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Anfechtung eines Lohnsteuer-Haftungsbescheids mit gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung

Wird in einem Lohnsteuer-Haftungsbescheid zugleich auch der Vorbehalt der Nachprüfung für die Lohnsteuer-Anmeldungen aufgehoben, ist in einem anschließenden Einspruch gegen den Lohnsteuer-Haftungsbescheid nicht zugleich auch ein Einspruch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung zu sehen. Dies hat zur Folge, dass die Festsetzung der Lohnsteuer bestandskräftig wird und nicht mehr geändert werden kann.

Hintergrund: Lohnsteuer-Anmeldungen stehen nach dem Gesetz grundsätzlich einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich und können daher bis zum Eintritt der Verjährung unproblematisch geändert werden. Der Vorbehalt der Nachprüfung kann aber ausdrücklich aufgehoben werden, so dass er damit entfällt. Führt der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vollständig ab, kann gegen ihn ein Lohnsteuer-Haftungsbescheid erlassen werden.

Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitgeber und gab Lohnsteuer-Anmeldungen ab, die sowohl Fehler zu seinen Gunsten als auch Fehler zu seinen Ungunsten enthielten. Die Fehler wurden zunächst nicht bemerkt, so dass die Lohnsteuer-Anmeldungen als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galten. Es kam dann zu einer Lohnsteuer-Außenprüfung, in der der Prüfer verschiedene Reisekostenerstattungen beanstandete, die der Kläger zu Unrecht als lohnsteuerfrei behandelt hatte. Das Finanzamt erließ am 31.10.2012 aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung zwei Lohnsteuer-Haftungsbescheide gegen den Kläger: Ein Haftungsbescheid enthielt ein Leistungsgebot, d.h. eine Zahlungsaufforderung, der andere Haftungsbescheid enthielt kein Leistungsgebot. In dem Haftungsbescheid mit Leistungsgebot hob das Finanzamt zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung für die Lohnsteuer-Anmeldungen auf. Der Kläger legte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch gegen die beiden Haftungsbescheide ein. Nachdem das Einspruchsverfahren gegen den Haftungsbescheid mit Leistungsgebot beendet worden war, stellte der Kläger fest, dass er zu viel Lohnsteuer angemeldet hatte. Er beantragte nun die Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen zu seinen Gunsten.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Zwar können Lohnsteuer-Anmeldungen grundsätzlich jederzeit geändert werden, weil sie kraft Gesetzes unter einem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Dieser Vorbehalt der Nachprüfung war vom Finanzamt aber im Haftungsbescheid mit Leistungsgebot aufgehoben worden.
  • Der Kläger hatte gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung keinen Einspruch eingelegt, sondern nur gegen die Haftungsbescheide. Da sich der Wortlaut des Einspruchsschreibens und auch die Begründung des Einspruchs nur auf die Lohnsteuer-Haftungsbescheide bezog, kann der Einspruch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Kläger auch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung richten wollte.

Hinweise: Dem Kläger half es nicht, dass die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung in dem Haftungsbescheid mit Leistungsgebot erfolgt war, den der Kläger angefochten hatte. Denn es handelte sich um einen sog. Sammelbescheid, der zwei selbständig anfechtbare Verwaltungsakte enthielt: zum einen den vom Kläger angefochtenen Haftungsbescheid und zum anderen die nicht angefochtene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. Der Kläger hätte seinen Einspruch also auch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung richten müssen; er hätte dann uneingeschränkt alle Einwendungen gegen die Höhe der Lohnsteuerfestsetzung vorbringen können.

Quelle: BFH, Urteil v. 15.2.2023 – VI R 13/21; NWB

Anfechtung einer Zinsfestsetzung mit fehlerhaftem Zinslauf

Der Steuerpflichtige muss eine Zinsfestsetzung, der ein fehlerhafter Zinslauf zugrunde gelegt worden ist, mit einem Einspruch anfechten. Es genügt nicht, dass er die Einkommensteuerfestsetzung angreift. Unterlässt er die Einlegung eines Einspruchs, kann die Zinsfestsetzung nur korrigiert werden, wenn eine Korrekturvorschrift dies zulässt.

Hintergrund: Die Höhe der Zinsfestsetzung richtet sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer. Die Zinsfestsetzung hängt aber auch von der Dauer des Zinslaufs ab. In der Regel beginnt der Zinslauf 15 Monate nach dem Ende des Veranlagungszeitraums, also z.B. für den Veranlagungszeitraum 01 am 1.4.03; allerdings gibt es derzeit coronabedingte Verschiebungen des Beginns des Zinslaufs. Wird die Einkommensteuer wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert, beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist; diese Regelung gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2013 aber nicht bei der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags aufgrund der Nichtdurchführung der Investition.

Sachverhalt: Der Kläger bildete in den Streitjahren 2007 und 2008 jeweils einen Investitionsabzugsbetrag, führte jedoch in den folgenden drei Jahren die Investition jeweils nicht durch. Das Finanzamt machte daraufhin beide Investitionsabzugsbeträge rückgängig und änderte am 6.5.2013 die Steuerbescheide für 2007 und 2008 entsprechend. Zugleich setzte es Nachzahlungszinsen fest: Dabei legte das Finanzamt den Beginn des Zinslaufs auf den 1.4.2009 (für 2007) und auf den 1.4.2010 (für 2008) fest. Der Kläger legte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch „gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“ ein. Am 30.12.2013 wandte er sich auch gegen die Zinsfestsetzung. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, so dass der Kläger die Änderung der Zinsfestsetzung beantragte.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage auf Änderung der Zinsfestsetzung ab:

  • Allein die Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung führte nicht zu einer Änderung der Zinsfestsetzung. Zwar ist die Höhe der Einkommensteuer maßgeblich für die Höhe der Zinsen; die Einkommensteuerfestsetzung hat aber keine Bindungswirkung für den Beginn des Zinslaufs.
  • Eine Korrektur der Zinsfestsetzung hätte eine Korrekturvorschrift vorausgesetzt, die es im Streitfall aber nicht gab. So schied eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus, weil das Finanzamt bewusst den regulären Zinsbeginn, der 15 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beginnt, in dem Zinsbescheid angesetzt hat. Bei einer bewussten Rechtsanwendung liegt keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreib- oder Rechenfehlers vor. Weitere Korrekturvorschriften waren nicht einschlägig.
  • Der Einspruch hätte zwar eine Minderung der Einkommensteuer bewirken können, weil nach damaliger Rechtslage bei einem rückwirkenden Ereignis wie der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags der Zinslauf möglicherweise erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, begann; dies wäre der 1.4.2012 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2007 und der 1.4.2013 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2008 gewesen. Aber der Einspruch des Klägers richtete sich nur gegen die Einkommensteuerfestsetzung sowie gegen den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer, nicht jedoch gegen die Zinsfestsetzung. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist, nämlich am 30.12.2013, wandte sich der Kläger gegen die Zinsfestsetzung.

Hinweise: Der Fall zeigt, dass im Zweifel auch gegen die Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt werden sollte. Ein Einspruch kann gebührenfrei eingelegt werden, da der Staat keine Gebühren bei Einlegung eines Einspruchs erhebt.

Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 beginnt der Zinslauf bei Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags 15 Monate nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Investitionsabzugsbetrag gebildet worden ist. Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 beläuft sich der Zinssatz nur noch auf 1,8 % und nicht mehr auf 6 %.

Quelle: BFH, Urteil v. 13.12.2022 – VIII R 16/19; NWB

Keine Anfechtung des Feststellungsbescheids der GmbH durch Gesellschafter

Der Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, der gegenüber der GmbH ergeht, kann nur durch die GmbH angefochten werden, nicht aber durch einen Gesellschafter der GmbH. Der Gesellschafter hat kein sog. Drittanfechtungsrecht, auch wenn ihn der Bescheid mittelbar betrifft.

Hintergrund: Die Einlagen, die die Gesellschafter einer GmbH in die GmbH einzahlen, werden im sog. steuerlichen Einlagekonto festgehalten und festgestellt. Hierzu ergeht jedes Jahr ein Feststellungsbescheid. Werden die Einlagen später an die Gesellschafter zurückgezahlt, kann dies steuerfrei erfolgen, wenn u.a. die Einlagen vorher im steuerlichen Einlagekonto festgestellt worden waren. Ohne diese Feststellung kann die Rückgewähr der Einlagen nicht steuerfrei erfolgen, sondern wird als Ausschüttung mit 25 % besteuert.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine dänische AG, die Gesellschafterin der in Deutschland ansässigen D-GmbH war. Die Klägerin tätigte im Jahr 2007 eine Einlage in Höhe von 800.000 € in die Kapitalrücklage der D-GmbH. Allerdings wurde die Einlage in der Erklärung über das steuerliche Einlagekonto der D-GmbH zum 31.12.2007 zu Unrecht nicht erklärt und daher im Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto vom 22.12.2008 nicht festgestellt. Der Bescheid wurde nur der D-GmbH, nicht aber der Klägerin bekannt gegeben; die D-GmbH legte gegen den Bescheid keinen Einspruch ein. Am 18.1.2018 legte die Klägerin Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ein und erhob anschließend Klage. Das Finanzamt hielt den Einspruch und die Klage für unzulässig.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2007 richtete sich gegen die D-GmbH und konnte daher nur von der D-GmbH angefochten werden. Diese Anfechtung war aber unterblieben, weil die D-GmbH gegen den Bescheid keinen Einspruch eingelegt hatte.
  • Die Klägerin war nur Gesellschafterin der D-GmbH und konnte daher den Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto nicht anfechten. Der Klägerin stand kein sog. Drittanfechtungsrecht zu.
  • Zwar ist die Klägerin vom Inhalt des Bescheids betroffen, weil die von ihr geleisteten Einlagen später nicht steuerfrei an sie zurückgewährt werden können. Dennoch führt dies nicht zu einem Drittanfechtungsrecht. Denn würde man jedem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ein Anfechtungsrecht einräumen, hinge die Bestandskraft des Bescheids davon ab, ob und wann der einzelne Gesellschafter Einspruch einlegt; dabei wäre zu berücksichtigen, dass die Einspruchsfrist erst mit der jeweiligen Bekanntgabe an den einzelnen Gesellschafter beginnt, so dass hier für jeden Gesellschafter die Einspruchsfrist unterschiedlich beginnen könnte. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Verjährung.

Hinweise: Der Gesellschafter muss über seine Stellung als Gesellschafter versuchen, die Kapitalgesellschaft dazu zu bewegen, gegen einen fehlerhaften Feststellungsbescheid Einspruch einzulegen. Dies wird allerdings in der Praxis allenfalls dann gelingen können, wenn der Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Kapitalgesellschaft hat.

Wird ein fehlerhafter Feststellungsbescheid bestandskräftig, weil er nicht von der Kapitalgesellschaft angefochten worden ist, wirkt sich die Einlage des Gesellschafters jedenfalls im Fall der Veräußerung oder Aufgabe seiner Beteiligung an der Kapitalgesellschaft steuerlich vorteilhaft aus; denn sie mindert dann als nachträgliche Anschaffungskosten den Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn.

Ein Drittanfechtungsrecht wird mitunter im Steuerrecht anerkannt. Allerdings handelt es sich dann um einmalige Sachverhalte wie z.B. der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft. Hier kann der einbringende Gesellschafter einen fehlerhaften Wertansatz im Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft anfechten, weil ein überhöhter Wertansatz seinen Veräußerungserlös erhöht. Im Streitfall ging es jedoch nicht um einen einmaligen Sachverhalt, sondern der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto ist ein Dauersachverhalt, weil die Feststellung in jedem Jahr erfolgt.

Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 – I R 53/19; NWB