Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss entscheiden, ob Leistungen einer Organgesellschaft an einen Organträger im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft wie bislang nicht umsatzsteuerbar sind oder aber entgegen der bisherigen Praxis der Umsatzsteuer unterliegen.
Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt also nicht auf.
Sachverhalt: Im Streitfall bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger, der Organträger war und eine Universitätsklinik betrieb, und der U-GmbH, die Organgesellschaft war. Die U-GmbH erbrachte im Jahr 2005 Reinigungsleistungen gegenüber dem Kläger für ein Entgelt von ca. 75.000 €. Der Kläger war aber teilweise hoheitlich tätig, soweit er nämlich im universitären Bereich tätig war. Das Finanzamt unterwarf das Entgelt für die Reinigungsleistungen, soweit sie auf den hoheitlichen Betrieb des Klägers entfielen, als umsatzsteuerbare unentgeltliche Wertabgabe und setzte entsprechend Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der BFH richtete ein erstes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, der eine unentgeltliche Wertabgabe aufgrund des vereinbarten Entgelts ablehnte.
Entscheidung: Der BFH rief in demselben Fall nun erneut den EuGH an:
- Aus Sicht des BFH ist die Umsatzsteuerbarkeit von Innenumsätzen, d.h. von Leistungen unter den Unternehmen des Organkreises, unklar, nachdem der EuGH in seiner Entscheidung zum ersten Vorabentscheidungsersuchen eine selbständige Wirtschaftstätigkeit der U-GmbH und damit eine umsatzsteuerbare Reinigungsleistung für möglich gehalten hatte.
- Zwar hat sich der EuGH in der Vergangenheit immer wieder mit der umsatzsteuerlichen Organschaft beschäftigt. Dabei war aber die Frage der Umsatzsteuerbarkeit der Innenumsätze nicht entscheidungserheblich.
- Für die Antwort auf die Frage, ob die Innenumsätze umsatzsteuerbar sind, könnte es einerseits von Bedeutung sein, ob der Kläger als Organträger nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. In diesem Fall könnte die Gefahr eines Steuerverlustes bestehen, weil die von der U-GmbH in Rechnung zu stellende Umsatzsteuer vom Kläger nicht vollständig abgezogen werden könnte; dies würde gegen eine Umsatzsteuerbarkeit sprechen. Andererseits könnte aber auch relevant sein, ob die Organschaft missbräuchlich eingesetzt wird, um die Entstehung einer Umsatzsteuer, die beim Organträger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, zu vermeiden.
Hinweise: Sollte der EuGH eine Umsatzsteuerbarkeit der Innenumsätze bejahen, müsste der Kläger als Organträger diese Umsatzsteuer abführen. Aufgrund seiner hoheitlichen Tätigkeit stünde dem Kläger aber insoweit kein Vorsteuerabzug zu. Die bisherige Praxis, dass Innenumsätze als nicht umsatzsteuerbar behandelt werden, wäre damit hinfällig.
Quelle: BFH, Beschluss v. 26.1.2023 – V R 20/22 (V R 40/19), Az. des EuGH: C-184/23; NWB