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Keine Pflicht zur Heilung eines fehlerhaften Ergebnisabführungsvertrags

Ist eine körperschaftsteuerliche Organschaft auf der Grundlage eines fehlerhaften Gewinnabführungsvertrags durchgeführt, aber vor dem 1.1.2015 beendet worden, war eine Heilung des fehlerhaften Gewinnabführungsvertrags zwar aufgrund einer Gesetzesänderung möglich. Es gab aber keine Pflicht zu einer derartigen Heilung, so dass sich der Organträger auch nach außen erkennbar gegen eine Heilung aussprechen konnte mit der Folge, dass ihm das Einkommen der Organgesellschaft nicht zugerechnet wird.

Hintergrund: Bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft verpflichtet sich eine Kapitalgesellschaft (sog. Organgesellschaft), ihren gesamten Gewinn an den Organträger abzuführen. Das Einkommen der Organgesellschaft wird dann dem Organträger zugerechnet und nur von diesem versteuert. Ist die Organgesellschaft eine GmbH, muss der Ergebnisabführungsvertrag eine Verpflichtung des Organträgers für den Fall der Verlustübernahme enthalten, damit die Organschaft körperschaftsteuerlich anerkannt wird. Hierfür ist auf eine bestimmte aktienrechtliche Vorschrift Bezug zu nehmen. Im Dezember 2004 wurde diese aktienrechtliche Vorschrift um einen weiteren Absatz ergänzt, so dass der Verweis in vielen Ergebnisabführungsverträgen nicht mehr stimmte, weil der neue Absatz in dem Verweis nicht erwähnt wurde. Der Gesetzgeber ermöglichte im Jahr 2013 eine Heilung der nunmehr fehlerhaft gewordenen Ergebnisabführungsverträge.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine KG und schloss im März 2004 mit der A-GmbH, an der sie zu 100 % beteiligt war, einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV). Danach sollte die A-GmbH ihren Gewinn an die Klägerin abführen. Der EAV enthielt einen Verweis auf die im März 2004 gültige aktienrechtliche Regelung zur Verlustübernahme. Dieser Verweis wurde aber im Dezember 2004 nicht ergänzt, nachdem die aktienrechtliche Regelung im Dezember 2004 um einen weiteren Absatz ergänzt worden war. Die Klägerin kündigte den EAV zum 31.5.2012. Im Anschluss an eine Außenprüfung machte die Klägerin geltend, dass der EAV mangels Verweises auf die im Dezember 2004 geänderte aktienrechtliche Regelung zur Verlustübernahme unwirksam sei. Die körperschaftsteuerliche Organschaft sei daher nicht anzuerkennen, so dass ihr das Einkommen der A-GmbH in den Jahren 2007 bis 2010 nicht zuzurechnen sei; die Bescheide für diese Jahre waren aufgrund der Außenprüfung verfahrensrechtlich noch änderbar.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Der EAV war fehlerhaft, weil der Verweis auf die aktienrechtliche Regelung zur Verlustübernahme infolge der Änderung dieser Regelung unvollständig und damit unwirksam geworden war.
  • Eine Heilung des fehlerhaften EAV war zwar möglich, weil der Gesetzgeber im Jahr 2013 eine solche Heilung ermöglichte. Voraussetzung für die Heilung war, dass eine Verlustübernahme tatsächlich erfolgt ist und dass bis zum 31.12.2014 eine Verlustübernahme durch Aufnahme eines sog. dynamischen Verweises auf die jeweils geltende Fassung der aktienrechtlichen Regelung zur Verlustübernahme vereinbart wurde.
  • Dieser Vereinbarung bedurfte es nicht, wenn die steuerliche Organschaft – wie im Streitfall – vor dem 1.1.2015 beendet wurde. Daraus folgt aber keine zwingende Heilung, selbst wenn die Verlustübernahme tatsächlich erfolgt war. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Heilung in das Belieben des Organträgers gestellt.
  • Im Streitfall hat sich die Klägerin ausdrücklich gegen eine Heilung des EAV gestellt, weil sie keine Zurechnung des Einkommens der A-GmbH wünschte. Damit blieb es bei dem fehlerhaften EAV, so dass die Klägerin das Einkommen der A-GmbH der Streitjahre nicht versteuern musste.

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass die gesetzliche Heilungsmöglichkeit keine Heilungspflicht begründet. Wer die Organschaft vor dem 1.1.2015 beendete, konnte also nach außen erkennbar den Willen äußern, dass keine Heilung gewünscht ist. Der Organträger und die Organgesellschaft müssen dann jeweils ihr eigenes Einkommen versteuern.

Quelle: BFH, Urteil v. 3.5.2023 – I R 7/20; NWB

Keine Pflicht zur elektronischen Klageerhebung einer Steuerberatungs-GmbH bis 31.12.2022

Eine Steuerberatungs-GmbH konnte im Jahr 2022 eine Klage oder Revision bei einem Finanzgericht bzw. dem Bundesfinanzhof (BFH) noch in Schriftform oder per Telefax wirksam erheben. Sie war – anders als ein Rechtsanwalt – nicht verpflichtet, den Schriftsatz als elektronisches Dokument einzureichen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerberatungs-GmbH durch einen Geschäftsführer, der Rechtsanwalt und Steuerberater ist, vertreten wurde.

Hintergrund: Seit dem 1.1.2022 müssen Rechtsanwälte Klagen und Anträge und sonstige Schriftsätze bei einem Finanzgericht oder BFH als elektronisches Dokument übermitteln. Hierzu müssen sie das sog. besondere elektronische Anwaltspostfach, das sog. beA, verwenden.

Sachverhalt: Der Kläger klagte zunächst beim Finanzgericht und wurde dort durch die X-Steuerberatungs-GmbH vertreten, deren Geschäftsführer der Steuerberater und Rechtsanwalt A war. Im Klageverfahren trat für den Kläger der bei der X-Steuerberatungsgesellschaft angestellte Rechtsanwalt B auf, in dessen beA auch die Ladung zum Termin beim FG übermittelt wurde und der über sein beA auch die Übermittlung des klageabweisenden Urteils mittels elektronischen Empfangsbekenntnisses bestätigte. Gegen dieses Urteil erhob die X-Steuerberatungs-GmbH namens des Klägers per Telefax im Frühjahr 2022 Revision beim BFH. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Einlegung der Revision unwirksam gewesen sei, weil sie per Telefax eingelegt und nicht über das beA elektronisch übermittelt worden sei.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte in einem sog. Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage:

  • Die Revisionsfrist begann mit der Zustellung des Urteils an die X-Steuerberatungs-GmbH. Der bei der X-Steuerberatungs-GmbH angestellte Rechtsanwalt B war aufgrund einer Anscheinsvollmacht berechtigt, die Zustellung des Urteils per beA entgegenzunehmen. Eine Anscheinsvollmacht ist zu bejahen, weil der B bereits im Klageverfahren für die X-Steuerberatungs-GmbH aufgetreten war und weil er zuvor die Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung per elektronischem Empfangsbekenntnis bestätigt hatte.
  • Die X-Steuerberatungs-GmbH konnte die Revision im Jahr 2022 noch per Telefax wirksam einlegen. Denn für Steuerberatungsgesellschaften bestand ebenso wie für Steuerberater noch keine Pflicht, Revisionen als elektronisches Dokument zu übermitteln.
  • Diese Pflicht zur elektronischen Übermittlung bestand auch nicht deshalb, weil der Geschäftsführer der X-Steuerberatungs-GmbH nicht nur Steuerberater, sondern auch Rechtsanwalt war und daher über ein eigenes beA verfügte. Zwar müssen Rechtsanwälte seit dem 1.1.2022 mit den Gerichten elektronisch über ihr beA kommunizieren; dies gilt aber nur dann, wenn sie unter ihrer Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ auftreten oder wenn es sich um eine sog. gemischte Berufsausübungsgesellschaft handelt, die aus Rechtsanwälten und Steuerberatern besteht und die über die Steuerberatung hinaus auch Rechtsberatung betreibt. Diese Voraussetzungen lagen bei der X-Steuerberatungs-GmbH, die ausschließlich steuerberatend tätig war, nicht vor.

Hinweise: Wäre der A, der Geschäftsführer der X-Steuerberatungs-GmbH, selbst gegenüber dem BFH als Rechtsanwalt und Steuerberater aufgetreten, hätte er die Revision elektronisch mittels beA übermitteln müssen. Die von ihm vertretene X-Steuerberatungs-GmbH wird hierdurch jedoch nicht verpflichtet, elektronisch zu übermitteln.

Anders wird dies voraussichtlich ab 1.1.2023 sein. Denn dann soll den Steuerberatern und Steuerberatungsgesellschaften das sog. besondere elektronische Steuerpostfach (sog. beSt) zur Verfügung gestellt werden, das dann auch benutzungspflichtig ist. Ob diese Bereitstellung des beSt zum 1.1.2023 funktioniert hat, bleibt abzuwarten.

Der BFH hat mit dem Zwischenurteil nur über die Zulässigkeit der Revision entschieden und diese bejaht. Über die eigentliche Streitfrage, die die Besteuerung der Veräußerung von sog. Kryptowährungen betrifft, wird der BFH erst im abschließenden Urteil entscheiden.

Quelle: BFH, Zwischenurteil v. 25.10.2022 – IX R 3/22; NWB