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Höhe der Säumniszuschläge ist verfassungsgemäß

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Höhe der Säumniszuschläge, die sich auf monatlich 1 % bzw. jährlich 12 % belaufen, für verfassungsgemäß. Die Gründe, die bei Nachzahlungszinsen auf Steuernachzahlungen dazu führten, dass ein Zinssatz von 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig angesehen wurde, lassen sich auf Säumniszuschläge nicht übertragen.

Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags erhoben. Jährlich entstehen also Säumniszuschläge in Höhe von 12 %. Dieser Zuschlag ist doppelt so hoch wie die für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 geltenden Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betrugen, Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gesenkt. Umstritten ist, ob diese Entscheidung des BVerfG auch Bedeutung für die Höhe der Säumniszuschläge hat.

Sachverhalt: Der Kläger war ein Insolvenzverwalter eines Steuerpflichtigen, der die Steuern verspätet bzw. gar nicht gezahlt hatte. Hierdurch waren Säumniszuschläge in Höhe von 1.153 € verwirkt worden. Das Finanzamt erließ die Hälfte und meldete die verbleibende Hälfte in Höhe von 576,50 € zur Insolvenztabelle an. Da der Insolvenzverwalter die Säumniszuschläge bestritt, erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid über Insolvenzforderungen, zu denen auch die Säumniszuschläge gehörten. Hiergegen klagte der Insolvenzverwalter und machte die Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge geltend.

Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:

  • Die Höhe von 1 % pro Monat bzw. 12 % jährlich für Säumniszuschläge ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen für Nachzahlungszinsen, die zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 6 % für Verzinsungszeiträume führten, lassen sich auf Säumniszuschläge nicht übertragen.
  • Im Gegensatz zu den Zinsen auf Steuernachzahlungen ist der Hauptzweck von Säumniszuschlägen nämlich nicht die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen. Vielmehr geht es bei Säumniszuschlägen vorrangig um die Sanktionierung verspäteter Zahlungen. Der Steuerpflichtige hat die Entstehung des Säumniszuschlags aufgrund seiner verspäteten Zahlung zudem bewusst in Kauf genommen.
  • Der Gesetzgeber musste bei der Höhe der Säumniszuschläge auch nicht das strukturelle Niedrigzinsniveau, das seit 2014 besteht, berücksichtigen. Säumniszuschläge sind nämlich keine Zinsen, sondern Nebenleistungen zur Steuer, die die Eigenschaften von Zinsen teilen. In Säumniszuschlägen ist auch kein konkreter Zinsanteil enthalten.

Hinweise: Bislang hatte sich der BFH nur im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Höhe der Säumniszuschläge geäußert. Die aktuelle Entscheidung ist hingegen ein Urteil im Hauptsacheverfahren. Allerdings kann eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge allein das BVerfG treffen.

In der Praxis wird angenommen, dass die Hälfte der Säumniszuschläge als Druckmittel dient und im Übrigen eine Zinsfunktion hat sowie den Verwaltungsaufwand des Finanzamts ersetzen soll. Ist der Steuerpflichtige zahlungsunfähig, wird daher auf Antrag in der Regel die Hälfte der Säumniszuschläge erlassen (wie auch im Streitfall), da bei Zahlungsunfähigkeit ein Druckmittel sinnlos ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 15.11.2022 – VII R 55/20; NWB

Ernstliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge, soweit sie ab dem 1.1.2019 entstanden sind. Der BFH gewährt daher insoweit Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe.

Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags fällig, d.h. jährlich 12 %. Säumniszuschläge sind also doppelt so hoch wie die für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 geltenden Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betrugen, und mehr als sechsmal so hoch wie der neue Zinssatz von monatlich 0,15 %, der für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 gilt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im letzten Jahr die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert.

Streitfall: Die Antragstellerin schuldete Umsatzsteuer für die Zeiträume Mai 2013 sowie 2014 bis 2017. Sie beantragte einen Abrechnungsbescheid, in dem das Finanzamt Säumniszuschläge in Höhe von 12 % jährlich auswies; die Säumniszuschläge waren teilweise erst ab dem 1.1.2019 entstanden. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, da sie die Höhe der Säumniszuschläge für verfassungswidrig hält.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, soweit es um die seit dem 1.1.2019 entstandenen Säumniszuschläge geht. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der bis zum 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge, wies der BFH den Antrag zurück:

  • Säumniszuschläge haben sowohl eine Druck- als auch eine Verzinsungsfunktion: Zum einen sollen sie den Steuerpflichtigen unter Druck setzen, die Steuer pünktlich zu zahlen. Zum anderen sollen sie im Fall der verspäteten Zahlung eine Gegenleistung darstellen (zinsähnliche Funktion).
  • Bezüglich dieser Verzinsungsfunktion bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge. Dies folgt aus der Entscheidung des BVerfG zur Höhe des Zinssatzes bei Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019. Danach ist der Zinssatz von 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 verfassungswidrig.
  • Zwar betrifft die Entscheidung des BVerfG nur die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, nicht aber die Säumniszuschläge. Dennoch ist es denkbar, dass die vom BVerfG für Zinsen entwickelten Grundsätze auch für Säumniszuschläge gelten, soweit diese eine zinsähnliche Funktion haben. Damit bestehen ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit.
  • Die Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids, in dem die Säumniszuschläge ausgewiesen werden, wird in voller Höhe gewährt, soweit die Säumniszuschläge ab dem 1.1.2019 entstanden sind. Denn die Höhe der Säumniszuschläge kann nur insgesamt verfassungswidrig oder verfassungsgemäß sein.
  • Hinsichtlich der bis zum 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge hatte der Antrag keinen Erfolg, da das BVerfG den Zinssatz für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 im Ergebnis für verfassungsgemäß gehalten hat.

Hinweise: Auch wenn der Aussetzungsantrag Erfolg gehabt hat, macht der BFH deutlich, dass es sich nur um eine vorläufige Entscheidung ohne eine bestimmte Tendenz handelt und dass eine abschließende Entscheidung erst im Hauptsacheverfahren getroffen werden kann. Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge ergeben sich also allein daraus, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit offen ist.

In der Praxis empfiehlt es sich bei säumiger Zahlung, einen Abrechnungsbescheid zu beantragen, in dem die Säumniszuschläge ausgewiesen werden, und dann unter Hinweis auf den aktuellen BFH-Beschluss Einspruch einzulegen und ggf. auch Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, falls eine Zahlung der Säumniszuschläge zunächst vermieden werden soll.

Quelle: BFH, Beschluss v. 23.5.2022 – V B 4/22 (AdV); NWB