Mit einer Postzustellungsurkunde, in der vermerkt ist, dass der Bescheid in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen worden ist, weil die persönliche Übergabe nicht geglückt ist, kann die Zustellung des Bescheids bewiesen werden. Es ist nicht erforderlich, dass in der Postzustellungsurkunde die Angabe der Uhrzeit des Zustellversuchs vermerkt wird. Allerdings kann der Empfänger einen Gegenbeweis führen, dass die auf der Urkunde bezeugten Tatsachen unrichtig sind.
Hintergrund: Steuerbescheide werden grundsätzlich elektronisch oder mit einfachem Brief bekannt gegeben. Allerdings ist auch eine Zustellung mittels Postzustellungsurkunde möglich. In diesem Fall muss der Postbote den Brief persönlich übergeben und dies auf der Urkunde vermerken; scheitert die Übergabe an den Empfänger, kann er den Brief in den Briefkasten des Empfängers einwerfen und muss dies auf der Postzustellungsurkunde vermerken.
Sachverhalt: Das Finanzamt wollte der durch eine Steuerberatungsgesellschaft vertretenen Klägerin eine Einspruchsentscheidung mittels Postzustellungsurkunde zustellen. Der Postbote warf die Einspruchsentscheidung in den Briefkasten der Steuerberatungsgesellschaft am 14.5.2021, einem Freitag, ein. Er vermerkte in der Postzustellungsurkunde, dass er am 14.5.2021 erfolglos versucht habe, die Einspruchsentscheidung in den Geschäftsräumen persönlich dem Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft oder ersatzweise einem Angestellten zu übergeben. Er notierte aber nicht die Uhrzeit des Übergabeversuchs. Die Steuerberatungsgesellschaft brachte auf der Einspruchsentscheidung einen Eingangsstempel mit dem Datum vom 17.5.2021 (Montag) an und erhob erst am 17.6.2021 Klage.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die Klage als unzulässig ab:
- Die Klage ist erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist und damit verspätet erhoben worden. Die Einspruchsentscheidung ist nämlich schon am 14.5.2021 bekannt gegeben worden.
- Das Bekanntgabedatum des 14.5.2021 ergibt sich aus der Postzustellungsurkunde, auf der dieses Datum vermerkt ist. Einer ordnungsgemäß erstellten Postzustellungsurkunde kommt kraft Gesetzes Beweiskraft zu, sofern nicht ein Gegenbeweis geführt wird.
- Die Postzustellungsurkunde war ordnungsgemäß erstellt worden, da der Postbote die erfolglose Übergabe am 14.5.2021 sowie den Einwurf der Einspruchsentscheidung am 14.5.2021 vermerkt hatte. Es war nicht erforderlich, dass der Postbote auch die Uhrzeit des Übergabeversuchs auf der Urkunde einträgt.
- Einen Gegenbeweis hat die Steuerberatungsgesellschaft nicht geführt. Sie hat lediglich behauptet, dass eine Übergabe am 14.5.2021 in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr erfolgreich gewesen wäre, weil dem Postboten nach dem Klingeln geöffnet worden wäre. Diese Behauptung genügt nicht, um einen Gegenbeweis zu führen, weil ein Übergabeversuch bereits dann durchgeführt wird, wenn dem Postboten nach dem erstmaligen Klingeln nicht hinreichend schnell geöffnet wird.
Hinweise: Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren, da die fehlerhafte Anbringung des Eingangsstempels (17.5.2021 statt 14.5.2021) nicht auf einem Büroversehen beruhte. Die Steuerberatungsgesellschaft hätte hierzu einen ordentlichen Ablauf ihrer Post- und Fristerfassung darlegen müssen.
Das FG hat sieben Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft als Zeugen vernommen, um die Behauptung, dass die Postzustellungsurkunde unrichtig erstellt worden sei, zu überprüfen.
Mit einer Bekanntgabe durch Postzustellungsurkunde ist die Bekanntgabe grundsätzlich an dem Tag erfolgt, der in der Urkunde als Zustellungstag vermerkt ist. Die einmonatige Einspruchs- und Klagefrist beginnt dann auch bereits mit Ablauf dieses Tages. Anders ist dies bei der Bekanntgabe eines Bescheids oder einer Einspruchsentscheidung mit einfachem Brief, da hier eine Bekanntgabe erst nach Ablauf von drei Tagen nach Aufgabe zur Post kraft Gesetzes fingiert wird.
Quelle: FG Münster, Urteil v. 22.11.2022 – 15 K 1593/21 U, AO; NWB