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Tarifermäßigung für Umsatzsteuer-Erstattungszinsen

Einem Unternehmer, der nach einem Rechtsstreit mit dem Finanzamt eine Umsatzsteuererstattung für mehrere Jahre sowie Erstattungszinsen für diese Umsatzsteuererstattung erhält, ist sowohl für die Umsatzsteuererstattung als auch für die Erstattungszinsen eine sog. Tarifermäßigung, die zu einem niedrigeren Steuersatz führt, zu gewähren.

Hintergrund: Der Gesetzgeber gewährt für außerordentliche Einkünfte eine sog. Tarifermäßigung. Mit steigendem Einkommen steigt auch der Steuersatz (sog. Progression); diese Progressionswirkung wird aufgrund der Tarifermäßigung abgemildert. Eine der gesetzlich geregelten Fallgruppen der außerordentlichen Einkünfte sind Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten.

Sachverhalt: Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Bilanzierung. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung für 1997 bis 2000 kam es zunächst zu hohen Umsatzsteuernachzahlungen. Er klagte gegen die Änderungsbescheide, und es kam nach mehreren Jahren im Jahr 2012 zu einer Einigung mit dem Finanzamt. Diese Einigung führte zu einer Minderung der Umsatzsteuer für 1997 bis 2000 um insgesamt ca. 320.000 € sowie zur Festsetzung von Umsatzsteuer-Erstattungszinsen in Höhe von ca. 200.000 €. Der Kläger erfasste sowohl die Umsatzsteuererstattung als auch die Erstattungszinsen in seinem Jahresabschluss zum 31.12.2012 gewinnerhöhend und beantragte die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte. Das Finanzamt gewährte die Tarifermäßigung zwar für die Umsatzsteuererstattung, nicht aber für die Erstattungszinsen.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte die Tarifermäßigung für die Erstattungszinsen an und gab der Klage statt:

  • Bei den Erstattungszinsen handelte es sich um außerordentliche Einkünfte, nämlich um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit. Die Tätigkeit war in der mehrjährigen Kapitalüberlassung an das Finanzamt zu sehen, da der Kläger zu viel Umsatzsteuer an das Finanzamt überwiesen hatte.
  • Die Tätigkeit war auch mehrjährig, weil sich die Kapitalüberlassung über mindestens zwei Veranlagungszeiträume und über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten erstreckte.
  • Ferner war auch die Außerordentlichkeit der Einkünfte zu bejahen, weil die Einkünfte zusammengeballt im Jahr 2012 entstanden sind. Die Erstattungszinsen und die Umsatzsteuererstattung für 1997 bis 2000 waren zum 31.12.2012 gewinnerhöhend zu aktivieren und erhöhten die Progressionswirkung, d. h. den Steuersatz. Die Außerordentlichkeit zeigt sich daran, dass die Zinsen i. H. von ca. 200.000 € etwa 63 % der Umsatzsteuererstattung i. H. von ca. 320.000 € ausmachten. Zusammen machten die Umsatzsteuererstattung sowie die Erstattungszinsen fast 39 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Klägers (ca. 525.000 €) aus.

Hinweise: Die Tarifermäßigung für die Umsatzsteuererstattung war nicht streitig, weil sie vom Finanzamt anerkannt worden war. Der BFH macht nun deutlich, dass für die Erstattungszinsen zu einer Umsatzsteuererstattung, die einen mehrjährigen Zeitraum betrifft, nichts anderes gelten kann als für die Umsatzsteuererstattung selbst: Für beide Beträge wird eine Tarifermäßigung gewährt, wenn sie jeweils mehrjährige Zeiträume (1997 bis 2000) betreffen. Handelt es sich hingegen um eine Umsatzsteuererstattung für nur ein einziges Jahr und dementsprechend auch nur um Erstattungszinsen für ein Jahr, fehlt es an der Außerordentlichkeit der Einkünfte, so dass keine Tarifermäßigung gewährt wird.

Der BFH weicht in seinem aktuellen Urteil von dem Urteil eines anderen BFH-Senats aus dem Jahr 2013 ab, der die Tarifermäßigung versagt hatte. Der andere Senat hat vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung aber mitgeteilt, dass er an seiner Entscheidung aus dem Jahr 2013 nicht mehr festhält.

Quelle: BFH, Urteil vom 30.8.2023 – X R 2/22; NWB

Zurückgezahlte Erstattungszinsen als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen

Muss der Steuerpflichtige Erstattungszinsen, die aufgrund einer Steuererstattung festgesetzt worden sind, an das Finanzamt zurückzahlen, weil die Steuerfestsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert worden ist, kann die Rückzahlung im Jahr der Rückzahlung als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, soweit sie auf dieselbe Bemessungsgrundlage und denselben Verzinsungszeitraum entfallen.

Hintergrund: Bei einer Steuererstattung werden Erstattungszinsen zugunsten des Steuerpflichtigen festgesetzt, wenn die Steuerfestsetzung mindestens 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist, erfolgt und zu einer Steuererstattung führt. Kommt es zu einer Steuernachzahlung, werden in entsprechender Weise Nachzahlungszinsen festgesetzt. Die Erstattungszinsen sind nach dem Gesetz als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern, während Nachzahlungszinsen steuerlich nicht absetzbar sind.

Sachverhalt: Zugunsten des Klägers wurden im Jahr 2010 Erstattungszinsen in Höhe von ca. 46.000 € für eine Steuerfestsetzung für 2006 festgesetzt; der Verzinsungszeitraum begann am 1.4.2008 (15 Monate nach Ablauf des Jahres 2006) und endete am 4.2.2010 (22 Monate). Im Jahr 2011 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung für 2006 zulasten des Klägers. Dementsprechend wurden nun auch Nachzahlungszinsen festgesetzt, und zwar 19.000 € für den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2008 bis zum 19.12.2011 (44 Monate). Der Kläger zahlte die 19.000 € im Jahr 2012 an das Finanzamt.

In vergleichbarer Weise wurden für den Kläger für das Jahr 2007 zunächst Erstattungszinsen in Höhe von ca. 23.000 € festgesetzt, und zwar für den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2009 (15 Monate nach Ablauf des Jahres 2007) bis zum 4.2.2010 (10 Monate). Im Jahr 2012 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung zulasten des Klägers und damit auch die Zinsfestsetzung, die nun den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2009 bis zum 19.11.2012 (43 Monate) betraf. Der Kläger zahlte nun im Jahr 2012 Zinsen in Höhe von ca. 23.000 € an das Finanzamt zurück.

Der Kläger machte die beiden Rückzahlungsbeträge von insgesamt 42.000 € (19.000 € + 23.000 €) als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt erkannte nur einen Teil der Rückzahlungsbeträge an, soweit sie denselben Unterschiedsbetrag (d.h. Bemessungsgrundlage) und denselben Verzinsungszeitraum betrafen.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die auf vollständige Berücksichtigung der gesamten zurückgezahlten Zinsen gerichtete Klage ab:

  • Nach dem Gesetz sind Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern. Werden die Erstattungszinsen an das Finanzamt zurückgezahlt, weil die Steuerfestsetzung zulasten des Steuerpflichtigen und damit auch die Zinsfestsetzung geändert wird, handelt es sich bei der Zahlung der Zinsen an das Finanzamt um die Rückzahlung steuerpflichtiger Einnahmen. Dies führt zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen; denn die frühere Zahlung der Erstattungszinsen wird rückabgewickelt.
  • Allerdings gilt dies nur insoweit, als die Zinsen, die nun an das Finanzamt zurückgezahlt werden, für denselben Unterschiedsbetrag (Bemessungsgrundlage) und denselben Verzinsungszeitraum anfallen. Nur insoweit ist nämlich die Rückzahlung der Zinsen an das Finanzamt durch die vorher erstatteten und steuerpflichtigen Zinsen veranlasst.
  • Besteht diese zeitliche und betragsmäßige Überschneidung nicht, handelt es sich nicht um die Rückzahlung von Erstattungszinsen, sondern um die steuerlich unbeachtliche erstmalige Zahlung von Nachzahlungszinsen.
  • Im Streitfall hat das Finanzamt negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in der zutreffenden Höhe berücksichtigt, nämlich in Höhe von 9.500 € für 2006 und in Höhe von ca. 11.000 € für 2007. Der Überschneidungszeitraum belief sich für 2006 auf 22 Monate und für 2007 auf zehn Monate. Die insoweit angefallenen Zinsen waren als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Streitjahr 2012 zu berücksichtigen, da sie in diesem Jahr zurückgezahlt wurden. Die für die weiteren Monate angefallenen Zinsen für 22 Monate für den Veranlagungszeitraum 2006 sowie für 33 Monate für 2007 sind Nachzahlungszinsen, die einkommensteuerlich unbeachtlich sind.

Hinweise: Der BFH hält die unterschiedliche Behandlung von Erstattungszinsen, die steuerpflichtig sind, und Nachzahlungszinsen, die steuerlich unbeachtlich sind, für verfassungsgemäß. Den Erstattungszinsen einerseits und Nachzahlungszinsen andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, die sich wirtschaftlich unterschiedlich auswirken und bezüglich ihrer steuerlich maßgeblichen Veranlassung nicht miteinander vergleichbar sind. Für den „normalen“ Steuerzahler ist dies allerdings kaum nachvollziehbar.

Quelle: BFH, Beschluss vom 1.8.2023 – VIII R 8/21; NWB

Endgültige Festsetzung von Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019

Dem Finanzgericht Hamburg (FG) zufolge darf das Finanzamt die Festsetzung von Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 nicht mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen, wenn es eine vorläufige Festsetzung wegen des gesetzlichen Vertrauensschutzes ohnehin nicht mehr zulasten des Steuerpflichtigen ändern dürfte.

Hintergrund: Steuernachzahlungen und -erstattungen werden verzinst. Der bisherige Zinssatz von 6 % ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Juli 2021 für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig angesehen worden. Er ist inzwischen durch einen neuen, niedrigeren Zinssatz in Höhe von 1,8 % jährlich ersetzt worden.

Streitfall: Das Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger am 7.10.2019 Erstattungszinsen in Höhe von 6 % für den Verzinsungszeitraum ab 1.1.2019 vorläufig fest. Der Kläger legte gegen die Zinsfestsetzung Einspruch ein und beantragte die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks. Nachdem der Einspruch keinen Erfolg gehabt hatte, klagte er. Im Klageverfahren hob das Finanzamt die Zinsfestsetzung auf und setzte sie bis zu einer gesetzlichen Neuregelung aus. Der Kläger richtete seine Klage nun auch gegen die Aussetzung der Zinsfestsetzung.

Entscheidung: Das FG gab der Klage statt:

  • Der Vorläufigkeitsvermerk war aufzuheben. Ein Vorläufigkeitsvermerk kann angebracht werden, wenn die verfassungsrechtliche Lage unsicher ist und wenn nach Klärung der verfassungsrechtlichen Frage der Bescheid geändert werden soll.
  • Zwar war bei Erlass der Zinsfestsetzung im Oktober 2019 verfassungsrechtlich noch nicht geklärt, ob der Zinssatz von 6 % verfassungsgemäß ist. Selbst wenn das BVerfG aber den Zinssatz von 6 % als verfassungswidrig einstufen würde – was es im Jahr 2021 dann auch getan hat –, hätte das Finanzamt die Zinsfestsetzung zulasten des Klägers trotz des Vorläufigkeitsvermerks nicht mehr ändern dürfen. Denn vor einer nachteiligen Änderung ist der Kläger aufgrund des gesetzlichen Vertrauensschutzes geschützt; dieser besagt, dass eine Festsetzung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werden darf, wenn das BVerfG eine Regelung als verfassungswidrig ansieht.
  • Auch die im Klageverfahren erfolgte Aufhebung der Festsetzung der Erstattungszinsen und die anschließende Aussetzung der Festsetzung war rechtswidrig. Nach der Verwaltungsanweisung des Bundesfinanzministeriums durften die Finanzämter die Zinsfestsetzung nur im Fall einer erstmalig zu erfolgenden Festsetzung vornehmen, nicht aber bei einer bereits erfolgten Festsetzung. Damit hat das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt.

Hinweise: Aufgrund der Klagestattgabe werden die Erstattungszinsen in Höhe von 6 % nun endgültig gegenüber dem Kläger festgesetzt.

Das Urteil des FG ist für Steuerpflichtige wichtig, die bereits eine Festsetzung von Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 in den Händen halten. Denn nach dem FG hat der Steuerpflichtige in diesem Fall einen Anspruch auf eine endgültige Festsetzung. Außerdem macht das FG deutlich, dass der gesetzliche Vertrauensschutz auch bei einem Vorläufigkeitsvermerk vor einer nachteiligen Änderung schützt.

Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume vor dem 1.1.2019 werden durch die Entscheidung des BVerfG ohnehin nicht berührt und bleiben in Höhe von 6 % jährlich bestehen. Denn das BVerfG hat die Verfassungswidrigkeit nur für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 ausgesprochen.

Quelle: FG Hamburg, Urteil v, 14.4.2022 – 1 K 126/20; NWB