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Erstattung von Lohnkirchensteuer durch Arbeitnehmer an Arbeitgeber

Erstattet der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Lohnkirchensteuer, für die der Arbeitgeber vom Finanzamt in Haftung genommen wurde, weil er sie nicht entrichtet hatte, kann der Arbeitnehmer den an den Arbeitgeber gezahlten Betrag als Sonderausgabe abziehen. Ein Werbungskostenabzug ist hingegen nicht möglich.

Hintergrund: Entrichtet der Arbeitgeber nicht die Lohn- oder Lohnkirchensteuer für seinen Arbeitnehmer, kann er vom Finanzamt in Anspruch genommen werden. Der Arbeitgeber kann dann seinen Arbeitnehmer grundsätzlich in Regress nehmen.

Sachverhalt: Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Die GmbH leistete im Jahr 2014 eine Sachzuwendung an den Kläger, führte hierauf aber weder Lohn- noch Kirchensteuer ab. Im Jahr 2017 führte das Finanzamt eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH durch, und stellte fest, dass auf die Sachzuwendung weder Lohn- noch Lohnkirchensteuer abgeführt worden war. Das Finanzamt nahm die GmbH in Haftung. Die GmbH nahm den Kläger in Regress. Der Kläger erstattete daraufhin die Lohnkirchensteuer an die GmbH und machte die Zahlung als Sonderausgabe geltend. Das Finanzamt erkannte den Sonderausgabenabzug nicht an.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Der Kläger kann die an die GmbH gezahlte Lohnkirchensteuer als Sonderausgabe abziehen, da die Kirchensteuer als Sonderausgabe abziehbar ist und der Kläger mit der Zahlung an die GmbH seine persönliche Steuerschuld beglichen hat.
  • Der Kläger war als Schuldner der Lohnkirchensteuer im Innenverhältnis zu seiner Arbeitgeberin, der GmbH, zur Erstattung der Lohnkirchensteuer verpflichtet und war durch diese Erstattung auch wirtschaftlich belastet.
  • Ein Werbungskostenabzug war hingegen nicht möglich; denn hierfür fehlte es an der für den Werbungskostenabzug erforderlichen beruflichen Veranlassung. Der Kläger hat mit der Erstattung an die GmbH nämlich nur seine persönliche Steuerschuld beglichen.

Hinweise: Der Sonderausgabenabzug für gezahlte Kirchensteuer ist unbeschränkt möglich, während sich ein Werbungskostenabzug unter Umständen nicht oder nur teilweise auswirkt, da zunächst der Werbungskostenpauschbetrag (derzeit: 1.230 €) überschritten werden muss.

Hätte das Finanzamt den Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer für die nicht abgeführte Lohnkirchensteuer in Haftung genommen und der Kläger die Haftungssumme an das Finanzamt bezahlt, hätte der Kläger die Zahlung als Werbungskosten abziehen können. Diese Zahlung wäre nämlich beruflich veranlasst gewesen, weil die Haftung an die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer und an seine Pflichtverletzung bei der Abführung von Steuern für die GmbH angeknüpft hätte.

Quelle: BFH, Urteil vom 23.8.2023 – X R 16/21; NWB

Anspruch des Unternehmers gegen das Finanzamt auf Erstattung der an den Vertragspartner zu viel gezahlten Umsatzsteuer

Der Unternehmer kann einen Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung derjenigen Umsatzsteuer haben, die der Unternehmer versehentlich zu viel an den Vertragspartner gezahlt hat und die er deshalb nicht als Vorsteuer geltend machen kann. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer von seinem Vertragspartner nicht zurückerhält, weil dieser insolvent ist oder die Einrede der Verjährung erhebt. Dieser Erstattungsanspruch nennt sich „Direktanspruch“ und umfasst auch eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs, wenn das Finanzamt die Erstattung nicht innerhalb angemessener Zeit leistet.

Hintergrund: Das Umsatzsteuersystem ist auf Neutralität angelegt und soll den Unternehmer finanziell nicht belasten. Die Umsatzsteuer, die der Unternehmer an seinen Vertragspartner zahlt, kann sich der Unternehmer daher als Vorsteuer erstatten lassen. Probleme ergeben sich jedoch, wenn der Unternehmer versehentlich zu viel Umsatzsteuer an seinen Vertragspartner zahlt, weil dieser z.B. zu Unrecht 19 % statt 7 % in Rechnung stellt. Dem Unternehmer werden dann nämlich nur 7 % Vorsteuer erstattet, so dass er sich bemühen muss, die Rechnung berichtigen zu lassen und den Differenzbetrag von seinem Vertragspartner zu erhalten.

Sachverhalt: Der Kläger war Forstwirt und erwarb in den Jahren 2011 bis 2013 von anderen Unternehmern Holz, die ihm die Holzlieferungen mit 19 % in Rechnung stellten. Tatsächlich wäre aber der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % anzuwenden gewesen. Das Finanzamt erkannte nach einer Außenprüfung die Vorsteuer nur zu 7 % an und erließ im Juli 2019 entsprechend geänderte Umsatzsteuer- und Zinsbescheide. Der Kläger bemühte sich bei seinen Lieferanten um eine Berichtigung der Rechnungen und um eine Erstattung der überzahlten Umsatzsteuer. Die Lieferanten erhoben die Einrede der Verjährung. Der Kläger beantragte daraufhin beim Finanzamt den Erlass der zu viel gezahlten Umsatzsteuer. Dies lehnte das Finanzamt ab, und das Finanzgericht rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.

Entscheidung: Der EuGH bestätigte einen sog. Direktanspruch des Klägers gegen das Finanzamt:

  • Ein Unternehmer kann einen direkten Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung der Umsatzsteuer, die der Unternehmer an seinen Vertragspartner zu viel gezahlt hat, haben. Der Direktanspruch gegen das Finanzamt ergibt sich insbesondere aus dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer), nach dem das Mehrwertsteuersystem den Unternehmer nicht belasten darf.
  • Die Belastung des Klägers folgt daraus, dass er an seine Lieferanten eine Umsatzsteuer von 19 % – und damit überhöht – gezahlt hat, er aber nur 7 % als Vorsteuer geltend machen kann. Diesen Differenzbetrag erhält der Kläger von seinen Vertragspartnern nicht zurück, weil diese die Einrede der Verjährung geltend gemacht haben.
  • Der Direktanspruch ist ausgeschlossen, wenn dem Unternehmer Betrug, Missbrauch oder Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Hierfür gibt es im Streitfall aber keine Anhaltspunkte.

Hinweise: Die abschließende Entscheidung muss nun das Finanzgericht Münster treffen, welches den EuGH angerufen hat. Sollte es sich der Auffassung des EuGH anschließen, wird der Direktanspruch im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme wie z.B. eines Steuererlasses oder einer Billigkeitsfestsetzung umgesetzt.

Nach dem aktuellen EuGH-Urteil umfasst der Direktanspruch auch die Zahlung von Verzugszinsen, wenn das Finanzamt die Erstattung der Umsatzsteuer nicht innerhalb einer angemessenen Frist vornimmt. Der EuGH hat sich jedoch nicht zur Dauer einer angemessenen Frist geäußert.

Der EuGH bestätigt mit seiner aktuellen Entscheidung den Direktanspruch des Unternehmers. Dieser Anspruch wirkt sich zugunsten des Unternehmers aus, wenn er die Umsatzsteuer, die er an seine Vertragspartner gezahlt hat, nicht in vollem Umfang als Vorsteuer geltend machen kann, weil sie in der Rechnung überhöht ausgewiesen worden war, und weil sein Vertragspartner entweder zahlungsunfähig ist oder aber die Einrede der Verjährung erhebt.

Quelle: EuGH, Urteil vom 7.9.2023 – C-453/22 „Schütte“; NWB

Kirchensteuererstattungsüberhang bei Verlustrücktrag in das Vorjahr

Werden negative Einkünfte aus dem Jahr ihrer Entstehung im Wege des Verlustrücktrags in das Vorjahr zurückgetragen, sind sie damit im Jahr ihrer Entstehung „verbraucht“ und können nicht mehr für eine Verrechnung mit einem Kirchensteuer-Erstattungsüberhang genutzt werden. Die erstattete Kirchensteuer wird daher einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 € hinzugerechnet und dann versteuert.

Hintergrund: Die Kirchensteuer ist als Sonderausgabe abziehbar. Wird Kirchensteuer erstattet, wird sie mit der gezahlten Kirchensteuer verrechnet, so dass sich der Sonderausgabenabzug entsprechend mindert. Ist die erstattete Kirchensteuer aber höher als die gezahlte Kirchensteuer, kommt es zu einem sog. Erstattungsüberhang. Dieser ist nach dem Gesetz dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aber negativ, so dass der negative Einkünftebetrag im Wege des Verlustrücktrags in das Vorjahr zurückgetragen worden ist, stellt sich die Frage, ob der Erstattungsüberhang dem negativen Gesamtbetrag hinzuzurechnen ist oder aber – aufgrund des Verlustrücktrags – einem Gesamtbetrag von 0 €.

Sachverhalt: Die Klägerin erzielte im Jahr 2015 negative Einkünfte in Höhe von ca. 48.000 €. Bei der Kirchensteuer ergab sich für sie ein Erstattungsüberhang von ca. 61.000 €, da ihr Kirchensteuer in Höhe von ca. 61.100 € rückerstattet wurde, während sie ca. 100 € gezahlt hatte. Das Finanzamt führt einen Verlustrücktrag hinsichtlich der negativen Einkünfte in Höhe von 48.000 € durch und trug sie in das Vorjahr 2014 zurück, wo sie mit positiven Einkünften der Klägerin verrechnet wurden. Aufgrund des Verlustrücktrags setzte das Finanzamt für 2015 einen Gesamtbetrag von 0 € an und erhöhte diesen um den Kirchensteuer-Erstattungsüberhang von 61.000 € und zog weitere Sonderausgaben des Jahres 2015 ab. Hierdurch ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von ca. 42.000 €, das zu einer Einkommensteuer von ca. 10.000 € führte. Die Klägerin beantragte, dass statt eines Gesamtbetrags von 0 € ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte von ca. 48.000 € zugrunde gelegt wird.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Nach dem Gesetz ist ein Erstattungsüberhang dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich aber nicht, was bei einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte geschehen soll, wenn es zu einem Verlustrücktrag in das Vorjahr gekommen ist.
  • Aus der Gesetzessystematik folgt, dass die im Wege des Verlustrücktrags zurückgetragenen negativen Einkünfte nur noch im Vorjahr berücksichtigt werden können, während sie im Entstehungsjahr nun verbraucht sind und nicht mehr zur Verfügung stehen. Einkünfte können nämlich nur in einem Jahr berücksichtigt werden. Kommt es zu einem Verlustrücktrag, werden die (negativen) Einkünfte nur im Vorjahr berücksichtigt.
  • Daher werden die negativen Einkünfte des Jahres 2015, die durch den Verlustrücktrag in das Vorjahr 2014 verschoben worden sind, im Jahr 2015 quasi „hinweggedacht“. Somit ist für 2015 ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 € zugrunde zu legen, der um den Erstattungsüberhang aus der Kirchensteuer zu erhöhen und um weitere Sonderausgaben des Jahres 2015 zu kürzen ist.

Hinweise: Das Urteil des BFH führt dazu, dass im Ergebnis die negativen Einkünfte nur einmal berücksichtigt werden, nämlich im Jahr 2014. Durch den Verlustrücktrag sind die negativen Einkünfte vom Jahr 2015 in das Jahr 2014 verschoben worden und werden deshalb nur im Jahr 2014 mit positiven Einkünften verrechnet. Die negativen Einkünfte können nicht zusätzlich mit dem Erstattungsüberhang aus der Kirchensteuer verrechnet werden.

Gibt es im Rahmen eines Verlustrücktrags Streit über die Höhe des Verlustes, wird hierüber im Verfahren gegen den Vorjahresbescheid, in dem der Verlust berücksichtigt werden soll, entschieden, nicht aber im Verfahren gegen den Bescheid für das Jahr, in dem der Verlust entstanden ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 3.5.2023 – IX R 6/21; NWB

Direktanspruch des Unternehmers gegen das Finanzamt auf Erstattung der zu Unrecht an den Vertragspartner gezahlten Umsatzsteuer

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gerichtet, damit der EuGH die Voraussetzungen des sog. Direktanspruchs des Unternehmers gegen das Finanzamt klärt. Dabei geht es um die Frage, ob ein Unternehmer in Deutschland, der zu Unrecht Umsatzsteuer an seinen Vertragspartner gezahlt hat und diese wegen der Insolvenz seines Vertragspartners nicht zurückfordern kann, stattdessen einen entsprechenden Umsatzsteuerminderungsanspruch gegen sein Finanzamt hat (sog. Direktanspruch).

Hintergrund: Der EuGH hat den sog. Direktanspruch entwickelt. Danach kann sich ein Unternehmer, der irrtümlich Umsatzsteuer an seinen Vertragspartner gezahlt hat, diese Umsatzsteuer vom Finanzamt erstatten lassen, wenn sein Vertragspartner die Umsatzsteuer nicht mehr an ihn zurückzahlen kann, weil er zahlungsunfähig ist.

Sachverhalt: Die Klägerin war ein in Deutschland ansässiges Leasingunternehmen und tätigte insbesondere Sale-and-lease-back-Geschäfte. So erwarb sie von der ebenfalls in Deutschland ansässigen E-GmbH in den Jahren 2007 bis 2012 insgesamt sechs Motorboote, die sich jeweils in Italien befanden. Die Klägerin verleaste die Motorboote sodann an die E-GmbH. Die E-GmbH stellte für den Verkauf der Klägerin zu Unrecht Umsatzsteuer in Rechnung, denn der Leistungsort befand sich in Italien. Die Klägerin bezahlte die Rechnungen und machte die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer nicht an, weil die Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen worden war. Im Jahr 2014 geriet die E-GmbH in Insolvenz. Der Insolvenzverwalter widerrief den Umsatzsteuerausweis in den sechs Rechnungen und ließ sich vom Finanzamt die von der E-GmbH bereits abgeführte Umsatzsteuer erstatten. Er zahlte die Umsatzsteuer, die die E-GmbH von der Klägerin erhalten hatte, nicht an die Klägerin zurück. Die Klägerin beantragte daraufhin im Jahr 2017 beim Finanzamt, die Umsatzsteuer für 2007 bis 2012 in Höhe der an die E-GmbH gezahlten Umsatzsteuer niedriger festzusetzen oder hilfsweise zu erlassen. Dies lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung: Der BFH rief nun den EuGH an, damit dieser die Voraussetzungen des sog. Direktanspruchs klärt:

  • Zwar ist ein sog. Direktanspruch der Klägerin denkbar, da die Klägerin zu Unrecht Umsatzsteuer an die E-GmbH gezahlt hat und diese aufgrund der Insolvenz der E-GmbH von dieser nicht zurückerhält.
  • Allerdings ist es auch denkbar, dass die Klägerin gegen die E-GmbH keinen Rückforderungsanspruch hatte, sondern nur einen Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit italienischer Umsatzsteuer. In diesem Fall könnte sich die Klägerin die Vorsteuer in Italien vergüten lassen, wenn sich die E-GmbH in Italien umsatzsteuerlich registrieren würde. Der EuGH soll nun entscheiden, ob ein Direktanspruch der Klägerin besteht. Dabei soll er auch klären, ob die Klägerin zivilrechtlich gegen die E-GmbH auf Erteilung einer entsprechenden Rechnung hätte vorgehen müssen.
  • Ferner soll der EuGH klären, an wen das Finanzamt die Umsatzsteuer im Insolvenzfall zu erstatten hat. Zum einen hat der Insolvenzverwalter der E-GmbH aufgrund der Berichtigung der Rechnungen, die nun keinen gesonderten Umsatzsteuerausweis mehr enthalten, einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt. Zum anderen könnte die Klägerin einen Direktanspruch gegen das Finanzamt haben. Allerdings kann das Finanzamt nur einen der beiden Ansprüche erfüllen, so dass der EuGH klären soll, welcher der beiden Ansprüche vorrangig ist.

Hinweise: Die Probleme im Streitfall ergeben sich daraus, dass der Direktanspruch gesetzlich nicht geregelt ist, sondern sich nur aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt. So könnte es auch noch eine Rolle spielen, dass der Insolvenzverwalter die Umsatzsteuer in Italien hätte anmelden und abführen müssen, dies aber unterlassen hat. Damit könnte er eine Steuerhinterziehung begangen haben, die bei der Prüfung des Direktanspruchs zu berücksichtigen ist.

Quelle: BFH, Beschluss v. 3.11.2022 – XI R 6/21; NWB