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Umsatzsteuer bei Verkauf von digitalen Guthabenkarten

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss über die Umsatzbesteuerung des Verkaufs digitaler Guthabenkarten entscheiden. Insbesondere soll das Gericht klären, ob bei einem Verkauf unter Unternehmern der Ort der Leistung bei Ausstellung des Gutscheins feststehen muss, damit Umsatzsteuer entsteht.

Hintergrund: Der Gesetzgeber regelt seit dem 1.1.2019 den Verkauf von Gutscheinen. Dabei wird zwischen sog. Einzweck-Gutscheinen, bei denen der Ort der Leistung sowie die Umsatzsteuer bereits beim Verkauf des Gutscheins feststeht (z.B. Verkauf eines Gutscheins durch einen Buchhändler), und sog. Mehrzweck-Gutscheinen unterschieden, bei denen der Ort und die geschuldete Umsatzsteuer noch nicht feststehen (z.B. ein Gutschein von Amazon, der sowohl für ermäßigt besteuerte Waren als auch für regulär besteuerte Waren eingesetzt werden kann). Der Verkauf eines Einzweck-Gutscheins löst sofort Umsatzsteuer aus, während bei einem Mehrzweck-Gutschein Umsatzsteuer erst bei Einlösung des Gutscheins entsteht.

Sachverhalt: Die Klägerin vertrieb im Jahr 2019 Guthabenkarten für das digitale Netzwerk X. Mit den Guthabenkarten konnte man digitale Inhalte des X-Netzwerks erwerben. X saß in Großbritannien und verkaufte die Guthabenkarten an Lieferanten in der EU außerhalb Großbritanniens und Deutschlands. Die Klägerin erwarb Guthabenkarten, die für Deutschland bestimmt waren und nur in Deutschland eingelöst werden konnten, von den Lieferanten und veräußerte sie an Endkunden in Deutschland. Die Klägerin ging davon aus, dass die Guthabenkarten Mehrzweck-Gutscheine seien, und behandelte den Verkauf an die Endkunden als nicht umsatzsteuerbar. Das Finanzamt nahm jedoch Einzweck-Gutscheine an und unterwarf die Erlöse der Umsatzsteuer.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun ein sog. Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, damit dieser klärt, ob für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins bei der Übertragung eines Gutscheins unter Unternehmern erforderlich ist, dass der Ort der Leistung feststeht:

  • Zwar verlangt der Gesetzgeber für die Qualifizierung eines Einzweck-Gutscheins, dass der Ort der Leistung feststeht. Dies ist auch nachvollziehbar, wenn der Unternehmer, der den Gutschein ausstellt, später auch die auf dem Gutschein genannte Leistung erbringen soll. Wird der Gutschein aber mehrfach übertragen, nämlich zunächst vom Lieferanten auf die Klägerin und dann von der Klägerin auf den Endkunden, käme es bei Annahme eines Einzweck-Gutscheins zu einer Umsatzverdoppelung. Bei jedem Verkauf des Gutscheins würde nämlich die Dienstleistung, für die die Guthabenkarte eingelöst werden kann, als erbracht gelten.
  • Würde man nun im Streitfall verlangen, dass bei Ausstellung der digitalen Guthabenkarte der Ort der Leistung feststehen müsste, läge keine umsatzsteuerbare Leistung vor. Denn der Ort der Leistung hängt von der Ansässigkeit des jeweiligen Lieferanten ab.
  • Anders wäre es, wenn man den Ort der Leistung nur dort annehmen würde, wo die tatsächliche Dienstleistung, für die die Guthabenkarte erstellt worden ist, erbracht wird. Es läge dann ein Einzweck-Gutschein vor, da die Guthabenkarten nur in Deutschland eingelöst werden konnten.

Hinweise: In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte der BFH bereits Aussetzung der Vollziehung zugunsten der Klägerin gewährt.

Im Moment ist offen, wie der EuGH entscheiden wird, so dass es ratsam ist, entsprechende Umsatzsteuerbescheide durch einen Einspruch offenzuhalten. Der BFH neigt dazu, die digitalen Guthabenkarten umsatzsteuerlich wie Telefonkarten zu behandeln. Bei Telefonkarten wird sowohl der ursprüngliche Verkauf der Telefonkarte als auch der anschließende Weiterverkauf durch einen Zwischenhändler wie ein Warenverkauf behandelt und ist umsatzsteuerbar.

Quelle: BFH, Beschluss v. 3.11.2022 – XI R 21/21; NWB

Umsatzsteuer bei Verkauf und Übertragung von Guthabenkarten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Rechtmäßigkeit einer Umsatzsteuerfestsetzung für den Verkauf von Guthabenkarten an andere Unternehmer für ernstlich zweifelhaft, wenn der Ort der Leistung nicht feststeht. Es könnte sich dann nicht um einen sog. Einzweck-Gutschein handeln, dessen Verkauf umsatzsteuerbar ist, sondern nur um einen sog. Mehrzweck-Gutschein, bei dem die Umsatzsteuer erst bei Einlösung durch den Endkunden entsteht. Der BFH gewährt daher Aussetzung der Vollziehung, so dass die Umsatzsteuer bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht bezahlt zu werden braucht.

Hintergrund: In der Umsatzsteuer unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen. Bei einem Einzweckgutschein entsteht die Umsatzsteuer bereits mit der Übertragung auf einen anderen Unternehmer bzw. mit der Ausgabe an den Endkunden. Ein Einzweckgutschein liegt vor, wenn der Liefergegenstand bzw. die Leistung, der Ort der Lieferung bzw. Leistung und die hierfür geschuldete Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins bereits feststehen. Die spätere Einlösung des Gutscheins unterliegt dann nicht mehr der Umsatzsteuer. Alle anderen Gutscheine sind sog. Mehrzweck-Gutscheine, bei denen die Umsatzsteuer erst mit der Einlösung entsteht.

Streitfall: Die Antragstellerin betrieb ein Internetgeschäft und verkaufte Guthabenkarten für die Marke X. Mit den Guthabenkarten konnten Kunden der X ihr Nutzerkonto bei X aufladen und anschließend digitale Inhalte der Marke X kaufen; die Guthabenkarten waren mit einer Länderkennung „DE“ versehen und setzten ein deutsches Nutzerkonto voraus. Die Antragstellerin behandelte die Guthabenkarten als Mehrzweck-Gutscheine, da der Ort der Leistung aus ihrer Sicht nicht feststand. Das Finanzamt ging hingegen von Einzweck-Gutscheinen aus und setzte Umsatzsteuer fest; ausgenommen waren Guthabenkarten, die die Antragstellerin nachweislich an Kunden im Ausland ausgegeben hatte. Gegen die Umsatzsteuerfestsetzung legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

Entscheidung: Der BFH gewährte die Aussetzung der Vollziehung:

  • Der BFH hält es für möglich, dass die verkauften Guthabenkarten lediglich Mehrzweck-Gutscheine sind, so dass die Umsatzsteuer erst bei Einlösung des Gutscheins entstehen kann.
  • Für die Annahme eines umsatzsteuerbaren Einzweck-Gutscheins wäre nach dem Gesetz nämlich u.a. erforderlich, dass der Ort der Leistung feststeht. Es ist zweifelhaft, ob dieses Erfordernis nur beim Verkauf des Gutscheins an Endkunden (sog. Ausgabe) gilt oder ob es auch bei dem vorherigen Verkauf an einen anderen Unternehmer (sog. Übertragung) gilt.
  • Im Streitfall stand zwar der Ort der Leistung bei den Verkäufen an die Endkunden fest. Denn diese konnten die mit der Länderkennung „DE“ versehenen Guthabenkarten nur in Deutschland einlösen. Bei den Verkäufen an andere Unternehmer stand der Ort der Leistung jedoch nicht fest.

Hinweise: Zwar verfügten die Guthabenkarten über eine Länderkennung „DE“ und waren nur über ein deutsches Nutzerkonto einlösbar; aber nach Auffassung der Antragstellerin hatten viele im Ausland ansässige Abnehmer ein deutsches Nutzerkonto eröffnet. Deshalb war der Ort der Leistung nicht sicher.

Eine abschließende Entscheidung hat der BFH nicht getroffen, sondern nur eine vorläufige. Daher sollten vergleichbare Fälle mit einem Einspruch offengehalten werden, bis eine abschließende Entscheidung des BFH erfolgt.

Der aktuelle Beschluss betrifft die Rechtslage ab dem 1.1.2019. Denn seit dem 1.1.2019 gibt es gesetzliche Regelungen zu den sog. Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen.

Quelle: BFH, Beschluss v. 16.8.2022 – XI S 4/21 (AdV); NWB