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Umsatzsteuer auf Zuschüsse einer Gemeinde für einen Verein

Zuschüsse einer Gemeinde an einen Verein für die Bewirtschaftung der ihm dauerhaft überlassenen Sportanlage unterliegen nicht der Umsatzsteuer, wenn der Verein nicht zu Gegenleistungen verpflichtet ist und der Verein auch keine Aufgaben der Gemeinde übernimmt.

Hintergrund: Der Umsatzsteuer unterliegt ein Entgelt für eine Leistung. Hingegen sind sog. echte Zuschüsse kein Entgelt.

Sachverhalt: Der Kläger war ein Sportverein, der aufgrund eines langfristigen Nutzungsvertrags mit der Gemeinde die gemeindliche Sportanlage unentgeltlich nutzen durfte. Nach diesem Nutzungsvertrag musste der Kläger die Anlage instandhalten und pflegen. Hierfür erhielt er von der Gemeinde jährliche Zuschüsse in den Jahren 2011 bis 2014 von jährlich ca. 13.000 €. Außerdem erhielt der Kläger im Jahr 2014 noch einen gesonderten Zuschuss von ca. 35.000 € für bestimmte Modernisierungsmaßnahmen. Der Kläger behandelte die Zuschüsse als nicht umsatzsteuerbar, zog aber die Vorsteuer aus den Instandhaltungs- und Baumaßnahmen zu ca. 70 % ab. Das Finanzamt unterwarf die Zuschüsse der Umsatzsteuer.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht der ersten Instanz zurück:

  • Die Zuschüsse waren nicht umsatzsteuerbar, da es sich um sog. echte Zuschüsse handelte, die ohne Gegenleistung, d.h. ohne Leistungsaustausch gezahlt wurden. Eine Umsatzsteuerbarkeit ist nur dann zu bejahen, wenn es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Leistung und einem Entgelt gibt.
  • Ob es sich um ein Entgelt oder um einen echten Zuschuss handelt, hängt von dem Zahlungsempfänger und dem Förderungsziel ab. Im Streitfall ging es der Gemeinde nicht darum, konkrete Betreiberleistungen vom Verein (Kläger) für sich zu beziehen. Denn die Nutzungsüberlassung der Sportanlage war langfristig und unentgeltlich erfolgt, und der Kläger war nicht verpflichtet, bestimmte Sportangebote vorzuhalten. Vielmehr sollten es die Zuschüsse dem Kläger ermöglichen, die Sportanlage zu nutzen. Zudem gehörten auch weder das Bereithalten der Sportanlage noch ein gewisses Sportangebot zu den Pflichtaufgaben der Gemeinde, so dass der Kläger auch keine Aufgaben der Gemeinde übernahm.
  • Die Sache ist an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen worden, damit dieses die Berechtigung zum Vorsteuerabzug überprüfen kann.

Hinweise: Der Kläger leitete seine Berechtigung zum Vorsteuerabzug daraus ab, dass er Sportveranstaltungen mit zahlenden Zuschauern durchführte und das Sportheim auch für seinen Gaststättenbetrieb nutzte und insoweit jeweils umsatzsteuerbare und -pflichtige Umsätze ausführte. Dies muss das FG nun überprüfen.

Die Abgrenzung zwischen umsatzsteuerbarem Entgelt und nicht umsatzsteuerbaren Zuschüssen wird etwa bei Forschungszuschüssen relevant. Für die Umsatzsteuerbarkeit spricht es, wenn der Zuschussempfänger dem Zuschussgeber die Forschungsleistung zuwenden soll. Hier prüft man u.a., welchen Zweck der Zuschussgeber verfolgt.

BFH, Urteil v. 18.11.2021 – V R 17/20; NWB

Verzicht auf Umsatzsteuerbefreiung bei Übertragung des hälftigen Miteigentums

Erwerben Ehegatten beim Kauf einer Immobilie jeweils das hälftige Miteigentum und verzichtet der Verkäufer auf die gesetzliche Steuerfreiheit für Grundstücksübertragungen, schuldet jeder der Miteigentümer-Ehegatten die aufgrund des Verzichts für seinen Miteigentumsanteil entstehende Umsatzsteuer. Ein Umsatzsteuerbescheid, der sich an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die sich aus den Ehegatten zusammensetzt, richtet, wäre hingegen rechtswidrig, weil die GbR nicht Schuldnerin der Umsatzsteuer ist.

Hintergrund: Grundstücksübertragungen, die der Grunderwerbsteuer unterliegen, sind zwar umsatzsteuerfrei. Der Verkäufer kann aber im Grundstückskaufvertrag auf die Steuerfreiheit verzichten, so dass Umsatzsteuer entsteht; diese Umsatzsteuer schuldet dann der Leistungsempfänger nach dem sog. Reverse-Charge-Verfahren. Danach entsteht bei bestimmten Umsätzen die Umsatzsteuer aufseiten des Leistungsempfängers.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GbR, die aus den Eheleuten G bestand. Mit notariellen Kaufverträgen vom 20.8.2012 erwarben die Eheleute jeweils zu hälftigem Miteigentum zwei noch zu errichtende Wohnungen, die sie vermieten wollten. Nach den Kaufverträgen verzichtete der Verkäufer auf die gesetzliche Umsatzsteuerfreiheit. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Umsatzsteuerschuld auf die GbR übergegangen sei und erließ im Jahr 2015 einen Umsatzsteuerbescheid gegenüber der GbR (Klägerin). Hiergegen wehrte sich die Klägerin.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Die GbR war nicht Schuldnerin der Umsatzsteuer. Verzichtet der Verkäufer im notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück auf die gesetzliche Umsatzsteuerfreiheit, wird der Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer.
  • Wer Steuerschuldner ist, richtet sich nach dem Kaufvertrag. Denn zum einen beruht die gesetzliche Umsatzsteuerfreiheit auf einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang, der im Streitfall der Kaufvertrag war. Zum anderen ergibt sich auch der Verzicht auf die gesetzliche Steuerfreiheit aus dem Kaufvertrag.
  • Nach dem Kaufvertrag erwarb jeder der beiden Ehegatten einen einzelnen Miteigentumsanteil. Daher war jeder Ehegatte Schuldner der auf ihn entfallenden Umsatzsteuer, nicht aber die GbR. Das Finanzamt hat den Umsatzsteuerbescheid daher zu Unrecht gegenüber der GbR erlassen.

Hinweise: Anders wäre der Fall zu entscheiden gewesen, wenn die GbR das vollständige Eigentum an den beiden Wohnungen erworben hätte. In diesem Fall hätte der Umsatzsteuerbescheid an die GbR gerichtet werden müssen.

Ob tatsächlich eine GbR bestand, brauchte der BFH nicht zu entscheiden. Denn in jedem Fall war nur der jeweilige Ehegatte Schuldner der Umsatzsteuer. Gleichwohl konnte die GbR klagen, und zwar auch dann, wenn es sie gar nicht gegeben haben sollte; denn wenn sich ein Steuerbescheid gegen eine Personengesellschaft richtet, darf die angebliche Personengesellschaft gegen diesen Bescheid klagen, um den Rechtsschein, den der Bescheid erzeugt, zu beseitigen.

Grunderwerbsteuerlich ist jeder Ehegatte einzeln zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen, wenn die Ehegatten gemeinsam ein Grundstück zu gemeinschaftlichem Eigentum erwerben. Jeder Ehegatte ist dann Schuldner der auf ihn entfallenden Grunderwerbsteuer; eine Gesamtschuldnerschaft besteht nicht. Diese Grundsätze werden umsatzsteuerlich übernommen, weil das Umsatzsteuerrecht beim Erwerb von Immobilien an das Grunderwerbsteuerrecht anknüpft.

Der Verzicht auf die gesetzliche Umsatzsteuerfreiheit löst zwar Umsatzsteuer aus. Will der Erwerber die Immobilie aber umsatzsteuerpflichtig vermieten, kann er die aufgrund des Erwerbs entstehende Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.

BFH, Urteil v. 25.11.2021 – V R 44/20; NWB

Insolvenzverwaltervergütung ist keine außergewöhnliche Belastung

  • Die Vergütung für einen Insolvenzverwalter ist nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar. Es handelt sich nämlich nicht um eine außergewöhnliche Aufwendung, da die Überschuldung eine Vielzahl von Steuerpflichtigen trifft.

Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind steuerlich absetzbar. Bei außergewöhnlichen Belastungen handelt es sich um Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, und zwar in einem größeren Umfang als der überwiegenden Anzahl der Steuerpflichtigen. Ein typisches Beispiel sind Krankheitskosten oder Schäden infolge einer Naturkatastrophe.

Sachverhalt: Über das Vermögen des X wurde im Jahr 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Insolvenzgericht setzte die Vergütung des Klägers im September 2012 auf ca. 3.760 € fest; der Kläger entnahm die Vergütung aus dem eingerichteten Treuhandkonto. Im November 2012 wurde dem X die Restschuldbefreiung angekündigt und der Kläger zum Treuhänder bestellt. Im Januar 2013 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben; allerdings ordnete das Insolvenzgericht bezüglich der Einkommensteuererstattungsansprüche, für die der Sachverhalt während der Dauer des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden war, die sog. Nachtragsverteilung an. Der Kläger reichte anschließend für den X die Einkommensteuererklärung für 2012 ein und machte die Insolvenzverwaltervergütung als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt erkannte diese nicht an und gab den Bescheid gegenüber dem Kläger bekannt.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte eine außergewöhnliche Belastung des X nicht an und wies die Klage ab:

  • Zwar hat der X die Insolvenzverwaltervergütung gezahlt, da sie von seinem Treuhandkonto entnommen worden ist. Das Treuhandkonto gehörte zum Vermögen des X. Die hieraus resultierende Belastung ist nicht dadurch entfallen, dass dem X nach Abschluss des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erteilt worden ist; denn von der Restschuldbefreiung werden nicht die Kosten des Insolvenzverfahrens erfasst.
  • Die Insolvenzverwaltervergütung ist aber nicht außergewöhnlich und erfüllt deshalb nicht die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung. Die Überschuldung von Privatpersonen ist nämlich kein gesellschaftliches Randphänomen, sondern das Verbraucher-Insolvenzverfahren wurde bis Ende 2019 für ca. 2,13 Mio. Privatpersonen durchgeführt.

Hinweise: Der BFH hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest. Nach der bisherigen Rechtsprechung konnte der Steuerpflichtige eine Insolvenztreuhändervergütung insbesondere dann als außergewöhnliche Belastungen geltend machen, wenn er die Ursache seiner Überschuldung nicht selbst gesetzt hat. In seinem aktuellen Urteil macht der BFH deutlich, dass eine Insolvenz mehrere Ursachen haben kann, z.B. eine Scheidung, der Tod des Partners, eine Krankheit, eine gescheiterte Selbständigkeit oder ein zu niedriges Einkommen. Eine Verschuldensprüfung kann daher durch die Finanzämter und Finanzgerichte nicht erfolgen.

Der Hinweis des BFH auf die fehlende Außergewöhnlichkeit ist nicht ganz überzeugend. Denn auch Krankheitskosten treten bei Millionen Menschen auf und werden dennoch als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.

Aufgrund des Nachtragsverteilungsverfahrens war der Kläger als Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder berechtigt, die Einkommensteuererklärung für den X für 2012 zu erstellen und auch gegen den Einkommensteuerbescheid vorzugehen.

BFH, Urteil v. 16.12.2021 – VI R 41/18; NWB

Vorsteuerabzug aus der Rechnung eines sog. Ist-Versteuerers

Nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann der Unternehmer die Umsatzsteuer aus der an ihn gerichteten Rechnung eines Ist-Versteuerers erst dann geltend machen, wenn er die Rechnung bezahlt. Es genügt also nicht, dass die Leistung ausgeführt worden ist und die Rechnung vorliegt. Das Urteil des EuGH widerspricht damit der umsatzsteuerlichen Rechtslage in Deutschland.

Hintergrund: Grundsätzlich gilt im Umsatzsteuerrecht die sog. Soll-Versteuerung. Das heißt, der Unternehmer muss die Umsatzsteuer abführen, sobald er die Leistung ausgeführt hat. In bestimmten Fällen, z. B. bei Unternehmern mit Umsätzen von maximal 600.000 € jährlich oder bei Freiberuflern, kann auf Antrag die sog. Ist-Versteuerung erfolgen: Der Unternehmer muss die Umsatzsteuer dann erst im Zeitpunkt der Bezahlung seiner Ausgangsrechnung abführen. In beiden Fällen (Soll- und Ist-Versteuerung) kann der Leistungsempfänger nach bisheriger Praxis die Vorsteuer aber dann geltend machen, wenn die Leistung an ihn ausgeführt worden ist und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt; auf die Bezahlung der Rechnung kommt es für den Vorsteuerabzug nach deutschem Recht also nicht an.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine Hamburger Grundstücksgemeinschaft, die ein Grundstück umsatzsteuerpflichtig angemietet und umsatzsteuerpflichtig weitervermietet hatte. Der Vermieter war ein Ist-Versteuerer und führte die Umsatzsteuer aus den Mietzahlungen der Klägerin erst im Zeitpunkt der Mietzahlung der Klägerin ab. Die Klägerin war aufgrund der Umsatzsteuerpflicht ihrer Vermietung grundsätzlich zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Vermieters berechtigt; eine ordnungsgemäße Rechnung lag in Gestalt des Mietvertrags vor. Die Klägerin zahlte die Mieten für 2009 bis 2012 aufgrund einer mit dem Vermieter vereinbarten Stundung aber erst in den Jahren 2013 bis 2016. Sie machte die Vorsteuer aus der Miete für 2009 bis 2012 erst in den Jahren 2013 bis 2016 geltend. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Vorsteuer in den Veranlagungszeiträumen 2009 bis 2012 hätte geltend gemacht werden müssen, die allerdings bereits verjährt waren. Das Finanzgericht Hamburg (FG) legte den Fall dem EuGH vor.

Entscheidung: Der EuGH folgte der Rechtsauffassung der Klägerin:

  • Nach europäischem Recht ist der Vorsteuerabzug an den Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer geknüpft. Die Vorsteuer aus einer Leistung kann also erst dann geltend gemacht werden, wenn der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer abführen muss.
  • Ist der leistende Unternehmer ein Ist-Versteuerer, muss er die Umsatzsteuer erst im Zeitpunkt der Zahlung an das Finanzamt abführen. Daher kann auch der Leistungsempfänger die Vorsteuer erst im Zeitpunkt der Zahlung abziehen.
  • Im Streitfall ging es um die Leistung eines Ist-Versteuerers, nämlich des Vermieters. Soweit die Klägerin die Miete für 2009 bis 2012 an den Vermieter erst im Zeitraum 2013 bis 2016 gezahlt hat, muss der Vermieter die Umsatzsteuer erst in den Jahren 2013 bis 2016 an das Finanzamt abführen, so dass die Klägerin auch erst in den Jahren 2013 bis 2016 die Vorsteuer abziehen kann. Die deutsche Rechtslage, nach der der Vorsteuerabzug bereits mit der Ausführung der Leistung und dem Erhalt der Rechnung zulässig ist, verstößt gegen das europäische Umsatzsteuerrecht.

Hinweise: Die abschließende Entscheidung muss das FG treffen. Die Entscheidung des EuGH wird den Vorsteuerabzug in Deutschland beeinflussen; denn der Gesetzgeber wird auf das Urteil des EuGH reagieren müssen. Vermutlich wird sich vorher noch die Finanzverwaltung zu dem Urteil äußern.

Das Urteil des EuGH ist für alle Unternehmer, die Vorsteuer geltend machen, von Bedeutung und betrifft daher auch vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer, die Soll-Versteuerer sind. Das EuGH-Urteil wirkt sich aus, wenn ein Unternehmer (Soll- oder Ist-Versteuerer) eine Leistung von einem Ist-Versteuerer erhält und diesen nicht sogleich bezahlt. Der Vorsteuerabzug ist dann erst im Zeitpunkt der Bezahlung und nicht schon im Zeitpunkt des Rechnungserhalts möglich. Erhält der Unternehmer hingegen eine Leistung von einem Soll-Versteuerer, ändert sich durch das EuGH-Urteil nichts; die Vorsteuer ist wie bisher dann abziehbar, wenn die Leistung ausgeführt worden ist und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.

Unklar ist, wie der vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer wissen soll, dass der leistende Unternehmer ein Ist-Versteuerer ist; eine entsprechende Hinweispflicht in der Rechnung gibt es nach deutschem Recht nämlich nicht.

EuGH, Urteil v. 10.2.2022 – Rs. C 9/20; NWB