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Erweiterung einer Außenprüfung um ein weiteres Prüfungsjahr

Erweitert das Finanzamt den Zeitraum einer Außenprüfung auf das Vorjahr des bisherigen Prüfungszeitraums, führt dies für das Vorjahr zu einer Ablaufhemmung bei der Festsetzungsfrist, wenn die Prüfungsanordnung für das Vorjahr vor dem Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung bekannt gegeben wird und wenn der Prüfer mit der Prüfung für das Vorjahr vor dem Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung beginnt. Dabei muss seine Prüfungshandlung aber über eine bloße Vorbereitungshandlung hinausgehen.

Hintergrund: Grundsätzlich dauert die Festsetzungsfrist vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wird. Allerdings kommt es bei einer Außenprüfung zu einer die Festsetzungsfrist verlängernden Ablaufhemmung, wenn vor Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen wird: Die Festsetzungsfrist läuft dann nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH im Bereich der Bauleistungen. Sie gab ihre Umsatzsteuererklärung für 2015 im Jahr 2016 ab. Das Finanzamt führte für die Umsatzsteuer 2016 bis 2018 eine Außenprüfung durch. Der Prüfer erlangte dabei Anhaltspunkte für eine unrichtige Erfassung der Umsatzsteuer auch für 2015. Er erweiterte mit Prüfungsanordnung vom 15.12.2020 den Prüfungszeitraum auf das Jahr 2015; diese Prüfungsanordnung ging der Klägerin am 21.12.2020 per Post zu. Bereits am 18.12.2020 forderte der Prüfer die Klägerin per Fax zur Vorlage der Buchführungsunterlagen für 2015 sowie der Aufzeichnungen für teilfertige Arbeiten auf. Der Prüfer gelangte für 2015 zu einer Mehrsteuer, so dass das Finanzamt im Oktober 2021 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2015 erließ. Aus Sicht der Klägerin war bereits Verjährung eingetreten.

Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) wies die Klage ab:

  • Zwar endete die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist für 2015 mit Ablauf des 31.12.2020, da die Klägerin die Umsatzsteuererklärung für 2015 im Jahr 2016 abgegeben hatte. Aufgrund der Erweiterung des Prüfungszeitraums kam es jedoch zu einer Ablaufhemmung, so dass das Finanzamt noch im Jahr 2021 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2015 erlassen durfte.
  • Die Erweiterung der Außenprüfung auf das Jahr 2015 führte zu einer Ablaufhemmung, da das Finanzamt vor Eintritt der regulären vierjährigen Festsetzungsverjährung am 31.12.2020 die Prüfungsanordnung für 2015 bekannt gegeben hatte, nämlich am 21.12.2020, und da es mit der Prüfung für 2015 begonnen hatte.
  • Der Prüfungsbeginn für 2015 ist am 18.12.2020 erfolgt, als der Prüfer Unterlagen von der Klägerin angefordert hat. Ein Prüfungsbeginn, der zu einer Ablaufhemmung führt, setzt eine sog. qualifizierte Prüfungshandlung voraus, d.h. Ermittlungshandlungen, die für den Steuerpflichtigen als Prüfungshandlungen erkennbar sind, z.B. die Vorlage von Aufzeichnungen oder Büchern. Eine solche qualifizierte Prüfungshandlung ist in der Anforderung vom 18.12.2020 zu sehen.

Hinweise: Eine Ablaufhemmung tritt hingegen nicht ein, wenn der Prüfer lediglich eine Vorbereitungshandlung für die Prüfung vornimmt, z.B. vor Ort erscheint und die Prüfungsanordnung aushändigt.

Die Ablaufhemmung setzt nicht voraus, dass zuerst die Prüfungsanordnung für das Jahr 2015 bekannt gegeben wird und dann die Prüfungshandlung (vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist) vorgenommen wird. Eine Ablaufhemmung kann also – wie im Streitfall – auch dann eintreten, wenn der Prüfer schon vor Bekanntgabe der erweiternden Prüfungsanordnung mit der qualifizierten Prüfungsmaßnahme begonnen hat. Allerdings muss die Prüfungsanordnung für das weitere Prüfungsjahr dann entweder den Hinweis enthalten, dass mit der Prüfung für das weitere Prüfungsjahr schon begonnen worden ist, oder dem Steuerpflichtigen muss die Erweiterung des Prüfungszeitraums bekannt sein. Im Streitfall war der Klägerin der Beginn der Prüfung für 2015 aufgrund der Anforderung der Unterlagen durch das Schreiben vom 18.12.2020 bekannt.

Quelle: FG Düsseldorf, Urteil v. 8.7.2022 – 1 K 472/22 U; NWB

Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch Prüfer der Steuerfahndung

Eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen sog. Flankenschutzprüfer, der zur Steuerfahndung gehört und das steuerlich geltend gemachte häusliche Arbeitszimmer prüfen will, ist unverhältnismäßig, wenn der Steuerpflichtige bei der Sachverhaltsaufklärung bislang mitgewirkt hat und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er bei der weiteren Aufklärung nicht mitwirken wird.

Hintergrund: Der für die Besteuerung maßgebliche Sachverhalt wird grundsätzlich von Amts wegen ermittelt, wobei der Steuerpflichtige Mitwirkungspflichten hat. Bei der Sachverhaltsaufklärung darf der Finanzbeamte auch Grundstücke während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten, soweit dies erforderlich ist, um im Besteuerungsinteresse Feststellungen zu treffen. Jedoch dürfen Wohnräume gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden.

Streitfall: Die Klägerin war Geschäftsführerin eines Restaurants und machte Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Skizze ihrer Wohnung ein: Danach bestand die Wohnung lediglich aus zwei Zimmern, einem Wohnzimmer und einem Arbeitszimmer; ein Schlafzimmer war in der Skizze nicht verzeichnet. Das Finanzamt erteilte dem hausinternen „Flankenschutzprüfer“, der zur Steuerfahndung gehörte, einen Auftrag zur Besichtigung der Wohnung. Der Steuerfahnder erschien bei der Klägerin und bat um Zutritt, der ihm von der Klägerin gewährt wurde. Er stellte fest, dass die Wohnung entgegen der Skizze noch über zwei weitere Räume verfügte, darunter ein Schlafzimmer, und dass die eingereichte Skizze nicht stimmte. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die Besichtigung rechtswidrig gewesen sei.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und stellte fest, dass die unangekündigte Wohnungsbesichtigung rechtswidrig gewesen war:

  • Eine Sachverhaltsaufklärung muss verhältnismäßig sein. Die Maßnahme muss also zur Ermittlung des Sachverhalts geeignet und erforderlich sein, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Außerdem muss ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein und darf nicht angewandt werden, wenn die sich aufgrund der Ermittlungsmaßnahme ergebenden Grundrechtsbeeinträchtigungen schwerer wiegen als die durchzusetzenden Interessen, d.h. als das Ermittlungsinteresse.
  • Die unangekündigte Wohnungsbesichtigung war unverhältnismäßig. So war es nicht erforderlich, sogleich die Wohnung zu betreten, anstatt die Klägerin zunächst schriftlich um Auskunft zu bitten, wo sich ihr Schlafbereich befindet. Denn bislang hatte die Klägerin im Besteuerungsverfahren mitgewirkt. Es bestanden daher keine Zweifel an ihrer Auskunftsbereitschaft.
  • Das Finanzamt hätte auch beachten müssen, dass die Wohnung durch das Grundgesetz besonders geschützt ist und dass eine Wohnungsbesichtigung in die persönliche Lebenssphäre der Klägerin eingreift. Eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung ist ohne konkreten Verdacht auf Steuerhinterziehung daher nicht gerechtfertigt.
  • Weiterhin hätte das Finanzamt vor der Besichtigung rechtliches Gehör gewähren müssen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin aufgrund der Benachrichtigung das häusliche Arbeitszimmer entsprechend „hergerichtet“ hätte.
  • Unverhältnismäßig war es auch, dass das Finanzamt einen Mitarbeiter der Steuerfahndung mit der Besichtigung beauftragt hat. Die Besichtigung durch einen Mitarbeiter der Steuerfahndung ist belastender als die Besichtigung durch einen Beamten des Innendienstes. So kann es z. B. sein, dass die Wohnungsbesichtigung durch den Steuerfahnder von Nachbarn oder Besuchern der Kläger bemerkt wird und so der Eindruck entsteht, dass gegen die Klägerin strafrechtlich ermittelt wird.

Hinweise: Die Feststellung des BFH hat insbesondere symbolischen Wert für die Klägerin, die nun die Bestätigung erhält, dass der Steuerfahnder nicht unangekündigt hätte erscheinen dürfen. Der praktische Nutzen dieser Feststellung kann sich aber durchaus in Folgejahren zeigen, falls das Finanzamt noch einmal die Wohnung oder – nach einem Umzug – die neue Wohnung besichtigen möchte.

Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit kann auch dann sinnvoll sein, wenn der Steuerpflichtige einen Amtshaftungsanspruch gegen das Finanzamt geltend machen will oder wenn er seine Rehabilitierung anstrebt, weil die Maßnahme des Finanzamts den unberechtigten Vorwurf der Steuerhinterziehung enthielt und dies auch gegenüber außenstehenden Dritten sichtbar wurde.

Quelle: BFH, Urteil v. 12.7.2022 – VIII R 8/19; NWB

Einkünftezurechnung bei doppelter Treuhand

Auch bei einer sog. doppelten Treuhand, bei der der Treuhänder nicht nur für den Treugeber tätig ist, sondern auch die Interessen anderer Personen wahren muss, kann zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis bestehen, das dazu führt, dass die Einkünfte aus dem Treuhandvermögen dem Treugeber zugerechnet werden. Kriterien sind insbesondere die Weisungsbefugnis des Treugebers und das jederzeitige Rückgaberecht des Treugebers.

Hintergrund: Wirtschaftsgüter und Einkünfte werden zwar grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet. Das Steuerrecht kennt aber auch das wirtschaftliche Eigentum, wenn ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den rechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Dementsprechend ist nach dem Gesetz bei einem Treuhandverhältnis das Wirtschaftsgut dem Treugeber zuzurechnen.

Streitfall: Der Kläger war ein eingetragener Verein, dem von der X-AG Vermögen treuhänderisch übertragen wurde. Dieses Treuhandvermögen diente als Sicherung für die Pensionsverpflichtungen der X-AG. Nach dem Treuhandvertrag war die X-AG weisungsbefugt, und das Treuhandvermögen durfte ausschließlich für die Erfüllung der Pensionsverpflichtungen eingesetzt werden. Auch die erzielten Erträge sollten zum Treuhandvermögen gehören. Im Jahr 2009 wurde über das Vermögen der X-AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Treuhandvermögen gehörten auch Aktien, aus denen in den Streitjahren 2009 und 2010 Dividenden gezahlt wurden. Der Kläger war der Auffassung, dass die Dividenden der X-AG zuzurechnen seien.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Dividenden sind demjenigen zuzurechnen, der im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zivilrechtlicher oder – hiervon abweichend – wirtschaftlicher Eigentümer ist. Bei einem Treuhandverhältnis ist der Treugeber, also die X-AG, wirtschaftlicher Eigentümer.
  • Das Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger als Treuhänder und der X-AG als Treugeber ist steuerlich auch anzuerkennen. Zwar genügt nicht bereits die Bezeichnung als „Treuhandvertrag“; es kommt vielmehr darauf an, dass das zivilrechtliche Eigentum des Klägers aufgrund der getroffenen Vereinbarungen als „leere Hülle“ erscheint. Wesentliches Kriterium hierfür ist die Weisungsbefugnis des Treugebers sowie dessen Berechtigung, jederzeit – ggf. nach einer angemessenen Kündigungsfrist – die Rückgabe des Treuguts zu verlangen.
  • Im Streitfall war die X-AG nach dem geschlossenen Treuhandvertrag umfassend weisungsbefugt. Hieran hat sich durch die Insolvenz nichts geändert, weil die Weisungsbefugnis auch im sog. Sicherungsfall bestehen bleiben sollte. Auch die Chance einer Wertsteigerung des Treuhandvermögens lag nach dem Treuhandvertrag ebenso wie das Risiko einer Wertminderung bei der X-AG.

Hinweise: Zwar konnte die X-AG nach dem Treuhandvertrag nicht jederzeit die Rückgabe des Treuhandvermögens verlangen. Der Kläger konnte aber gleichwohl nicht uneingeschränkt wie ein zivilrechtlicher Eigentümer über das Treuhandvermögen verfügen, da er allein für Rechnung der X-AG handelte und an deren Weisungen gebunden war. Im Übrigen wäre es bei der hier vorliegenden doppelten bzw. doppelnützigen Treuhand gerade mit dem Treugeberinteresse unvereinbar, wenn eine jederzeitige Rückgabe vereinbart würde; denn das Treuhandvermögen sollte der Erfüllung der Pensionsansprüche der Arbeitnehmer im Sicherungsfall dienen.

Die doppelte Treuhand ergab sich daraus, dass neben dem Treugeber, der X-AG, auch die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen waren, deren Pensionsansprüche abgesichert wurden.

Offen gelassen hat der BFH die bilanzielle Behandlung des Treuhandvermögens. Die bilanzielle Behandlung hat im Übrigen nur eine indizielle Bedeutung für die tatsächliche Durchführung des Treuhandverhältnisses.

Treuhandvermögen, das der Absicherung von Pensionsverpflichtungen dient, wird erbschaftsteuerlich als begünstigtes Betriebsvermögen und nicht als sog. schädliches Verwaltungsvermögen behandelt.

Quelle: BFH, Urteil v. 4.5.2022 – I R 19/18; NWB