Gewinnzuschlag von 6 % bei der Rücklage für Veräußerungsgewinne verfassungsgemäß
Das Finanzgericht Nürnberg (FG) hält den gesetzlichen Zuschlag von 6 % pro Jahr bei Auflösung der Rücklage, die für bestimmte Veräußerungsgewinne gebildet werden kann, für verfassungsgemäß. Im Gegensatz zu Erstattungs- und Nachzahlungszinsen, die ohne den Willen des Steuerpflichtigen festgesetzt werden, ist die Bildung einer Rücklage für bestimmte Veräußerungsgewinne eine freiwillige Entscheidung des Unternehmers. Zudem soll durch den Gewinnzuschlag eine missbräuchliche Bildung der Rücklage verhindert werden.
Hintergrund: Ein Gewinn aus der Veräußerung einer betrieblichen Immobilie oder eines Schiffs kann durch eine Rücklage neutralisiert werden, die grundsätzlich innerhalb von vier Jahren auf ein neues Wirtschaftsgut (Immobilie oder Schiff) übertragen werden muss (sog. Reinvestition). Die Rücklage mindert dann die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen auf das neue Wirtschaftsgut. Unterbleibt eine Reinvestition, muss die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden und wird um einen sog. Gewinnzuschlag von 6 % jährlich erhöht.
Streitfall: Der Kläger bildete 2012 eine Rücklage für einen Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks. Er führte in den folgenden vier Jahren die erforderliche Reinvestition nicht durch und löste die Rücklage im Jahr 2016 gewinnerhöhend auf. Das Finanzamt setzte einen Gewinnzuschlag von 6 % für vier Jahre an; dies führte zu einem Gewinnzuschlag von insgesamt 3.205 €. Der Kläger wandte sich gegen den Gewinnzuschlag mit der Begründung, dass der Satz von 6 % p.a. ebenso wie bei den Nachzahlungs- und Erstattungszinsen verfassungswidrig sei.
Entscheidung: Das FG wies die Klage ab:
- Der Gewinnzuschlag von 6 % ist verfassungsgemäß, da es ausreichende Rechtfertigungsgründe für den gesetzlichen Ansatz von 6 % gibt. So bezweckt der Gewinnzuschlag einen pauschalen Ausgleich der steuerlichen Vorteile, die sich aus der Bildung der Rücklage ergeben. Außerdem soll eine missbräuchliche Bildung der Rücklage verhindert werden.
- Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 2021 den Zinssatz von 6 % bei Nachzahlungs- und Erstattungszinsen als verfassungswidrig angesehen, und zwar grundsätzlich bereits für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014; nur aufgrund einer sog. Fortgeltungsanordnung, die haushaltsrechtliche Gründe hat, gilt die Verfassungswidrigkeit erst für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019.
- Jedoch lässt sich die Begründung des BVerfG nicht auf den Gewinnzuschlag übertragen. Denn die Zinsen dienen allein dem Vorteilsausgleich; hingegen soll der Gewinnzuschlag eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Rücklage verhindern. Außerdem ist die Bildung der Rücklage freiwillig.
Hinweise: In den Steuergesetzen gibt es verschiedene materiell-rechtliche Regelungen, die bei der Bewertung von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen oder – wie im Streitfall – bei einem Gewinnzuschlag Prozentsätze vorsehen, die meist 5,5 % oder 6 % betragen. Derzeit ist umstritten, ob sich die Entscheidung des BVerfG zur verfassungswidrigen Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen ab dem 1.1.2019 auch auf diese materiell-rechtlichen Regelungen mittelbar auswirken kann.
Quelle: FG Nürnberg, Urteil v. 18.5.2022 – 3 K 301/19; NWB