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Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags für 2000

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält den Solidaritätszuschlag auch hinsichtlich des Jahres 2000 für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags.

Hintergrund: Seit 1995 wird ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der festgesetzten Einkommensteuer erhoben, der den Finanzbedarf, der sich aus der Wiedervereinigung ergibt, abdecken soll. Der Solidaritätszuschlag ist keine Steuer, sondern eine sog. Ergänzungsabgabe, deren Aufkommen dem Bund zusteht.

Sachverhalt: Die Kläger wehrten sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 1999 bis 2002.

Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:

  • Die Klage bezüglich der Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 1999 sowie für 2001 und 2002 war bereits unzulässig, da sich die Kläger gegen Änderungsbescheide gewehrt hatten, in denen der Solidaritätszuschlag für 1999 sowie 2001 und 2002 herabgesetzt worden war. Da die vorherige Festsetzung bereits bestandskräftig geworden war, bestand keine Klagebefugnis mehr gegen die Änderungsbescheide.
  • Die Klage gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2000 war hingegen zulässig, aber unbegründet. Denn der Solidaritätszuschlag ist verfassungsgemäß.
  • Der Solidaritätszuschlag verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen die allgemeine Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.
  • Der Solidaritätszuschlag ist auch nicht unverhältnismäßig, da seine Höhe lediglich 5,5 % der festgesetzten Einkommensteuer beträgt.

Hinweise: Der BFH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung, die die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags für 2005, 2007, 2011 und bis 2021 betrifft.

Auch wenn der BFH bislang alle Klagen gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen hat, besteht durchaus Hoffnung, dass der Solidaritätszuschlag nicht mehr allzu lange Bestand haben wird. Denn der BFH macht – wie in einer vorherigen Entscheidung, die das Jahr 2021 betraf – erneut deutlich, dass der Solidaritätszuschlag als sog. Ergänzungsabgabe kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf. Da der Solidaritätszuschlag 1995 eingeführt wurde, könnte jedenfalls nach 30 Jahren, d.h. ab 2025, eine Aufhebung in Betracht kommen; in einer früheren Entscheidung hat der BFH nämlich ausgeführt, dass ein Zeitraum von bis zu 30 Jahren als ausreichend für die Bewältigung der historischen Aufgabe der Wiedervereinigung erscheint.

Beim Bundesverfassungsgericht ist derzeit noch ein Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags anhängig, das im Jahr 2020 von Bundestagsabgeordneten der FDP eingeleitet worden ist, die den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig halten.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2024 – IX R 27/23 (II R 27/15); NWB

Klage gegen den Solidaritätszuschlag bei vorläufiger Festsetzung

Eine Klage, mit der die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags geltend gemacht wird, ist unzulässig, wenn der Solidaritätszuschlag unter Hinweis auf ein entsprechendes Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorläufig festgesetzt worden ist.

Hintergrund: Seit 1995 wird auf die Einkommensteuer ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % erhoben, der den Finanzbedarf, der sich aus der Wiedervereinigung ergibt, abdecken soll. Der Solidaritätszuschlag ist keine Steuer, sondern eine sog. Ergänzungsabgabe, deren Aufkommen dem Bund zusteht. Der Bund verpflichtete sich im sog. Solidarpakt II, den Bundesländern mehr als 150 Mrd. € für die Bewältigung der finanziellen Folgen der Wiedervereinigung zur Verfügung zu stellen; der Solidarpakt II ist Ende 2019 ausgelaufen. Seit dem Veranlagungszeitraum ist der Solidaritätszuschlag aufgrund einer Gesetzesänderung für die Mehrheit der Steuerzahler weggefallen; der verbleibende Teil wird – je nach Einkommenshöhe – teilweise oder vollständig mit dem Solidaritätszuschlag belastet.

Sachverhalt: Die Kläger sind Eheleute, gegen die das Finanzamt Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für 2018 sowie als Vorauszahlungen für 2020 und 2021 festgesetzt hat. Dabei erfolgte die Festsetzung des Solidaritätszuschlags jeweils vorläufig unter Hinweis auf ein anhängiges Verfahren beim BVerfG. Die Kläger legten gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags Einspruch ein und machten die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags geltend.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwarf die Klage als unzulässig:

  • Den Klägern fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag, weil die Festsetzung des Solidaritätszuschlags wegen eines noch anhängigen Verfahrens beim BVerfG vorläufig erfolgt ist.
  • Die Rechte der Kläger sind durch den Vorläufigkeitsvermerk nämlich hinreichend gewahrt, da die Kläger den Ausgang des Verfahrens beim BVerfG abwarten können. Sollte das BVerfG die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags feststellen, kann die Festsetzung des Solidaritätszuschlags aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks zugunsten der Kläger geändert werden. Die sich hieraus ergebende zeitliche Verzögerung ist von den Klägern hinzunehmen.
  • Sollte das BVerfG hingegen die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags bejahen, können die Kläger beantragen, dass der Vorläufigkeitsvermerk über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags aufgehoben und die Festsetzung für endgültig erklärt wird; anschließend können sie dann gegen die endgültige Festsetzung Einspruch einlegen und gegebenenfalls Klage erheben.

Hinweis: Für Steuerzahler ist das Urteil unerfreulich, weil sie sich bei einer vorläufigen Festsetzung des Solidaritätszuschlags erst einmal gedulden müssen, bis das BVerfG über das seit 2020 anhängige Verfahren zum Solidaritätszuschlag entscheidet. Seit geraumer Zeit dauern steuerliche Verfahren beim BVerfG oft viele Jahre.

Bei dem seit 2020 beim BVerfG anhängigen Verfahren handelt es sich um eine Verfassungsbeschwerde von Bundestagsabgeordneten der FDP. Die Abgeordneten vertreten die Auffassung, dass der Solidaritätszuschlag nicht über das Jahr 2019 hinaus fortgeführt werden darf, weil der sog. Solidaritätspakt II zur Finanzierung der Wiedervereinigung zum 31.12.2019 ausgelaufen ist.

Der BFH hat in einem Urteil aus diesem Jahr den Solidaritätszuschlag als verfassungsgemäß eingestuft. Der BFH hält es allerdings für denkbar, dass ab 2025 eine Aufhebung des Solidaritätszuschlags in Betracht kommt, weil der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe dann schon 30 Jahre lang erhoben worden ist.

Quelle: BFH, Urteil vom 26.9.2023 – IX R 9/22; Az. des Musterverfahrens vor dem BVerfG: 2 BvR 1505/20; NWB

Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß

Die Erhebung des Solidaritätszuschlags war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17.1.2023 – IX R 15/20 entschieden.

Hintergrund: Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Der Solidaritätszuschlag wurde zunächst 1991 eingeführt. Als Sinn und Zweck der Erhebung sind damals die finanziellen Auswirkungen des Golfkriegs sowie die Mehrbelastungen resultierend aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Wiedervereinigung angeführt worden. Dieser (erste) Solidaritätszuschlag betrug maximal 7,5 Prozent und war zeitlich bis zum 30.6.1992 befristet. Er wurde nicht verlängert, so dass er Mitte 1992 auslief.

Der geltende (zweite) Solidaritätszuschlag wird seit dem Jahr 1995 bis heute erhoben. Rechtsgrundlage ist das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 (SolZG 1995). Der Solidaritätszuschlag betrug von 1995 bis 1997 zunächst 7,5 Prozent, ab 1998 5,5 Prozent der festgesetzten Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Er wurde allen Steuerpflichtigen – sowohl in den alten wie auch in den neuen Bundesländern – entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit auferlegt, um in einem solidarischen finanziellen Opfer aller Bevölkerungsgruppen die deutsche Einheit zu finanzieren. Das Aufkommen steht allein dem Bund zu. Bis zum Jahr 2019 wurde der Solidaritätszuschlag kaum verändert.

Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 (aus dem Jahr 2019) wurde der Zuschlag fortgeführt. Allerdings wurden aus sozialen und konjunkturellen Gründen rund 90 Prozent der Steuerpflichtigen ab dem Jahr 2021 von der Abgabenpflicht befreit. Nur Spitzenverdiener müssen seitdem die Ergänzungsabgabe noch entrichten. In der Begründung des Gesetzes wird ausgeführt, es bestehe weiterhin eine besondere wiedervereinigungsbedingte Finanzlast des Bundes, etwa in der Rentenversicherung, im Arbeitsmarkt, im Bereich der Anspruchs- und Anwartschaftsüberführung und im Hinblick auf besondere Leistungen für die ostdeutschen Bundesländer. In der Folge sank das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag von rund 19 Milliarden € im Jahr 2020 auf rund 11 Milliarden im Jahr 2021.

Sachverhalt: Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021. Das Finanzamt hatte für das Jahr 2020 einen Bescheid über 2.078 € und für das Jahr 2021 einen Vorauszahlungsbescheid über insgesamt 57 € Solidaritätszuschlag erlassen. Vor dem Finanzgericht hatte das klagende Ehepaar keinen Erfolg. Mit ihrer beim Bundesfinanzhof eingelegten Revision brachten sie vor, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags verstoße gegen das Grundgesetz. Sie beriefen sich auf das Auslaufen des Solidarpakts II und damit der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019 sowie die damit zusammenhängende Neuregelung des Länderfinanzausgleichs. Der Solidaritätszuschlag dürfe als Ergänzungsabgabe nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden. Sein Ausnahmecharakter verbiete eine dauerhafte Erhebung. Auch neue Zusatzlasten, die etwa mit der Coronapandemie oder dem Ukraine-Krieg einhergingen, könnten den Solidaritätszuschlag nicht rechtfertigen. Die Erhebung verletze sie zudem in ihren Grundrechten. Bei dem Solidaritätszuschlag handele es sich seit der im Jahr 2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderung um eine verkappte „Reichensteuer“, die gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße.

Entscheidung: Die Richter des BFH folgten dieser Argumentation nicht:

  • Beim Solidaritätszuschlag handelte es sich in Jahren 2020 und 2021 um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe; eine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht geboten.
  • Eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes) hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. Die Abgabe muss nicht von vornherein befristet werden und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben. Allerdings ist ein dauerhafter Finanzbedarf regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist.
  • Der Solidaritätszuschlag sollte bei seiner Einführung im Jahr 1995 der Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Lasten dienen. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 hat der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren.
  • Eine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Solidaritätszuschlag besteht nicht. Zudem bestand in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung auf diesen fortbestehenden Bedarf, der unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts gegeben war, hingewiesen. Er hat weiterhin schlüssig dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden.
  • Dass sich diese Kosten im Laufe der Zeit weiter verringern werden, hat der Gesetzgeber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft tretenden Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen und der damit verbundenen Reduzierung des Aufkommens in Rechnung gestellt. Aus dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags wird daher deutlich, dass der Gesetzgeber diesen nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für eine Übergangszeit. Ein finanzieller Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiert, kann auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser Zeitraum ist beim Solidaritätszuschlag jedenfalls 26 bzw. 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen.
  • Da der ursprüngliche Zweck für die Einführung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht entfallen war, kommt es auf eine mögliche Umwidmung des Zuschlags für die Finanzierung der Kosten der Coronapandemie oder des Ukraine-Krieges nicht an.
  • Der Solidaritätszuschlag verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes). Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Daher kann auch der Gesetzgeber beim Solidaritätszuschlag, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt.

Hinweis: Spannend bleibt, wie es weitergeht. Der unterlegene Kläger hat bereits angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen die Erhebung des Soli einzureichen. Das Bundesverfassungsgericht würde dann selbst die Verfassungsmäßigkeit des Soli prüfen. Wann mit einer solchen Entscheidung zu rechnen ist, ist zurzeit noch nicht absehbar.

Quelle: u.a. BFH, Pressemitteilung vom 30.1.2023 zum Urteil vom 17.1.2023 – IX R 15/20; NWB