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Festsetzungsverjährung bei Grunderwerbsteuer bei unvollständiger Anzeige

Ist eine Anzeige, die einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang betrifft, unvollständig, weil nicht alle betroffenen Grundstücke aufgeführt werden, beginnt die Festsetzungsverjährung erst mit Ablauf des dritten Jahres nach dem grunderwerbsteuerbaren Vorgang.

Hintergrund: Im Steuerrecht gilt grundsätzlich eine vierjährige Festsetzungsfrist, bis zu deren Ablauf noch Steuerbescheide erlassen werden können. Diese Frist beginnt aber erst dann, wenn die Steuererklärung abgegeben oder eine gesetzlich vorgeschriebene Anzeige eines steuerbaren Vorgangs eingereicht wird. Unterbleibt die Abgabe einer Steuererklärung oder Anzeige, beginnt die Verjährungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Jahres nach der Entstehung der Steuer. Wird die Steuererklärung für 2020 also im Jahr 2021 abgegeben, beginnt die Frist mit Ablauf des 31.12.2021 und endet mit Ablauf des 31.12.2025; wird die Steuererklärung für 2020 gar nicht abgegeben, beginnt die Verjährungsfrist am 1.1.2024 und endet am 31.12.2027.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und zu 50 % an einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) beteiligt, die zahlreiche Grundstücke in verschiedenen Finanzamtsbezirken hielt. Die anderen 50 % hielt ein Verein, der seinen Anteil im März 2013 auf die Klägerin übertrug. Sowohl die Klägerin als auch der Notar zeigten die Anteilsübertragung noch im März 2013 dem Finanzamt an; die Klägerin übersandte dem Finanzamt eine Grundstücksliste, die jedoch unvollständig war, weil zwei Grundstücke fehlten. Das Finanzamt bemerkte dies zunächst nicht und erließ im September 2013 einen Feststellungsbescheid, in dem die Steuerbarkeit der Anteilsübertragung festgestellt wurde. Im Jahr 2014 vervollständigte die Klägerin die Grundstücksliste um die bislang fehlenden zwei Grundstücke. Das Finanzamt änderte daraufhin im Oktober 2014 den Feststellungsbescheid; in diesem Bescheid wurde die Steuerfreiheit verneint. Im Dezember 2017 erließ das beklagte Finanzamt einen Wertfeststellungsbescheid, in dem der Wert für die Grundstücke in dem Finanzamtsbezirk festgestellt wurde. Im Januar 2018 erließ das beklagte Finanzamt einen Grunderwerbsteuerbescheid. Hiergegen wandte sich die Klägerin und machte geltend, dass im Jahr 2018 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Die Anteilsübertragung im März 2013 war grunderwerbsteuerbar, da die Klägerin nunmehr mit 100 % an der grundbesitzenden gGmbH beteiligt war.
  • Die vierjährige Festsetzungsfrist hierfür begann erst mit Ablauf des 31.12.2016, da die Klägerin keine vollständige Anzeige beim Finanzamt eingereicht hatte, in der alle betroffenen Grundstücke, die der gGmbH gehörten, aufgeführt waren. In den Anzeigen aus dem März 2013 fehlten nämlich zwei Grundstücke, so dass weder die Grunderwerbsteuerbarkeit für diese beiden Grundstücke noch der Wert dieser beiden Grundstücke festgestellt werden konnte. Die unvollständigen Anzeigen aus dem März 2013 führten daher nicht dazu, dass die Festsetzungsverjährung bereits am 1.1.2014 begann und am 31.12.2017 endete.
  • Damit kam es zu einer dreijährigen Anlaufhemmung, weil eine vollständige Anzeige überhaupt nicht eingereicht worden ist. Es handelte sich nicht um einen geringfügigen Fehler wie z.B. der fehlerhaften Katasterbezeichnung oder unvollständigen Hausnummer, bei dem das Grundstück noch identifiziert werden kann.
  • Die Festsetzungsfrist begann somit erst mit Ablauf des 31.12.2016 und endete am 31.12.2020, so dass der streitige Grunderwerbsteuerbescheid aus dem Jahr 2018 vor Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen worden ist.

Hinweise: Die Vervollständigung der Grundstücksliste im Jahr 2014 sah der BFH nicht als erstmalige Anzeige an. Selbst wenn er dies gemacht hätte, hätte die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2014 begonnen und am 31.12.2018 geendet, so dass der Bescheid ebenfalls nicht verjährt gewesen wäre.

Inhaltlich ging es der Klägerin um die fehlende Steuerfreiheit, da das Finanzamt in dem Feststellungsbescheid aus dem Oktober 2014 die Steuerfreiheit verneint hatte. Dadurch kam es zu dem Grunderwerbsteuerbescheid. In dem Verfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid konnte die Klägerin nicht mehr einwenden, dass der Vorgang aufgrund des gemeinnützigen Bezugs der gGmbH steuerfrei hätte bleiben müssen; denn über die Steuerfreiheit wird mit Bindungswirkung in dem Feststellungsbescheid und nicht erst im Grunderwerbsteuerbescheid entschieden.

Die Klägerin hatte zwar einen Billigkeitsantrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 € gestellt. Diesen Antrag lehnte der BFH aber ab, weil bis zu einer Entscheidung des BFH im Jahr 2022 streitig gewesen ist, in welchem Bescheid (Feststellungs- oder Steuerbescheid) über die Grunderwerbsteuerfreiheit entschieden wird. Die Klägerin hätte daher nicht darauf vertrauen dürfen, dass über die Steuerfreiheit erst im Grunderwerbsteuerbescheid entschieden wird. Seit 2022 ist höchstrichterlich geklärt, dass bereits im Feststellungsbescheid über die Frage der Steuerfreiheit verbindlich entschieden wird.

Das Verfahren ist bei grunderwerbsteuerbaren Anteilsveräußerungen relativ kompliziert: Zunächst wird in einem Feststellungsbescheid darüber entschieden, dass die Anteilsübertragung grunderwerbsteuerbar ist, wer Steuerschuldner ist und welche Grundstücke von der Steuerbarkeit betroffen sind. Dann wird in einem weiteren Feststellungsbescheid von dem jeweils zuständigen Belegenheitsfinanzamt der Wert jedes einzelnen Grundstücks ermittelt. Schließlich ergeht der eigentliche Grunderwerbsteuerbescheid, in dem die vorherigen Feststellungen übernommen werden und die Steuer festgesetzt wird.

Quelle: BFH, Urteil v. 25.4.2023 – II R 10/21; NWB

Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung durch Erblasser und bei unterlassener Berichtigung des Erben

Hat der Erblasser Kapitaleinkünfte hinterzogen und wusste der Erbe hiervon, muss der Erbe nach dem Tod des Erblassers die fehlerhaften Steuererklärungen des Erblassers unverzüglich berichtigen. Unterlässt der Erbe dies, begeht er eine Steuerhinterziehung. Aufgrund dieser Steuerhinterziehung kommt es dann zu einer Ablaufhemmung, die so lange andauert, wie der Erbe wegen seiner eigenen Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgt werden kann.

Hintergrund: Grundsätzlich beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre, bei Steuerhinterziehung zehn Jahre. In bestimmten Fällen wird der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt; so endet im Fall einer Steuerhinterziehung die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

Wird eine Steuererklärung fehlerhaft abgegeben, ist der Steuerpflichtige zu einer unverzüglichen Anzeige und Berichtigung verpflichtet, sobald er den Fehler bemerkt. Unterlässt er dies, kann dies ebenfalls eine Steuerhinterziehung darstellen.

Sachverhalt: Die Klägerinnen sind Schwestern, deren Vater V 2007 verstarb. V hatte seit 1980 Kapitalerträge aus einer Stiftung in Liechtenstein in jährlich sechsstelliger Höhe hinterzogen; die Klägerinnen hatten hiervon bereits zu Lebzeiten des V Kenntnis. V hatte seine Einkommensteuererklärung für 1995 im Jahr 1997 abgegeben; die Erklärungen für die Folgejahre hatte er ebenfalls im jeweils übernächsten Jahr abgegeben. Im Jahr 2014 reichten die Klägerinnen eine Selbstanzeige für die Jahre ab 2002 ein und erklärten die Kapitalerträge aus Liechtenstein nach; für die Streitjahre 1995 bis 2001 gaben die Klägerinnen aber keine Selbstanzeige ab. Das Finanzamt erließ im Dezember 2016 Änderungsbescheide für die Streitjahre 1995 bis 2001. Die Klägerinnen machten den Eintritt der Festsetzungsverjährung geltend.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

Als Erben ihres Vaters schulden die Klägerinnen die Einkommensteuer des V für 1995 bis 2001.

Die Bescheide für 1995 bis 2001 durften wegen neuer Tatsachen geändert werden. Denn das Finanzamt hat erst nachträglich davon erfahren, dass V in den Streitjahren Kapitalerträge aus einer Stiftung in Liechtenstein erzielt hat.

Die Festsetzungsverjährung für 1995 bis 2001 war im Jahr 2016 noch nicht eingetreten, auch wenn die Festsetzungsfrist für 1995 an sich am 31.12.2007 geendet hatte. Für den V betrug die Festsetzungsfrist zehn Jahre, da er eine Steuerhinterziehung begangen hatte. Die Festsetzungsfrist für 1995 begann daher mit Ablauf des 31.12.1997 (Abgabe der Steuererklärung im Jahr 1997) und endete an sich am 31.12.2007. Die Festsetzungsfrist für die Folgejahre lief entsprechend später ab, z. B. zum 31.12.2012 für 2001.

Zwar führte die unterlassene Berichtigung der fehlerhaften Steuererklärungen des V nicht zu einer erneuten zehnjährigen Festsetzungsfrist, obwohl die Klägerinnen damit eine eigene Steuerhinterziehung begangen haben. Zu einer Fristverlängerung auf zehn Jahre kommt es beim Erben nur dann, wenn die Frist aufgrund einer Steuerhinterziehung erstmalig verlängert wird; im Streitfall war die Frist aber schon wegen der Steuerhinterziehung des V auf zehn Jahre verlängert worden.

Im Streitfall war der Ablauf der Festsetzungsfrist jedoch gehemmt, da es sich um eine Steuerhinterziehung der Klägerinnen handelte und die Verfolgung ihrer Steuerstraftaten noch nicht verjährt war.

  • Die Klägerinnen hätten nach dem Tod des V unverzüglich dessen Steuererklärungen berichtigen müssen. Diese Berichtigungspflicht entfiel nicht deshalb, weil die Klägerinnen bereits vor dem Tod des V Kenntnis davon hatten, dass V unrichtige Steuererklärungen abgegeben hatte.
  • Das Finanzamt hätte bei unverzüglicher Berichtigung noch im Jahr 2007 bis zum 31.12.2007 (Ablauf der zehnjährigen Frist) einen Änderungsbescheid für 1995 erlassen können.
  • Im Dezember 2016 war die strafrechtliche Verfolgung der Steuerhinterziehung der Klägerinnen aufgrund ihrer unterlassenen Berichtigung noch nicht verjährt. Denn die strafrechtliche Verfolgungsfrist betrug in einem schweren Fall wie hier zehn Jahre. Da das Unterlassen im Jahr 2007 erfolgt war, war im Dezember 2016 noch keine strafrechtliche Verjährung eingetreten; daher war auch die steuerliche Festsetzungsfrist noch gehemmt.

Hinweis: Die hier einschlägige gesetzliche Ablaufhemmung wegen strafrechtlicher Verfolgbarkeit der Steuerhinterziehung soll verhindern, dass eine Steuerhinterziehung strafrechtlich noch verfolgt werden kann, die hinterzogene Steuer aber wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr festgesetzt werden darf. Der Gesetzgeber will die Festsetzung der hinterzogenen Steuer so lange ermöglichen, wie eine Bestrafung noch möglich ist.

Das BFH-Urteil erhöht den Druck auf Erben, die Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärungen des Erblassers haben, unverzüglich Berichtigungsanzeigen zu stellen.

Quelle: BFH, Urteil v. 21.6.2022 – VIII R 26/19; NWB