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Erste Tätigkeitsstätte eines Bauleiters bei nur organisatorischer Zuordnung

Wird ein Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag einer bestimmten Niederlassung des Arbeitgebers aus organisatorischen Gründen zugewiesen, ohne dass damit der Tätigkeitsort festgelegt wird und muss er die Niederlassung nur gelegentlich aufsuchen, handelt es sich bei der Niederlassung nicht um eine sog. erste Tätigkeitsstätte. Der Arbeitnehmer kann daher Verpflegungsmehraufwendungen gelten machen, wenn er von seiner Wohnung mehr als acht Stunden abwesend ist. Und er muss für die Nutzung des Dienstwagens für Fahrten von seiner Wohnung zur Niederlassung keinen geldwerten Vorteil versteuern.

Hintergrund: Hat der Arbeitnehmer eine sog. erste Tätigkeitsstätte, kann er für die Fahrten von seiner Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte lediglich die Entfernungspauschale geltend machen. Verpflegungsmehraufwendungen kann der Arbeitnehmer nur geltend machen, wenn er mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist.

Sachverhalt: Der Kläger war als Bauleiter bei einem internationalen Bauunternehmen angestellt. In seinem Arbeitsvertrag wurde eine Niederlassung seines Arbeitgebers im Ort Z in der X-Straße als „Einstellungsort“ bezeichnet. Der Kläger durfte einen Dienstwagen für die Fahrten von seiner Wohnung nach Z benutzen. Der Arbeitgeber versteuerte die Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten von der Wohnung nach Z nach der sog. 0,03 %-Regelung. Der Kläger machte in den Streitjahren 2015 bis 2017 für ca. 170 Tage pro Jahr Verpflegungsmehraufwendungen wegen einer Abwesenheit von seiner Wohnung von mehr als acht Stunden geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte, weil der Kläger nicht mehr als acht Stunden von der Niederlassung in Z abwesend gewesen war. Der Kläger wandte sich gegen die Nichtanerkennung der Verpflegungsmehraufwendungen und gegen die Versteuerung der Dienstwagennutzung nach der sog. 0,03 %-Regelung.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Der Kläger hatte in Z keine erste Tätigkeitsstätte. Eine erste Tätigkeitsstätte setzt eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers voraus, der der Arbeitgeber arbeitsvertraglich zugeordnet wird.
  • Eine derartige Zuordnung ist im Streitfall nicht erfolgt. Zwar fand sich im Arbeitsvertrag eine Formulierung zum „Einstellungsort“ in Z. Dies war aber keine Zuordnung zu dem Betriebsgebäude in der X-Straße in Z, sondern sollte einen Einsatz des Klägers im Bereich der Niederlassung in Z ermöglichen. Dies ergibt sich aus der vom Finanzgericht in erster Instanz durchgeführten Zeugenvernehmung.
  • Gegen eine Zuordnung zum Betriebsgebäude in der X-Straße in Z sprach, dass der Kläger seine Tätigkeit als Bauleiter nicht in dem Betriebsgebäude in Z ausüben sollte, sondern ganz überwiegend außerhalb des Gebäudes. Die Zuweisung zur Niederlassung in Z war lediglich aus organisatorischen Gründen erfolgt, stellte aber keine Festlegung des Tätigkeitsorts dar. Der Kläger sollte das Betriebsgebäude in Z nur gelegentlich, nicht aber täglich aufsuchen, um anfallende Büroarbeiten zu erledigen oder um an Besprechungen teilzunehmen.
  • Der Kläger konnte deshalb Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen, weil er von seiner Wohnung mehr als acht Stunden abwesend war. Denn auf eine mehr als achtstündige Abwesenheit von der Wohnung und der Arbeitsstätte kommt es nur an, wenn es sich bei der Arbeitsstätte um die erste Tätigkeitsstätte handelt.
  • Für die Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und der Niederlassung in Z war kein geldwerter Vorteil i. H. von 0,03 % pro Entfernungskilometer zu versteuern, weil diese Versteuerung nur dann erforderlich gewesen wäre, wenn es sich bei der Niederlassung um die erste Tätigkeitsstätte gehandelt hätte.

Hinweise: Unbeachtlich war, dass der Arbeitgeber des Klägers selbst die 0,03 %-Regelung angewendet hatte; denn der Arbeitnehmer ist hieran nicht gebunden, sondern kann entweder zum Ergebnis kommen, dass es sich nicht um eine erste Tätigkeitsstätte handelt, oder kann eine andere Methode anwenden, z.B. die Fahrtenbuchmethode.

Wird der Arbeitnehmer einer bestimmten Einrichtung des Arbeitgebers – anders als im Streitfall – arbeitsvertraglich zugeordnet, ist es für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nicht erforderlich, dass dort der qualitative Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt. Eine erste Tätigkeitsstätte liegt also auch dann vor, wenn er dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich schuldet oder die zu seinem Berufsbild gehören; deshalb hat ein Postbote im Postamt seine erste Tätigkeitsstätte, auch wenn er tagsüber überwiegend unterwegs ist, um die im Postamt erhaltenen Briefe auszutragen. Im Streitfall fehlte es jedoch an einer Zuordnung zu der Einrichtung des Arbeitgebers in der X-Straße in Z.

Quelle: BFH, Urteil vom 14.9.2023 – VI R 27/21; NWB

Taxikosten eines Arbeitnehmers für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte

Nutzt ein Arbeitnehmer für Fahrten von der Wohnung zu seiner ersten Tätigkeitsstätte ein Taxi, kann er insoweit nur die Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer geltend machen, nicht aber die höheren Taxikosten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er behindert ist und seine Behinderung einen bestimmten Grad erreicht.

Hintergrund: Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (d. h. der Arbeitsstätte) ist grundsätzlich nur der Abzug der Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer zulässig. Nach dem Gesetz ist der Abzug von Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aber zulässig, soweit sie höher sind als die Entfernungspauschale. Eine weitere Ausnahme besteht für Behinderte, deren Grad der Behinderung (GdB) entweder mindestens 70 beträgt oder aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind.

Streitfall: Der Kläger war Arbeitnehmer und konnte aufgrund einer Schwerbehinderung mit einem Grad von 60 nicht Auto fahren. Er fuhr daher in den Streitjahren 2016 und 2017 mit dem Taxi von seiner Wohnung zu seiner 7 km entfernten Arbeitsstätte. Die jährlichen Taxikosten von ca. 6.500 € und ca. 2.500 € machte er als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte aber nur die Entfernungspauschale an, die in beiden Jahren unter dem Werbungskostenpauschbetrag von 1.000 € lag.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab:

  • Grundsätzlich ist nur der Abzug der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte möglich. Eine der gesetzlichen Ausnahmen liegt nicht vor.
  • Zwar können bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch die höheren tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden. Ein Taxi ist aber kein öffentliches Verkehrsmittel. Um ein öffentliches Verkehrsmittel handelt es sich nämlich nur dann, wenn es aufgrund eines Fahrplans im Linienverkehr eingesetzt wird und gleichzeitig eine Vielzahl von Fahrgästen befördert. Ein Taxi wird aber nicht im Linienverkehr, sondern individuell eingesetzt.
  • Auch die gesetzliche Ausnahme für Behinderte greift nicht. Denn der GdB des Klägers lag bei 60, nicht aber bei den gesetzlich geforderten 70. Für die weitere Ausnahme bei einem GdB von mindestens 50 wäre erforderlich gewesen, dass der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt gewesen ist; diese Voraussetzung hat der Kläger nicht nachgewiesen.

Hinweise: Der BFH verneint eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Behinderung. Denn der Gesetzgeber hat Ausnahmen für Behinderte zugelassen, die jedoch an einen bestimmten Behinderungsgrad geknüpft sind, der im Streitfall nicht erreicht bzw. nicht nachgewiesen war.

Der Kläger hätte angesichts seines Behinderungsgrads von 60 nachweisen müssen, dass er in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt gewesen ist. Eine solche Beeinträchtigung kann gegeben sein, wenn das Gehvermögen erheblich eingeschränkt ist, so dass der Arbeitnehmer nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder für andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurücklegen kann, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden; diese Einschränkung des Gehvermögens kann auch durch innere Leiden oder aufgrund von Anfällen oder Störungen in der Orientierungsfähigkeit verursacht sein. Eine derartige Einschränkung kann aber auch bei einer Sehbehinderung vorliegen, wenn diese zu einer erheblichen Störung der Ausgleichsfunktionen führt. Der Kläger war zwar sehbehindert, hat aber eine Störung der Ausgleichsfunktionen nicht nachgewiesen, so dass sein Behinderungsgrad von 60 nicht ausreichte.

Quelle: BFH, Urteil v. 9.6.2022 – VI R 26/20; NWB