung keine Beschränkung auf Land- und Forstbetriebe im Inland. Allerdings spricht der Wortlaut der zugrunde liegenden europäischen Vorschriften zur Umsatzsteuer für eine Beschränkung auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Deutschland; denn danach gilt die Durchschnittssatzbesteuerung für Betriebe, die im jeweiligen Mitgliedstaat, also z.B. in Deutschland, als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb eingestuft werden. Dies zeigt, dass es auf die Einstufung im jeweiligen EU-Staat ankommt.
  • Ferner richtet sich die Höhe der pauschalen Vorsteuer, die berücksichtigt wird, nach den makroökonomischen Daten der letzten drei Jahre des jeweiligen Staats. Es würde daher dem Sinn der Durchschnittssatzbesteuerung widersprechen, wenn die makroökonomischen Daten, die sich für Deutschland ergeben, auf einen Unternehmer mit einem Betrieb in Österreich angewendet werden. In Österreich betrug der pauschale Ausgleichsprozentsatz im Streitjahr lediglich 10 %, nicht aber 10,7 %.

Hinweise: Die Umsätze der Klägerin aus dem Verkauf der Ziegenprodukte unterlagen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Die Umsatzsteuer war aus den Erlösen herauszurechnen. Bei einem Verkaufserlös von beispielsweise 1.000 € würde sich also ein Netto-Entgelt von 934,58 € und damit eine Umsatzsteuer von 65,42 € ergeben.

Quelle: BFH, Urteil v. 22.3.2023 – XI R 14/21; NWB