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Grunderwerbsteuer bei Kauf eines mit Weihnachtsbaumkultur bepflanzten Grundstücks

Beim Verkauf eines Grundstücks, das mit einer Weihnachtsbaumkultur bepflanzt ist und dessen Weihnachtsbäume bei Erreichen der erforderlichen Größe gefällt werden sollen, bemisst sich die Grunderwerbsteuer nur nach dem Kaufpreis für das Grundstück ohne Weihnachtsbäume. Die Weihnachtsbäume sind nämlich Scheinbestandteile des Grundstücks und gehören daher rechtlich nicht zum Grundstück.

Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer richtet sich beim Kauf eines Grundstücks nach dem Kaufpreis für das Grundstück. Zum Grundstück gehören dessen wesentliche Bestandteile, nicht aber Scheinbestandteile.

Streitfall: Der Kläger erwarb zwei Grundstücke zum Gesamtpreis von ca. 340.000 €. Der Kaufpreis enthielt einen Anteil von ca. 87.000 € für den sog. Aufwuchs; dabei handelte es sich um Nordmanntannen und Blaufichten, die als Weihnachtsbäume gefällt werden sollten. Das Finanzamt setzte 6,5 % Grunderwerbsteuer auf den Gesamtkaufpreis von 340.000 € fest. Der Kläger wandte sich dagegen, dass auch der Anteil von 87.000 € für den Aufwuchs der Grunderwerbsteuer unterworfen wurde.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Bezieht sich ein Grundstückskaufvertrag auch auf Gegenstände, die rechtlich nicht als Teil des Grundstücks gelten, darf Grunderwerbsteuer nur nach dem Teil des Kaufpreises bemessen werden, der auf das Grundstück entfällt.
  • Zum Grundstück gehören grundsätzlich auch Erzeugnisse, solange sie mit dem Boden zusammenhängen, z.B. Pflanzen oder Bäume.
  • Anders ist dies bei Scheinbestandteilen, die nur vorübergehend mit dem Grundstück verbunden sind. Zu den Scheinbestandteilen gehören auch Weihnachtsbaumkulturen, da die Weihnachtsbäume gefällt werden sollen und nicht dauerhaft auf dem Grundstück stehen sollen. Das nur vorübergehende Verbleiben der Weihnachtsbäume steht von Anfang fest.
  • Die Grunderwerbsteuer war daher auf einer Bemessungsgrundlage von 253.000 € (340.000 € abzüglich 87.000 €) festzusetzen.

Hinweise: Auf die Dauer des Aufwachsens des Weihnachtsbaums kommt es nicht an. Ein Scheinbestandteil liegt also auch dann vor, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist. Es ist für die Annahme eines Scheinbestandteils auch nicht erforderlich, dass die Scheinbestandteilseigenschaft auf den ersten Blick erkennbar ist.

Auch Verkaufspflanzen in Baumschulen gelten als Scheinbestandteile, da sie vollständig entfernt werden sollen, wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben. Im Gegensatz zu Weihnachtsbäumen werden Baumschulgewächse durch das Entfernen nicht vollständig zerstört, sondern leben beim Käufer weiter. Für die Einstufung als Scheinbestandteil kommt es nicht darauf an, ob die Pflanze bzw. der Baum lebensfähig bleibt oder ob ein nicht mehr lebensfähiger Rest zurückbleibt (z.B. Wurzeln mit Baumstumpf). Offengelassen hat der BFH die Frage, ob ein Scheinbestandteil dann auch vorliegt, wenn der Baum trotz des Fällens als lebensfähiger Organismus bestehen bleibt und wieder ausschlägt.

Quelle: BFH, Urteil v. 23.2.2022 – II R 45/19; NWB

Beschränkung des Schuldzinsenabzugs bei der Einnahmen-Überschussrechnung

Die gesetzliche Beschränkung des Schuldzinsenabzugs setzt nicht nur bei der Bilanzierung, sondern auch bei der Einnahmen-Überschussrechnung eine periodenübergreifende Ermittlung der Überentnahmen voraus. Der sich danach ergebende Überentnahmebetrag ist bei der Einnahmen-Überschussrechnung nicht auf ein vereinfacht ermitteltes negatives Kapitalkonto zu begrenzen.

Hintergrund: Betrieblich veranlasste Schuldzinsen sind nur eingeschränkt als Betriebsausgaben absetzbar. Die Abzugsbeschränkung greift, falls der Unternehmer sog. Überentnahmen getätigt hat, d.h. mehr Entnahmen getätigt hat, als er an Gewinn erzielt und an Einlagen erbracht hat. Bei der Bilanzierung werden die Überentnahmen seit dem 1.1.1999 periodenübergreifend ermittelt, so dass die seit diesem Zeitpunkt ermittelten Gewinne und getätigten Einlagen und Entnahmen saldiert werden.

Streitfall: Der Kläger war Architekt und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Er hatte in den drei Streitjahren 2010, 2011 und 2013 betriebliche Zinsen aufgewendet. Zum 31.12.2009 ergab sich ein Überentnahmesaldo von mehr als 130.000 € zulasten des Klägers. Im Streitjahr 2010 ergab sich für den Kläger ein Einlagenüberhang zu seinen Gunsten von ca. 19.000 € und im Streitjahr 2013 ein Einlageüberhang von ca. 36.000 €. Im weiteren Streitjahr 2011 hatte der Kläger jedoch Überentnahmen von ca. 58.000 € getätigt. Das Finanzamt beschränkte in den drei Jahren 2010, 2011 und 2013 den abziehbaren Zinsaufwand. Hiergegen wandte sich der Kläger.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies seine Klage ab:

  • Die Voraussetzungen für die Beschränkung des Zinsaufwands lagen vor. Denn der Kläger hatte Überentnahmen getätigt. Dabei kommt es nicht auf die Überentnahmen in den jeweiligen Streitjahren an, sondern auf den Saldo aus Gewinn, Einlagen und Entnahmen seit dem 1.1.1999. Ob Überentnahmen vorliegen, wird nämlich periodenübergreifend ermittelt. Die Zinsen sind also auch nur dann beschränkt abziehbar, wenn im Wirtschaftsjahr selbst keine Überentnahmen getätigt wurden, jedoch ein Überentnahme-Saldo aus den Vorjahren vorhanden ist, der höher ist als der Gewinn und die Einlagen des laufenden Wirtschaftsjahres.
  • Der Grundsatz der periodenübergreifenden Ermittlung gilt nicht nur bei der Bilanzierung, sondern auch bei der Einnahmen-Überschussrechnung. Die gesetzliche Beschränkung des abziehbaren Zinsaufwands ist nämlich nach dem Gesetz sinngemäß auch auf die Einnahmen-Überschussrechnung anwendbar.
  • Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Überentnahmebetrag nicht auf ein – vereinfacht ermitteltes – negatives Eigenkapital begrenzt werden. Die Ermittlung eines derartigen Eigenkapitals wäre mit dem Vereinfachungszweck der Einnahmen-Überschussrechnung und der gesetzlichen Abzugsbeschränkung nicht zu vereinbaren.

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass ein Einnahme-Überschussrechner bei der Ermittlung des abziehbaren Zinsaufwands ebenso den Grundsatz der periodenübergreifenden Ermittlung der Überentnahmen beachten muss wie ein Bilanzierer. Zwar kann der abziehbare Zinsaufwand eines Einnahmen-Überschussrechners von dem abziehbaren Zinsaufwand eines Bilanzierers abweichen; dies ergibt sich aber schon daraus, dass der Gewinn, der den Überentnahme-Saldo beeinflusst, anders ermittelt wird.

Eine Begrenzung des Überentnahmebetrags auf einen fiktiven negativen Eigenkapitalbetrag lehnt der BFH bei der Einnahmen-Überschussrechnung ab. Denn dies würde die Erstellung einer „Schattenbilanz“ verlangen und damit zu einer weiteren Verkomplizierung führen.

Die gesetzliche Abzugsbeschränkung für Zinsen gilt nicht für sog. Investitionszinsen, d.h. Zinsen für die Finanzierung von Anlagevermögen.

Quelle: BFH, Urteil v. 17.5.2022 – VIII R 38/18; NWB

Berichtigung eines zu niedrig festgestellten steuerlichen Einlagekontos wegen offenbarer Unrichtigkeit

Ein Bescheid, in dem das steuerliche Einlagekonto einer GmbH zu niedrig festgestellt wird, kann zugunsten der GmbH aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt werden, wenn die auf Null lautende Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto erkennbar fehlerhaft war, weil aus dem beigefügten Jahresabschluss Einlagen deutlich erkennbar waren.

Hintergrund: Bei Kapitalgesellschaften werden Einlagen der Gesellschafter in einem sog. steuerlichen Einlagekonto erfasst und durch Bescheid festgestellt. Diese Feststellung ermöglicht in Folgejahren eine steuerfreie Rückgewähr der Einlagen an die Gesellschafter, soweit die zurückgezahlten Einlagen den ausschüttbaren Gewinn übersteigen.

Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH, deren steuerliches Einlagekonto zum 31.12.2011 auf 0 € festgestellt worden war. Im Streitjahr 2012 erbrachten die Gesellschafter Einlagen, indem sie Forderungen in Höhe von insgesamt ca. 1,8 Mio. € in die Klägerin einbrachten. Im Jahresabschluss zum 31.12.2012 wies die Klägerin eine Kapitalrücklage von ca. 2,3 Mio. € aus. Sie erläuterte die Kapitalrücklage, indem sie auf die Einbringung der Darlehensforderungen sowie auf einen Beschluss zur Einbringung weiterer Darlehensforderungen hinwies. In ihrer Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto gab die Klägerin den Endbestand des steuerlichen Einlagekontos jedoch fehlerhaft mit 0 € an. Angaben zur Entwicklung des Einlagekontos im Jahr 2012 machte sie nicht. Das Finanzamt erließ im Juni 2014 erklärungsgemäß einen Bescheid über ein steuerliches Einlagekonto von 0 €. Ein Jahr später beantragte die Klägerin die Berichtigung des Bescheids wegen einer offenbaren Unrichtigkeit.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Der Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2012 beruhte auf einer offenbaren Unrichtigkeit und war daher zu berichtigen. Das Gesetz ermöglicht die Berichtigung eines Bescheids, der einen Schreibfehler, Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit enthält.
  • Im Streitfall hat die Klägerin in ihrer Feststellungserklärung vergessen, die von ihren Gesellschaftern geleisteten Einlagen zu erklären. Dieser Fehler war für das Finanzamt erkennbar, da es anhand des Jahresabschlusses erkennen konnte, dass Einlagen geleistet worden waren; denn zum einen war die Kapitalrücklage um ca. 2,3 Mio. € gestiegen, zum anderen wurde in den Erläuterungen zum Jahresabschluss ausgeführt, dass die Gesellschafter Darlehensforderungen eingebracht hatten.
  • Das Finanzamt hat den erkennbaren Fehler der Klägerin übernommen und sich zu eigen gemacht. Zwar scheidet eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus, wenn es sich um einen Rechtsirrtum gehandelt haben könnte; ein Rechtsirrtum der Klägerin oder des Finanzamts können im Streitfall aber ausgeschlossen werden.

Hinweise: Die Berichtigung war nicht deshalb ausgeschlossen, weil die zutreffende Höhe der Einlagen nicht genau erkennbar war. Es genügt, dass die festgestellte Höhe der Einlagen im steuerlichen Einlagekonto jedenfalls erkennbar fehlerhaft war. Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang die zutreffende Höhe der Einlagen ermitteln.

Für die Praxis ist das Urteil sehr wichtig, da Einlagen in der Feststellungserklärung für das steuerliche Einlagekonto oft vergessen werden und ein Einspruch gegen den fehlerhaften Bescheid mangels Abweichung von der fehlerhaften Erklärung unterbleibt. Ergibt sich aus dem beigefügten Jahresabschluss, dass Einlagen geleistet worden sein müssen, rechtfertigt dies nach der aktuellen BFH-Entscheidung eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit, sofern ein Rechtsirrtum ausgeschlossen werden kann.

Quelle: BFH, Urteil v. 8.12.2021 – I R 47/18; NWB

Aktivierung von Filmvertretungsrechten grundsätzlich beim Inhaber

Filmverwertungsrechte sind grundsätzlich dem Inhaber der Rechte zuzurechnen und von diesem zu aktivieren. Werden die Filmverwertungsrechte einem Dritten zur Nutzung zeitlich befristet überlassen, kann der Dritte wirtschaftlicher Eigentümer der Rechte werden, wenn allein dem Dritten während der Nutzungsdauer die Substanz und der Ertrag der Verwertungsrechte zustehen. Ein wirtschaftliches Eigentum des Dritten ist aber ausgeschlossen, wenn der zivilrechtliche Inhaber während der gesamten Vertragslaufzeit an der Wertsteigerung der Filmrechte beteiligt ist, weil er erfolgsabhängige Vergütungen erhält; die Filmverwertungsrechte sind dann dem Rechteinhaber und nicht dem Dritten zuzurechnen.

Hintergrund: Wirtschaftsgüter werden grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet und sind daher von ihm zu aktivieren und abzuschreiben. Übt jedoch ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut aus, indem er den Eigentümer während der Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, ist der andere als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen, so dass ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen ist.

Streitfall: Die Klägerin war eine bilanzierende Filmproduktionsgesellschaft. Sie hatte die Filmrechte an dem Buch X erworben und verfilmte das Buch. Anschließend schloss sie mit der F einen Filmvertriebsvertrag über einen Zeitraum von 42 Jahren; die F sollte für diesen Zeitraum die alleinigen und unwiderruflichen Verwertungsrechte an dem Film nutzen können. Die F sollte der Klägerin hierfür zum einen jährliche fixe Zahlungen und zum anderen eine zusätzliche Gewinnbeteiligung zahlen. Nach Ablauf der 42-jährigen Vertragsdauer sollte entweder eine einvernehmliche Laufzeitverlängerung möglich sein oder F sollte eine Kaufoption ausüben können. Sofern weder die Kaufoption durch F noch eine einvernehmliche Vertragsverlängerung zustande kommen würde, sollte die Klägerin berechtigt sein, ein zinsloses Darlehen von F in einer bestimmten Höhe zu verlangen; im Gegenzug war die Klägerin dann jedoch verpflichtet, den Film selbst zu vermarkten, um das Darlehen zurückzahlen zu können. Das Finanzamt ging von einer wirtschaftlichen Übertragung des Filmverwertungsrechts auf die F aus und aktivierte bei der Klägerin gewinnerhöhend eine Kaufpreisforderung i. H. des abgezinsten Betrags der Lizenzzahlungen.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Zwar kann auch eine Nutzungsüberlassung zu einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Nutzer führen. So kann das wirtschaftliche Eigentum auf den Nutzungsberechtigten übergehen, wenn die Grundmietzeit kürzer ist als die Nutzungsdauer, der Nutzungsberechtigte jedoch eine Option auf Vertragsverlängerung oder eine Kaufoption hat und in diesem Fall nur einen geringen Mietzins oder einen geringen Kaufpreis zahlen muss. Dies entspricht den für Leasingverträge entwickelten Grundsätzen.
  • Verträge über die Nutzung von Filmrechten unterscheiden sich aber von Leasingverträgen. Denn Leasingverträge werden in der Regel für bewegliche oder unbewegliche materielle Wirtschaftsgüter abgeschlossen, nicht jedoch für immaterielle Wirtschaftsgüter wie Filmrechte. Anders als bei materiellen Wirtschaftsgütern lässt sich bei Filmrechten die Wertentwicklung des Filmrechts nicht zuverlässig einschätzen, da bei Vertragsabschluss der künftige Erfolg des Films in der Regel nicht absehbar ist. Daher kann bei einem Vertrag über die Überlassung eines Filmrechts kaum abgesehen werden, ob eine künftige Kaufoption voraussichtlich ausgeübt werden wird oder ob es nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer zu einer einvernehmlichen Vertragsverlängerung kommen wird.
  • Gegen den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums sprach die Vereinbarung erfolgsabhängiger Vergütungen zugunsten der Klägerin. Die Klägerin nahm auf diese Weise auch weiterhin an der Wertsteigerung des produzierten Films teil, so dass der Ertrag aus den Filmverwertungsrechten nicht allein der F zustand.

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze zur Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums auf immaterielle Wirtschaftsgüter wie Filmrechte nicht ohne Weiteres übertragbar sind. Denn bei Filmrechten lässt sich die Wertentwicklung – anders als etwa bei einer Maschine oder einem Grundstück – nicht zuverlässig einschätzen. Damit bleibt auch ungewiss, ob der Vertrag nach Ablauf der vereinbarten Überlassungsdauer verlängert werden wird oder ob eine Kaufoption durch den Nutzer ausgeübt werden wird.

Quelle: BFH, Urteil v. 14.22.2022 – IV R 32/19; NWB

Zeitpunkt eines Auflösungsverlustes bei Aufgabe einer wesentlichen GmbH-Beteiligung

Ein Verlust aus der Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung von mindestens 1 % an einer GmbH ist grundsätzlich erst mit dem Abschluss der Liquidation steuerlich zu berücksichtigen. Ein früherer Zeitpunkt kommt nur dann in Betracht, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Solange die GmbH aber trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch über freies Vermögen verfügt und die Verwertung der zur Sicherheit übereigneten Wirtschaftsgüter noch nicht vollständig abgeschlossen ist, bleibt es beim Abschluss der Liquidation.

Hintergrund: Der Gewinn und Verlust aus dem Verkauf einer im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Beteiligung von mindestens 1 % unterliegt der Steuer und muss versteuert werden (Gewinn) bzw. kann steuerlich abgesetzt werden (Verlust). Der Verlust unterliegt ebenso wie ein Gewinn dem sog. Teileinkünfteverfahren und wird daher nur zu 60 % berücksichtigt.

Streitfall: Die Klägerin erwarb im März 2014 eine Beteiligung an der überschuldeten Z-GmbH zum Preis von 1 €. In dem Kaufvertrag verpflichtete sie sich, der Z-GmbH ein Darlehen in Höhe von 320.000 € zu Verfügung zu stellen; als Sicherheit übereignete die Z-GmbH der Klägerin neun Kfz im Wert von insgesamt 56.000 € sowie ein Ersatzteillager im Wert von 40.000 €. Im Juli 2014 stellte die Z-GmbH einen Insolvenzantrag; das Insolvenzverfahren wurde im September 2014 eröffnet. Der Insolvenzverwalter zeigte sogleich die Masseunzulänglichkeit an. Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters hatte die Klägerin im Mai 2014 eine möglicherweise anfechtbare Darlehensrückzahlung in Höhe von 16.000 € erhalten. Die zur Sicherheit übereigneten Kfz waren zum Teil veräußert worden, und es war noch ein Betrag in Höhe von 44.000 € für die Insolvenzmasse frei. Die Klägerin machte einen Verlust aus der Aufgabe ihrer Beteiligung im Streitjahr 2014 in Höhe von 320.001 € geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust nicht an.

Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) wies die Klage ab:

  • Ein Verlust aus der Aufgabe einer wesentlichen GmbH-Beteiligung kann grundsätzlich erst mit dem Abschluss der Liquidation geltend gemacht werden. Denn erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der GmbH rechnen kann. Die Liquidation war im Streitjahr 2014 aber noch nicht abgeschlossen.
  • Ausnahmsweise kann der Verlust schon zu einem früheren Zeitpunkt steuerlich berücksichtigt werden, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde oder wenn die GmbH bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war.
  • Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens genügt hingegen noch nicht, um den Verlust bereits im Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Denn es steht aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht fest, ob der Gesellschafter noch Geld erhält.
  • Die Z-GmbH war nicht vermögenslos, sondern hatte noch Vermögen in Höhe von ca. 44.000 €. Unbeachtlich ist, dass die Schulden der GmbH deutlich höher waren. Ferner war es nach dem Bericht des Insolvenzverwalters denkbar, dass eine Tilgung an die Bank in Höhe von 320.000 € noch angefochten würde. Ferner steht noch nicht fest, ob die Klägerin tatsächlich eine Darlehensrückzahlung in Höhe von 16.000 € erhalten hat und ob diese Rückzahlung ggf. noch vom Insolvenzverwalter angefochten wird; ferner stand die Verwertung aller sicherungsübereigneten Kfz noch nicht fest.

Hinweise: Zwar hat die Klägerin die Klage verloren. Dies bedeutet aber nicht, dass sie den Verlust nicht absetzen kann. Denn aus dem Urteil folgt lediglich, dass der Verlust zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich nach Abschluss der Liquidation, steuerlich berücksichtigt werden kann.

In der Praxis stellt sich oft das Problem, dass noch nicht sicher abgesehen werden kann, in welchem Veranlagungszeitraum der Verlust aus der Aufgabe einer GmbH-Beteiligung zu berücksichtigen ist. Hier ist es verfahrensrechtlich sinnvoll, alle in Betracht kommenden Jahre durch einen Einspruch gegen den jeweiligen Steuerbescheid offenzuhalten.

Quelle: FG Düsseldorf, Urteil v. 12.4.2022 – 10 K 1175/19 E; NWB