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Steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene verlängert

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat aufgrund der anhaltenden Corona-Krise einzelne, bereits bestehende coronabedingte Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene bis zum 31.12.2022 verlängert.

Hintergrund: Die Corona-Krise ist u.a. für gemeinnützige Vereine auch unter steuerlichen Gesichtspunkten ein Problem, wenn sie z.B. Mittel für Betroffene der Corona-Krise verwenden wollen. Das BMF hat daher in mehreren Schreiben des Jahres 2020 Erleichterungen gewährt, die bis zum 31.12.2021 befristet waren.

Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens: Dem BMF zufolge gelten die bis zum 31.12021 gewährten steuerlichen Erleichterungen für alle Maßnahmen fort, die bis zum 31.12.2022 durchgeführt werden.

Dabei handelt es sich u.a. um die folgenden Maßnahmen:

  • Bei Spenden auf Sonderkonten für Corona-Betroffene, die z.B. von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von Wohlfahrtsverbänden eingerichtet worden sind, genügt der vereinfachte Zuwendungsnachweis, d.h. der Überweisungsträger, um die Spende steuerlich absetzen zu können.
  • Gemeinnützige Vereine dürfen Mittel, die sie im Rahmen einer Sonderaktion für Corona-Betroffene erhalten haben, für Corona-Betroffene verwenden, auch wenn dies von ihrer Satzung nicht gedeckt ist. Hierbei sind aber noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen, z.B. die Prüfung der Bedürftigkeit der unterstützten Person.
  • Gemeinnützige Vereine dürfen auch Räume oder Personal für Corona-Betroffene verwenden, ohne dass dies die Gemeinnützigkeit gefährdet.
  • Unternehmer können Unterstützungsmaßnahmen für Corona-Betroffene als Betriebsausgaben absetzen.
  • Arbeitnehmer können einen Teil ihres Arbeitslohns zugunsten Corona-Betroffener spenden, indem der Arbeitgeber diesen Teil des Arbeitslohns auf ein Spendenkonto zugunsten der Corona-Hilfe einzahlt. Dieser Teil des Arbeitslohns muss dann nicht versteuert werden, wenn entsprechende Aufzeichnungen im Lohnkonto gefertigt werden.

Hinweise: Die bisherigen BMF-Schreiben enthielten auch noch umsatzsteuerliche Erleichterungen, die durch das aktuelle Schreiben nicht bis zum 31.12.2022 verlängert wurden. Dies liegt jedoch daran, dass die umsatzsteuerlichen Erleichterungen nunmehr durch ein gesondertes BMF-Schreiben gewährt werden. Zu den umsatzsteuerlichen Erleichterungen gehört z.B. der Verzicht auf die Umsatzbesteuerung unentgeltlicher Hilfsmaßnahmen von Unternehmen als sog. unentgeltliche Wertabgabe.

BMF-Schreiben v. 15.12.2021 – IV C 4 – S 2223/19/10003 :006; NWB

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Fast-Food-Essen im Einkaufszentrum

Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für die Lieferung von Essen kann für Umsätze eines Fast-Food-Restaurants in einem Einkaufszentrum gewährt werden, auch wenn sich in dem Einkaufszentrum ein sog. Food Court befindet, an dem sich für alle Besucher des Einkaufszentrums Tische und Stühle befinden. Der ermäßigte Steuersatz wird dann gewährt, wenn aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dem Restaurantkunden die Nutzungsmöglichkeit des Food Courts vom Betreiber des Einkaufszentrums eingeräumt wird oder wenn der Food Court gerade geschlossen ist oder wenn der Restaurantkunde erklärt, den Food Court nicht nutzen zu wollen.

Hintergrund: Die Lieferung von Essen wird grundsätzlich ermäßigt mit 7 % Umsatzsteuer besteuert. Hingegen unterliegen Dienstleistungen im kulinarischen Bereich dem allgemeinen Steuersatz von 19 % (zur aktuellen Rechtslage aufgrund der Corona-Krise siehe Hinweis unten).

Eine Dienstleistung wird angenommen, sobald neben der Lieferung von Essen noch Dienstleistungselemente hinzutreten wie z.B. die Bedienung, oder z.B. eine Sitzmöglichkeit oder eine Garderobe zur Verfügung gestellt werden. Der Verkauf eines einfachen Essens wie eines Hamburgers zum Mitnehmen unterliegt daher einer Umsatzsteuer von 7 %. Kann sich der Gast im Restaurant jedoch hinsetzen, handelt es sich um eine Dienstleistung, die mit 19 % besteuert wird (zur aktuellen Ausnahme s. unten im Hinweis).

Sachverhalt: Die Klägerin betrieb ein Fast-Food-Restaurant in einem Einkaufszentrum. Dabei handelte es sich um einen Laden mit einer Fläche von 114 qm zzgl. 20 qm Nebenfläche. Für die Kunden gab es im Restaurant weder Stühle noch Tische. In dem Einkaufszentrum befand sich allerdings ein sog. Food Court, der von jedem Besucher des Einkaufszentrums genutzt werden konnte. Nach dem Mietvertrag der Klägerin durften ihre Gäste den Food Court benutzen, ohne dass es einen abgesperrten Bereich für die Gäste der Klägerin gab. Das Finanzamt versagte den ermäßigten Steuersatz und besteuerte die Umsätze der Klägerin im Jahr 2011 mit 19 %.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt den ermäßigten Umsatzsteuersatz für möglich und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Ob es sich um eine ermäßigt besteuerte Lieferung von Essen oder aber um eine regulär besteuerte Dienstleistung handelt, richtet sich nach der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers. Erbringt die Klägerin aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers neben der Lieferung von Essen auch noch Dienstleistungselemente, handelt es sich um eine Dienstleistung, so dass der Umsatzsteuersatz von 19 % gilt.
  • Als Dienstleistungselement kommt hier die Sitzmöglichkeit zwecks Verzehrs des Essens im Food Court in Betracht. Entscheidend ist damit, ob diese Sitzmöglichkeiten aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers vom Betreiber des Einkaufszentrums bereitgestellt werden – in diesem Fall würde der ermäßigte Steuersatz gelten – oder ob diese Sitzmöglichkeiten aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers von der Klägerin zur Verfügung gestellt werden; dies wäre dann ein Dienstleistungselement der leistenden Klägerin, so dass eine Leistung vorliegen würde, die mit 19 % zu besteuern wäre.
  • Für ein Dienstleistungselement seitens der Klägerin könnte es sprechen, wenn sie das Fast-Food-Essen auf Tabletts ausreichen würde. Denn dann wird dem Gast klar, dass er das Tablett mit dem Essen zu einem Verzehrort in der Nähe bringen und dort verzehren kann.

Hinweise: Das FG muss nun aufklären, welche Sicht ein Durchschnittsverbraucher hatte. Dabei kommt der Aushändigung der Speisen auf einem Tablett eine wichtige Bedeutung zu. Auf die Art des Tabletts kommt es hingegen nicht an, so dass es irrelevant ist, ob es sich um ein einfaches, flaches Tablett handelt oder aber um ein sog. Mensa-Tablett, das so unterteilt ist, dass es einen Teller ersetzt.

Sollte die Nutzungsmöglichkeit des Food Court aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers als Leistung der Klägerin erscheinen, führt dies nicht durchgehend zur Anwendung des regulären Umsatzsteuersatzes. Soweit z. B. der einzelne Kunde bei der Entgegennahme des Essens erklärt haben sollte, dass er den Food Court nicht nutzen will, oder soweit der Food Court geschlossen war (wegen unterschiedlicher Öffnungszeiten des Restaurants und des Food Courts), handelt es sich um eine Essenslieferung ohne Dienstleistungselemente, für die der ermäßigte Steuersatz greift.

Bietet ein Restaurant ein kulinarisches Niveau oberhalb des Fast-Food-Bereichs, handelt es sich ohnehin um eine Dienstleistung, weil das Dienstleistungselement in der Zubereitung des Essens steckt. Im Streitfall ging es jedoch um Fast Food wie z.B. Hamburger oder Döner Kebap.

Aufgrund der Corona-Krise hat der Gesetzgeber den Umsatzsteuersatz für Speisen im Restaurant auf 7 % bis zum 31.12.2022 herabgesetzt; dies gilt nicht für Getränke.

BFH, Urteil v. 26.8.2021 – V R 42/20; NWB

Kein strukturelles Vollzugsdefizit bei Unternehmen mit hohem Anteil an Bareinnahmen

Bei sog. bargeldintensiven Unternehmen, die also vor allem Bareinnahmen erzielen, bestand im Jahr 2015 kein strukturelles Vollzugsdefizit, welches zur Verfassungswidrigkeit der Steuerpflicht von Einkünften aus Gewerbebetrieb führen würde. Der Gesetzgeber hat der Finanzverwaltung nämlich zahlreiche Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeiten eingeräumt und zudem auch seit 2016 noch weitere gesetzliche Verschärfungen verabschiedet, die sich auf den Vollzug innerhalb der Verjährungsfrist auswirken können.

Hintergrund: Bestimmte Branchen sind bargeldintensiv und haben einen hohen Anteil an Bareinnahmen, z.B. Gaststätten oder Kfz-Werkstätten. Hier besteht die Gefahr, dass Betriebseinnahmen erklärt und Steuern hinterzogen werden. Nach dem Gesetz können Bareinnahmen durch elektronische Registrierkassen, PC-Kassen oder durch sog. offene Ladenkassen, wie z.B. in einem Schuhkarton, erfasst werden.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine Personengesellschaft, die mehrere Hotels und Gaststätten betrieb. Die Klägerin machte für das Streitjahr 2015 geltend, dass ihre Einnahmen zu einem Anteil von 144.000 € nicht besteuert werden dürften, weil bei bargeldintensiven Betrieben ein Anteil von ca. 15 % hinterzogen werde. Der Betrag von 144.000 € liege unter Berücksichtigung eines Unsicherheitszuschlags unterhalb von 15 %. Es bestehe ein strukturelles Vollzugsdefizit, so dass das Unternehmen der Klägerin nicht schlechter gestellt werden dürfe als bargeldintensive Betriebe, die Steuern hinterzögen und nicht ausreichend kontrolliert würden.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Ein strukturelles Vollzugsdefizit liegt nur dann vor, wenn die gesetzlichen Regelungen und die gesetzlichen Vollziehungsmöglichkeiten dazu führen, dass die Besteuerung nicht durchgesetzt werden kann. Es muss also ein Widerspruch bestehen zwischen der gesetzlichen Besteuerungsnorm und der Erhebungs- bzw. Vollziehungsnorm, die nicht auf Durchsetzung der Besteuerungsnorm angelegt ist. Bloße Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können, führen allerdings nicht zu einem strukturellen Vollzugsdefizit.
  • Im Jahr 2015 gab es kein strukturelles Vollzugsdefizit bei bargeldintensiven Betrieben, insbesondere Gaststätten. Der Gesetzgeber hat bargeldintensiven Unternehmen nämlich nicht nur Erklärungspflichten in Gestalt der Abgabe von Steuererklärungen und Gewinnermittlungen auferlegt, sondern sie auch zur Aufzeichnung sowie Aufbewahrung von Geschäftsvorfällen verpflichtet. Diese Pflichten können ohne weitere Voraussetzungen durch eine Außenprüfung überprüft werden. Dabei kann die Finanzverwaltung auch einen sog. Prüfungsschwerpunkt für bargeldintensive Betriebe bilden und diese besonders intensiv prüfen. Ferner kann das Finanzamt auch die Richtsatzsammlungen heranziehen, in denen u.a. die Rohgewinnaufschläge zahlreicher Betriebe derselben Branche erfasst werden, und diese mit den Rohgewinnaufschlägen des geprüften Betriebs vergleichen.
  • Das Finanzamt kann neben der Außenprüfung auch weitere Kontrollen durchführen, z.B. eine Umsatzsteuer-Nachschau, oder Kontrollmitteilungen fertigen und auswerten.
  • Außerdem hat der Gesetzgeber nach Ablauf des Jahres 2015 weitere Vorschriften erlassen, die den Vollzug der Erklärungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten ermöglichen sollen. So gibt es seit dem 1.1.2018 eine Kassen-Nachschau. Zwar sind die Neuregelungen erst nach dem Streitjahr eingeführt worden; sie können sich aber typischerweise auf den Vollzug innerhalb der allgemeinen vierjährigen Festsetzungsfrist auswirken.
  • Selbst wenn im Jahr 2015 ein tatsächliches Vollzugsdefizit bestanden haben sollte, wäre dies jedenfalls nicht dem Gesetzgeber zuzurechnen, weil er ausreichende Regelungen für den Vollzug der Steuergesetze geschaffen hat. Sofern die Finanzverwaltung etwa nicht genügend Prüfer haben sollte, wäre dies kein spezifisches Problem der Besteuerung von bargeldintensiven Betrieben, sondern eine generelle Frage der Personalpolitik der Finanzverwaltung, die dem Gesetzgeber nicht zugerechnet werden kann.

Hinweise: Der BFH hat zwar die Klage abgewiesen, den Gesetzgeber aber nicht ganz aus der Pflicht entlassen. Vielmehr weist der BFH den Gesetzgeber darauf hin, dass er die offensichtlich bestehenden Vollzugsprobleme bei der Besteuerung von Betrieben mit offener Ladenkasse sorgsam beachten muss; zudem muss der Gesetzgeber alsbald prüfen, ob die seit 2016 in Kraft getretenen Gesetze zu einer Verbesserung bei der Erhebung und beim Vollzug geführt haben.

BFH, Urteil v. 16.9.2021 – IV R 34/18; NWB

Finanzverwaltung verlängert Reinvestitionsfrist für Rücklage für Ersatzbeschaffung

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat – wie bereits zum Vorjahr – die Frist für die Reinvestition verlängert, wenn eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet worden ist. Die Reinvestitionsfrist wird grundsätzlich auf den 31.12.2022 verlängert, so dass zum 31.12.2021 keine Rücklage für Ersatzbeschaffung gewinnerhöhend aufzulösen ist.

Hintergrund: Scheidet ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt wie z.B. aufgrund eines Brandes aus dem Betriebsvermögen aus, ersetzt häufig die Versicherung den Schaden. Ist der Versicherungsersatz höher als der Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts, erhöht dieser Mehrbetrag, den man stille Reserven nennt, den Gewinn. Die Finanzverwaltung räumt dem Unternehmer in diesem Fall die Möglichkeit ein, den Gewinn durch eine sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung zu neutralisieren. Die Rücklage kann dann auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden und mindert dessen Anschaffungskosten und damit auch die Abschreibungen für das Ersatzwirtschaftsgut. Die Ersatzbeschaffung muss aber innerhalb einer bestimmten Frist (Reinvestitionsfrist) erfolgen (s. auch Hinweise unten). Bereits zum 31.12.2020 hatte das BMF die Reinvestitionsfrist um ein Jahr verlängert.

Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens: Dem BMF zufolge muss zum 31.12.2021 keine Rücklage für Ersatzbeschaffung aufgelöst werden.

Im Einzelnen gilt:

  • Die Reinvestitionsfrist für die Rücklage für Ersatzbeschaffung wird um zwei Jahre verlängert, wenn die Rücklage an sich bereits am 31.12.2020 hätte aufgelöst werden müssen und nur aufgrund des zum 31.12.2020 ergangenen BMF-Schreibens um ein Jahr verlängert worden ist.

    Hinweis: Die Fristverlängerung gilt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen gewesen wäre.

  • Ist die Rücklage an sich zum 31.12.2021 aufzulösen, verlängert sich die Reinvestitionsfrist um ein Jahr zum 31.12.2022.

    Hinweis: Die Fristverlängerung von einem Jahr gilt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre.

Hinweise: Die Rücklage kann gebildet werden, wenn die Ersatzbeschaffung nicht im selben Jahr, in dem das Wirtschaftsgut ausscheidet, erfolgt. Für die Ersatzbeschaffung hat der Unternehmer grundsätzlich bis zum Ende des Folgejahres Zeit. Bei bestimmten Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wie z.B. Immobilien oder Binnenschiffen beträgt die Reinvestitionsfrist vier Jahre. Für die Neuherstellung eines zerstörten Gebäudes hat der Unternehmer sogar sechs Jahre Zeit.

Die Fristverlängerung beruht auf der Corona-Krise. Der Gesetzgeber hat bereits vor kurzem die gesetzlichen Fristen für vergleichbare (Re-)Investitionsfristen ebenfalls um ein Jahr verlängert: So hat er die Reinvestitionsfrist für die Rücklage, die für den Gewinn aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter gebildet werden darf, um ein Jahr verlängert, und er hat die Investitionsfrist, die bei der Bildung eines Investitionsabzugsbetrags greift, für die zum 31.12.2017 und 31.12.2018 gebildeten Investitionsabzugsbeträge um ein Jahr verlängert.

BMF-Schreiben v. 15.12.2021 – IV C 6 – S 2138/19/10002 :003; NWB

Festsetzungsverjährung bei umsatzsteuerlicher Rückabwicklung der sog. Bauträgerfälle

Das Finanzamt kann in den sog. Bauträgerfällen die Umsatzsteuer nicht mehr gegenüber dem Bauunternehmer festsetzen, wenn bei ihm bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung beim Bauunternehmer wird nicht gehemmt, wenn der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch des Bauträgers erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung für den Bauunternehmer entsteht. Von Bauträgerfällen spricht man, wenn ein Bauunternehmer bis 2013 eine Bauleistung an einen Bauträger erbracht hat und beide zu Unrecht von der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ausgegangen sind, so dass der Bauträger die Umsatzsteuer abgeführt hat.

Hintergrund: Bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Jahr 2013 gingen nicht nur die Finanzverwaltung, sondern auch Bauunternehmer und Bauträger davon aus, dass bei Bauleistungen eines Bauunternehmers an einen Bauträger das sog. Reverse-Charge-Verfahren gilt, d.h. dass die Umsatzsteuer vom Bauträger und damit vom Leistungsempfänger abzuführen ist. Der BFH sah dies im Jahr 2013 jedoch anders: Der Bauunternehmer hätte die Umsatzsteuer abführen müssen. Seitdem versuchen viele Bauträger, die von ihnen zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückzubekommen. Parallel hierzu bemühen sich die Finanzämter, die Umsatzsteuer gegenüber den Bauunternehmern festzusetzen. Der Gesetzgeber hat auf diese Problemlage reagiert und die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Bauunternehmer zwar grundsätzlich zugelassen, dem Bauunternehmer aber die Möglichkeit eingeräumt, seinen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Bauträger auf Zahlung der noch ausstehenden Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine KG und betrieb eine Tischlerei. Sie erbrachte im Jahr 2009 Bauleistungen an den Bauträger X. Die Umsatzsteuer führte X nach dem Reverse-Charge-Verfahren an das Finanzamt ab. Die Klägerin gab ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 im Jahr 2010 ab, ohne in dieser die Umsätze an X zu erfassen. Nachdem der BFH im Jahr 2013 entschieden hatte, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an Bauträgern nicht anwendbar ist, stellte X am 31.12.2014 bei seinem Finanzamt einen Antrag auf Erstattung der für 2009 aufgrund der Bauleistungen der Klägerin abgeführten Umsatzsteuer. Das Finanzamt, das für die Klägerin zuständig war, änderte am 26.3.2018 die Umsatzsteuerfestsetzung der Klägerin für 2009 und setzte die Umsatzsteuer aufgrund der von der Klägerin an X erbrachten Bauleistungen fest.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Das Finanzamt durfte im Jahr 2018 keine Umsatzsteuer mehr für 2009 festsetzen, da im Jahr 2018 bereits Verjährung eingetreten war. Die Klägerin hatte ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 im Jahr 2010 abgegeben, so dass die vierjährige Verjährung am 1.1.2011 begann und am 31.12.2014 endete.
  • Eine Ablaufhemmung trat nicht ein. Zwar endet nach dem Gesetz die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch noch nicht verjährt ist. Dies setzt aber voraus, dass der Erstattungsanspruch (des X) bereits vor Ablauf der Festsetzungsfrist (für die Klägerin) entstanden ist. Der Erstattungsanspruch des X konnte aber frühestens am 1.1.2015 entstehen, da er den Antrag auf Erstattung erst am 31.12.2014 gestellt hat; am 1.1.2015 war aber für die Klägerin bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine bereits eingetretene Festsetzungsverjährung kann nicht durch eine Ablaufhemmung erneut beginnen und damit „wiederbelebt“ werden; eine Ablaufhemmung kann nur den Ablauf einer noch laufenden Festsetzungsfrist hemmen.
  • Andere Korrekturvorschriften, die gegebenenfalls zu anderen Verjährungsregelungen geführt hätten, waren nicht anwendbar.

Hinweise: Das Urteil hat erhebliche Bedeutung, weil es zahlreiche Fälle der Rückabwicklung im Bereich der sog. Bauträgerfälle und vergleichbarer Leistungsempfänger gibt, die selbst keine Bauleistung erbracht haben, so dass das Reverse-Charge-Verfahren nicht anwendbar war.

Für das Finanzamt ist das Urteil bitter: Denn es muss dem Erstattungsantrag des X nachkommen, ohne dass es sich die Umsatzsteuer von der Klägerin „zurückholen“ kann. Hierzu hätte das Finanzamt schneller tätig werden müssen.

BFH, Urteil v. 27.7.2021 – V R 3/20; NWB