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Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung als Schätzungsgrundlage

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung, die bei einer formell ordnungswidrigen Buchführung häufig als Grundlage für die Schätzung des Gewinns dient. Er hat deshalb das Bundesfinanzministerium (BMF) zum sog. Beitritt in einem anhängigen Revisionsverfahren aufgefordert, damit es zur Richtsatzsammlung Stellung nehmen kann.

Hintergrund: Ist die Buchführung nicht ordnungsgemäß, kann der Gewinn geschätzt werden. Eine der gängigen Schätzungsmethoden ist der sog. äußere Betriebsvergleich, bei dem die Gewinnaufschlagsätze anderer Unternehmer derselben Branche herangezogen werden. Diese Richtsätze werden in einer Richtsatzsammlung dokumentiert, die von der Finanzverwaltung herausgegeben wird.

Sachverhalt: Die Klägerin betreibt eine Diskothek, deren Buchführung in den Streitjahren 2013 und 2014 formell ordnungswidrig war. Der Außenprüfer nahm daher eine Nachkalkulation vor und verprobte die Getränkeumsätze; auf diese Weise ermittelte er einen Rohgewinnaufschlagsatz von 400 %. Die Klägerin klagte hiergegen. In der ersten Instanz zog das Finanzgericht die Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung heran und legte einen Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % zugrunde, so dass die Klage nur teilweise Erfolg hatte. Hiergegen legte die Klägerin Revision beim BFH ein.

Entscheidung: Der BFH hat nun das BMF zum sog. Beitritt zum anhängigen Revisionsverfahren aufgefordert, damit das BMF das Zustandekommen der Richtsatzsammlung erläutern kann:

Zwar kann das Finanzamt bei fehlender Ordnungsmäßigkeit der Buchführung eine Schätzung vornehmen, und zwar auch durch einen sog. äußeren Betriebsvergleich, bei dem der Betrieb des Steuerpflichtigen mit den Betrieben anderer Unternehmer und den dort üblichen Rohgewinnaufschlägen verglichen wird. Ein derartiger Betriebsvergleich aufgrund der amtlichen Richtsatzsammlung ist von der Rechtsprechung bislang grundsätzlich als Schätzungsmethode anerkannt worden.

Allerdings ist von der Rechtsprechung bislang noch nicht geklärt, auf welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze beruhen, wie sie zustande kommen und ob dies ggf. die Tauglichkeit eines äußeren Betriebsvergleichs beeinträchtigen könnte.

Das BMF soll daher Stellung zu den Fragen nehmen,

  • welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze einfließen, wie die Repräsentativität der Daten sichergestellt wird und ob es Einzeldaten gibt, die von vornherein ausgeschlossen werden,
  • ob die regional zum Teil unterschiedlichen Fixkosten für z. B. Miete und Personal der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegenstehen,
  • weshalb die Ergebnisse von Außenprüfungen bei Verlustbetrieben unberücksichtigt bleiben, obwohl auch Verlustbetriebe grundsätzlich einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz ausweisen und
  • ob erfolgreiche Einsprüche gegen Änderungsbescheide, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, in die Richtsatzsammlung eingehen.

Außerdem ist bislang unklar, wie dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden kann, dass er das Ergebnis eines äußeren Betriebsvergleichs auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung, insbesondere auch die Daten, die in die Richtsatzsammlung einfließen, nachvollziehen und überprüfen kann.

Hinweise: Aufgrund des Beitrittsbeschlusses erhält das BMF jetzt eine beteiligtenähnliche Prozessstellung und ist gefordert, an der Aufklärung der vom BFH aufgeworfenen Fragen mitzuwirken. Ob der BFH die amtliche Richtsatzsammlung anerkennen wird oder ob er künftig höhere Anforderungen an die Datensammlung und Transparenz der Richtsatzsammlung stellen wird, ist derzeit offen.

Für die Steuerpflichtigen ist der Beitrittsbeschluss grundsätzlich positiv, weil die Anwendung der Richtsatzsammlung in der Praxis häufig zu hohen Hinzuschätzungen führt.

Quelle: BFH, Beschluss v. 14.12.2022 – X R 19/21; NWB

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