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Meldepflichten bei internationalen Steuergestaltungen vom Europäischen Gerichtshof gebilligt

Der Europäische Gerichtshof hat die europarechtlichen Meldepflichten bei internationalen Steuergestaltungen für Steuerpflichtige und für sog. Intermediäre, die derartige Steuergestaltungen entwickeln oder vermarkten, als europarechtskonform gebilligt. Damit hat ein Begehren der Vereinigungen der belgischen Rechtsanwälte und Steuerberater keinen Erfolg.

Hintergrund: Die EU hat im Jahr 2018 Meldepflichten für Steuerpflichtige und sog. Intermediäre eingeführt, die internationale Steuergestaltungen durchführen, bei denen z.B. Einkünfte in niedrig besteuerte Staaten verlagert werden. Intermediäre sind Berater, die derartige Steuergestaltungen für eine Vielzahl von Fällen entwickeln oder vermitteln. Diese EU-Regelungen sind im Jahr 2019 in Deutschland umgesetzt worden.

Sachverhalt: Die Vereinigungen der belgischen Rechtsanwälte und Steuerberater wenden sich vor dem belgischen Verfassungsgerichtshof gegen die europarechtlichen Meldepflichten für Intermediäre, weil sie die Meldepflichten für europarechtswidrig hielten. Der belgische Verfassungsgerichtshof hat den EuGH angerufen.

Entscheidung: Der EuGH hält die europarechtlichen Meldepflichten bei internationalen Steuergestaltungen für europarechtskonform:

  • Die Regelungen über die Meldepflichten sind hinreichend bestimmt genug und auch klar. Insbesondere wird der mit der Meldepflicht verbundene Eingriff in das Privatleben des Intermediärs und des Steuerpflichtigen bezüglich der Informationen, die dem Finanzamt in der Meldung mitgeteilt werden müssen, hinreichend genau bestimmt.
  • Die Meldepflicht beinhaltet einen verhältnismäßigen und gerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens.

Hinweise: Die abschließende Entscheidung muss nun noch der belgische Verfassungsgerichtshof treffen, der aller Voraussicht nach der Begründung des EuGH folgen wird.

Die Meldepflichten treffen zwar grundsätzlich nur den Intermediär, nicht den Steuerpflichtigen selbst. Ist der Intermediär aber der Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen und wird der Intermediär nicht von der Verschwiegenheitspflicht befreit, dann kommt es zu der rechtlich ungewöhnlichen Situation, dass der Steuerpflichtige als Mandant die Meldepflicht des Bevollmächtigten erfüllen muss.

Der Gesetzgeber in Deutschland wollte vor kurzem die Meldepflichten auch auf nationale Steuergestaltungen, die also nur Deutschland betreffen, ausweiten. Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist allerdings vorerst nicht umgesetzt worden.

Ob die bisherigen Meldepflichten tatsächlich etwas bringen und die Steuergestaltungen eindämmen, wird von zahlreichen Fachleuten bezweifelt. In jedem Fall ist der bürokratische Aufwand erheblich.

Quelle: EuGH, Urteil vom 29.7.2024 – C-623/22 „Belgian Association of Tax Lawyers u.a.”; NWB

Frist für Antrag auf Vorsteuervergütung in der EU

Die Antragsfrist für Anträge auf Vorsteuervergütung in der EU für das Jahr 2023 läuft am 30.9.2024 ab.

Hintergrund: Anders als bei inländischen Rechnungen kann die von inländischen Unternehmern in einem anderen EU-Mitgliedstaat gezahlte Umsatzsteuer nicht im Rahmen der (deutschen) Umsatzsteuer-Voranmeldung geltend gemacht werden. Vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer können sich die Umsatzsteuer daher unter bestimmten Voraussetzungen im sog. Vorsteuervergütungsverfahren auf Antrag von der zuständigen Behörde des jeweiligen Mitgliedstaates über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erstatten lassen, es sei denn, der Unternehmer hat dort bereits steuerbare, eine Registrierung auslösende Umsätze im Vergütungszeitraum getätigt.

Der Antrag ist elektronisch beim BZSt zu stellen – und zwar innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist.

Beachten Sie: Für das Jahr 2023 endet damit die Antragsfrist auf Vorsteuervergütung am . Wurde Vorsteuer in einem Nicht-EU-Mitgliedstaat gezahlt, muss die Vergütung direkt in diesem Staat beantragt werden.

Weitere Informationen zum Vorsteuervergütungsverfahren hat das BZSt auf seiner Homepage veröffentlicht. Hier finden Sie u.a. auch einen Fragen-Antworten-Katalog zum Thema.

Quelle: BZSt online, NWB

Rückabwicklung der Umsatzsteuerbesteuerung in sog. Bauträgerfällen

Setzt das Finanzamt in einem sog. Bauträgerfall, bei dem ein Bauunternehmer bis 2013 eine Bauleistung an einen Bauträger erbracht hat und der Bauträger zu Unrecht die Umsatzsteuer für den Bauunternehmer abgeführt hat, nunmehr die Umsatzsteuer gegenüber dem Bauunternehmer fest, kann dieser seinen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung der geschuldeten Umsatzsteuer an das Finanzamt abtreten. Das Finanzamt darf ein Abtretungsangebot des Bauunternehmers nicht ermessensfehlerhaft ablehnen.

Hintergrund: Bei Bauleistungen unter Unternehmern gilt grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, d.h. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistungsempfänger (Auftraggeber). Nach ursprünglicher Auffassung der Finanzverwaltung galt dies auch bei Bauleistungen an einen Bauträger, der unbebaute Grundstücke bebaut und anschließend verkauft. Im Jahr 2013 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) aber, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an einen Bauträger nicht gilt, weil der Bauträger selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern nur Grundstücke verkauft. Daraufhin beantragten viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht entrichteten Umsatzsteuer. Die Finanzämter versuchten nun anschließend, die Umsatzsteuer von den Bauunternehmern zu erhalten. Der Gesetzgeber hat die Rückabwicklung dieser Fälle gesetzlich geregelt und u.a. eine Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs des Bauunternehmers gegen den Bauträger auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags, der für die Bauleistungen entstanden ist, vorgesehen. Die Abtretung wirkt wie eine Zahlung, setzt aber u.a. voraus, dass der Bauunternehmer seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt hat.

Sachverhalt: Der Kläger war in den Jahren 2012 und 2013 Bauunternehmer und erbrachte Bauleistungen an die Bauträger F und G. Der Kläger sowie F und G gingen damals – in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung – zu Unrecht davon aus, dass F und G die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen müssen. Im Jahr 2013 entschied nun der BFH, dass die Bauträger die Umsatzsteuer nicht hätten abführen müssen, sondern der jeweilige Bauunternehmer. Daraufhin beantragten F und G die Erstattung der von ihnen zu Unrecht abgeführten Umsatzsteuern. Das Finanzamt des Klägers forderte Ende 2014 den Kläger zur Abgabe berichtigter Umsatzsteuererklärungen für 2012 und 2013 auf. Der Kläger berief sich auf Vertrauensschutz, da die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens der Auffassung der Finanzverwaltung entsprochen hatte. Im März 2015 bot der Kläger dem Finanzamt aber an, seine Ansprüche gegen F und G auf Zahlung der Umsatzsteuer auf das vereinbarte Entgelt an das Finanzamt abzutreten. Das Finanzamt verlangte von ihm jedoch eine Bestätigung, dass diese Ansprüche nicht streitbefangen seien; diese Bestätigung lehnte der Kläger ab. Im September 2015 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 2012 und 2013, die auf die Bauleistungen des Klägers entfiel, gegenüber dem Kläger fest. Nach verschiedenen Gesprächsversuchen berichtigte der Kläger am 19.12.2017 seine Rechnungen gegenüber F und G, indem er nun Umsatzsteuer auswies. Am 21.12.2017 gab er ein erneutes Abtretungsangebot gegenüber dem Finanzamt ab, bestätigte aber weiterhin nicht, dass seine Ansprüche gegen F und G nicht streitbefangen seien. Das Finanzamt nahm das Angebot am 22.12.2017 an; es verneinte aber eine Erfüllungswirkung der Abtretung, weil der Kläger seine Mitwirkungspflichten verletzt habe. Hiergegen wehrte sich der Kläger.

Entscheidung: Der BFH gab dem Kläger Recht:

  • Der Gesetzgeber bietet dem Bauunternehmer, der vom Finanzamt im Rahmen der Rückabwicklung eines sog. Bauträgerfalls in Anspruch genommen wird und Umsatzsteuer nachzahlen soll, die Möglichkeit, seinen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung der für die Bauleistung geschuldeten Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten und damit seine Umsatzsteuerzahllast zu begleichen.
  • Das Finanzamt darf ein solches Abtretungsangebot nicht ermessensfehlerhaft ablehnen. Der Kläger hatte dem Finanzamt bereits im Jahr 2015 eine Abtretung angeboten und im Jahr 2016 einen Abtretungsvertrag übersandt. Dieses Angebot durfte das Finanzamt nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger sich geweigert habe zu bestätigen, dass seine Ansprüche gegen F und G nicht streitbefangen waren. Das Risiko, dass die Ansprüche sich nicht durchsetzen lassen, liegt nämlich beim Finanzamt. Der Kläger hat somit seine Mitwirkungspflicht im Rahmen der Abtretung nicht verletzt.
  • Die spätere Annahme des erneuten Abtretungsangebots im Dezember 2017 wirkt damit wie eine Zahlung der Umsatzsteuer, so dass der Kläger keine Umsatzsteuer mehr schuldet.

Hinweise: Dem Kläger konnte auch kein Vorwurf gemacht werden, dass er sich zunächst gegen die Umsatzsteuerfestsetzung gewehrt und sich auf Vertrauensschutz berufen hat; denn die Rückabwicklung der Umsatzsteuer in den sog. Bauträgerfällen war durchaus umstritten. Zudem war zu berücksichtigen, dass die Klägerin wiederholt Gespräche mit dem Finanzamt und dem Finanzministerium vorgeschlagen hatte, die das Finanzamt aber abgelehnt hat.

Dem Kläger konnte schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass zum 31.12.2017 eine Verjährung seiner Ansprüche gegen F und G drohte. Zum einen war die Abtretung noch vor dem 31.12.2017 erfolgt; zum anderen hätte das Finanzamt mit den abgetretenen Ansprüchen sogar noch nach dem 31.12.2017 aufrechnen können, weil vor dem 31.12.2017 eine Aufrechnungslage bestanden hatte. Dass sich das Finanzamt dieser Möglichkeit selbst beraubt hat, lag daran, dass es voreilig die Umsatzsteuererstattungen an F und G ausgezahlt hatte.

Quelle: BFH, Urteil vom 17.4.2024 – XI R 16/22; NWB

Darlehensverlust eines GmbH-Gesellschafters

Der Ausfall einer bis zum 27.9.2017 begründeten Darlehensforderung eines wesentlich beteiligten GmbH-Gesellschafters kann nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, wenn der Darlehensausfall nach dem vom Bundesfinanzhof (BFH) gewährten Vertrauensschutz den nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen gewerblicher Einkünfte zuzuordnen ist. Der GmbH-Gesellschafter kann auf diesen Vertrauensschutz nicht verzichten.

Hintergrund: Verkauft ein GmbH-Gesellschafter, der mit mindestens 1 % in den letzten fünf Jahren an der GmbH beteiligt war und die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält, GmbH-Anteile mit Gewinn oder Verlust, führt dies nach dem Gesetz zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Der Verlust oder Gewinn wird nach dem sog. Teileinkünfteverfahren nur zu 60 % berücksichtigt. Auch ein Verlust aus einem Darlehensausfall wird nach der aktuellen Rechtslage sowie nach der bis zum Jahr 2017 geltenden Rechtsprechung hierbei berücksichtigt, und zwar als nachträgliche Anschaffungskosten. Allerdings gilt das Gesetz nur für Veräußerungen oder Aufgaben (einer GmbH-Beteiligung) nach dem 31.7.2019. Für Veräußerungen oder Aufgaben vor diesem Zeitpunkt kann die aktuelle Rechtslage auf Antrag angewendet werden. Wird kein Antrag gestellt, kann der Darlehensausfall aufgrund eines vom BFH im Jahr 2017 gewährten Vertrauensschutzes steuerlich gleichwohl bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt werden, wenn das Darlehen bis zum 27.9.2017 gewährt worden ist oder bis zum 27.9.2017 eigenkapitalersetzend geworden ist, d.h. von einem Dritten nicht gewährt oder nicht stehengelassen worden wäre; der BFH gewährte diesen Vertrauensschutz, weil er in seinem Urteil aus dem Jahr 2017 seine bisherige Rechtsprechung geändert und Darlehensausfälle eines GmbH-Gesellschafters grundsätzlich nicht mehr steuerlich anerkannt hatte.

Sachverhalt: Der Kläger der GmbH war zu 80 % an einer GmbH beteiligt. Er gewährte der GmbH im Jahr 2015 zwei Darlehen in Höhe von 150.000 €. Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet; der Insolvenzverwalter bestätigte, dass der Kläger kein Geld von der GmbH zurückbekommen wird. Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für 2016 den Darlehensausfall in Höhe von 150.000 € bei der Ermittlung seines Verlustes aus der Aufgabe seiner GmbH-Beteiligung geltend. Das Finanzgericht (FG) erkannte den Darlehensausfall bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an und berücksichtigte ihn damit vollständig und nicht nur nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 %. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein.

Entscheidung: Der BFH gab der Revision des Finanzamts statt und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück:

  • Der Darlehensausfall führt grundsätzlich zu nachträglichen Anschaffungskosten, die bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu 60 % zu berücksichtigen sind.
  • Der Darlehensausfall kann entgegen der Auffassung des FG nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, weil die Einkünfte aus Kapitalvermögen nachrangig gegenüber den Einkünften aus Gewerbebetrieb sind.
  • Zwar gilt die Neuregelung, die einen Darlehensausfall eines wesentlich beteiligten GmbH-Gesellschafters den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuordnet, nur für Veräußerungen oder Aufgaben von GmbH-Beteiligungen nach dem 31.7.2019, während die Aufgabe im Streitfall bereits im Jahr 2016 erfolgt ist. Der Kläger hat auch keinen Antrag auf vorzeitige Anwendung der Neuregelung für GmbH-Aufgaben vor dem 1.1.2019 gestellt.
  • Jedoch greift im Streitfall der vom BFH ausgesprochene Vertrauensschutz, da das Darlehen bis zum 31.7.2019 gewährt worden ist. Der Vertrauensschutz führt zu einer Zuordnung des Darlehensausfalls zu den gewerblichen Einkünften, so dass die Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen verdrängt wird. Auf den Vertrauensschutz kann der GmbH-Gesellschafter nicht verzichten.

Hinweise: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, welches nun die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten ermitteln muss. Der Darlehensausfall wird nämlich nur dann mit dem Nennwert bewertet, wenn das Darlehen in der Krise gewährt wurde oder krisenbestimmt war, also auch in der Krise nicht zurückgefordert werden sollte. Sollte das Darlehen hingegen vor dem Kriseneintritt gewährt worden und nicht krisenbestimmt gewesen sein, sondern lediglich in der Krise stehengelassen worden sein, wäre lediglich der gemeine Wert des Darlehens im Zeitpunkt des Kriseneintritts anzusetzen; dies ist häufig ein Wert von unter 10 % des Nennwertes.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2024 – IX R 12/23; NWB