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Betriebsausgabenabzug einer vor Fälligkeit geleisteten Umsatzsteuervorauszahlung

Wird im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung eine Umsatzsteuervorauszahlung bis zum 10.1. des Folgejahres gezahlt und tritt die Fälligkeit aufgrund einer Dauerfristverlängerung aber erst am 10.2. des Folgejahres ein, ist ein Betriebsausgabenabzug erst im Folgejahr möglich. Ein Abzug im Vorjahr als regelmäßig wiederkehrende Ausgabe ist mangels Fälligkeit bis zum 10.1. des Folgejahres nicht möglich.

Hintergrund: Bei der Einnahmen-Überschussrechnung gilt grundsätzlich das Zufluss- und Abflussprinzip. Ausgaben sind daher grundsätzlich im Zeitpunkt des Abflusses als Betriebsausgaben geltend zu machen. Das Gesetz enthält aber eine Ausnahme für sog. wiederkehrende Ausgaben, die innerhalb von zehn Tagen nach dem Jahreswechsel gezahlt werden, aber das vorherige Jahr betreffen: Sie werden in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Eine Umsatzsteuerzahlung für Dezember 2021, die am 5.1.2022 an das Finanzamt gezahlt wird, ist aufgrund dieser Regelung grundsätzlich im Jahr 2021 als Betriebsausgabe abziehbar; denn Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen aufgrund von Voranmeldungen gelten als wiederkehrende Zahlungen.

Sachverhalt: Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Für ihre monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen war ihr auf Antrag eine Dauerfristverlängerung gewährt worden, so dass die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2017 erst am 10.2.2018 und nicht schon am 10.1.2018 fällig war. Die Klägerin zahlte die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2017 bereits am 10.1.2018 und machte die Zahlung als Betriebsausgabe des Jahres 2017 geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2017 aber erst im Jahr 2018.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab:

  • Zwar sind Umsatzsteuervorauszahlungen sog. wiederkehrende Ausgaben, so dass abweichend vom Abflussprinzip ein Betriebsausgabenabzug im Vorjahr möglich ist, wenn die Umsatzsteuer bis zum 10.1. des Folgejahres gezahlt wird. Dies setzt aber auch die Fälligkeit im Zeitraum 1.1. bis 10.1. des Folgejahres voraus.
  • Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2017 war aufgrund der Dauerfristverlängerung erst am 10.2.2018 fällig, d. h. nach dem 10.1.2018. Die Zahlung ist daher im Jahr 2018 als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
  • In Fällen der Dauerfristverlängerung ist es nicht gerechtfertigt, vor Fälligkeit geleistete Zahlungen dem Vorjahr zuzurechnen. Denn die gesetzliche Ausnahmeregelung zu wiederkehrenden Ausgaben soll zufällige Ergebnisse vermeiden, die bei Zahlungen um den Jahreswechsel herum geleistet werden. Im Fall einer Dauerfristverlängerung wird die Umsatzsteuer für Dezember aber typischerweise nicht um den Jahreswechsel herum geleistet. Würde man eine regelmäßig wiederkehrende Ausgabe annehmen, würden sich für den Unternehmer Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, indem er die Umsatzsteuer vor der Fälligkeit zahlt, um einen Betriebsausgabenabzug im Vorjahr zu ermöglichen.

Hinweise: Der BFH hat vor kurzem entschieden, dass der Ansatz einer regelmäßig wiederkehrenden Ausgabe und der daraus resultierende Betriebsausgabenabzug im Vorjahr verlangt, dass die Fälligkeit im Zeitraum 1.1. bis 10.1. des Folgejahres eintritt. Eine bereits seit dem Vorjahr fällige Zahlung, z. B. die Umsatzsteuer für den April des Vorjahres, kann also nicht dadurch dem Vorjahr zugeordnet werden, dass sie im Zeitraum vom 1.1. bis 10.1. des Folgejahres gezahlt wird. Diese Grundsätze überträgt der BFH in der aktuellen Entscheidung nun auf die vorzeitige Zahlung, bei der die Fälligkeit erst nach dem 10.1. des Folgejahres eintritt und die Zahlung aber im Folgejahr bis zum 10.1. geleistet wird.

Das Urteil hat bei der Einnahmen-Überschussrechnung zur Folge, dass sich eine Voranmeldung für Dezember oder für das IV. Quartal im Fall der Dauerfristverlängerung erst im Folgejahr gewinnmindernd auswirken kann, da die Fälligkeit erst am 10.2. des Folgejahres eintritt.

Die hier streitige Regelung für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gibt es spiegelbildlich auch für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen.

Quelle: BFH, Urteil v. 21.6.2022 – VIII R 25/20; NWB

Wirtschaftliche Verflechtung bei umsatzsteuerlicher Organschaft

Die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche wirtschaftliche Verflechtung besteht nicht, wenn der potenzielle Organträger lediglich ohne Weiteres austauschbare Büroräume an die potenzielle Organgesellschaft vermietet. Besteht keine umsatzsteuerliche Organschaft, sind die Geschäftsführungsleistungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft umsatzsteuerbar.

Hintergrund: Bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft werden der Organträger und seine Organgesellschaften als ein Unternehmen zusammengefasst, so dass nur der Organträger Umsatzsteuer schuldet, und zwar auch für die Umsätze, die die Organgesellschaften ausgeführt haben. Der Organträger macht auch die Vorsteuern für die Organgesellschaften geltend. Eine Organschaft besteht, wenn eine Organgesellschaft wirtschaftlich, organisatorisch und finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Z war. Die Klägerin war Komplementärin der A-KG, aber nicht an deren Vermögen beteiligt. Außerdem übernahm die Klägerin die Geschäftsführung der A-KG und hatte insoweit im Jahr 2013 einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die A-KG in Höhe von 24.000 €; ab 2014 erhielt die Klägerin eine monatliche Vergütung von 5.000 €. Kommanditist der A-KG war ebenfalls Z. Sowohl die Klägerin als auch die A-KG hatten ihren Sitz in Geschäftsräumen in A-Stadt; die Räume umfassten eine Fläche von 123 qm. Vermieter der Geschäftsräume waren Z und seine Ehefrau, die je zur Hälfte Eigentümer der Geschäftsräume waren. Die Klägerin ging von einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen ihr, der A-KG und dem Z aus und behandelte daher ihre Geschäftsführungsleistungen als nichtsteuerbare Innenumsätze. Das Finanzamt hielt die Geschäftsführungsleistungen hingegen für umsatzsteuerbar und -pflichtig und setzte entsprechende Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin fest.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Die Geschäftsführungsleistungen der Klägerin gegenüber der A-KG waren umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Es handelte sich nicht um nichtsteuerbare Innenumsätze, da zwischen der Klägerin, der A-KG und dem Z keine umsatzsteuerliche Organschaft bestand.
  • Für eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und Z als Organträger fehlte es an der wirtschaftlichen Eingliederung. Eine wirtschaftliche Eingliederung liegt vor, wenn die Unternehmensbereiche der Organgesellschaft und des Organträgers miteinander verflochten sind. Z hat lediglich als angestellter Geschäftsführer, nicht aber als Selbständiger Geschäftsführungsleistungen an die Klägerin erbracht. Und die Vermietung der Geschäftsräume ist nicht an die Klägerin erfolgt, sondern an die A-KG.
  • Es bestand auch keine mittelbare wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des Z. Anhaltspunkt hierfür wäre die Vermietung der Geschäftsräume; diese waren aber nicht in besonderer Weise für das Unternehmen der Klägerin ausgestattet, sondern ohne Weiteres austauschbar. Daher genügt dies nicht für eine wirtschaftliche Eingliederung.
  • Schließlich bestand auch keine Organschaft zwischen der Klägerin und der A-KG. Denn beides waren Schwestergesellschaften mit demselben Gesellschafter, nämlich Z, aber sie waren nicht aneinander beteiligt. Daher konnte weder die Klägerin die A-KG beherrschen noch umgekehrt die A-KG die Klägerin beherrschen.

Hinweise: Für eine wirtschaftliche Eingliederung genügt es auch nicht, wenn der Organträger Verwaltungsaufgaben der Organgesellschaft in der Buchführung oder Personalverwaltung übernimmt.

Die Vereinbarkeit der umsatzsteuerlichen Organschaft mit dem Europarecht ist noch nicht abschließend geklärt. Hierzu sind zwei Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig. So muss geklärt werden, ob überhaupt ein Organträger Steuerschuldner für die Organgesellschaften sein kann und ob anstelle des Organträgers eine sog. Mehrwertsteuergruppe als Steuerschuldner anzusehen ist. Der BFH hat den Ausgang dieser Verfahren beim EuGH aber im aktuellen Fall nicht abgewartet, weil er bereits die wirtschaftliche Eingliederung und damit die Organschaft abgelehnt hat.

Quelle: BFH, Urteil v. 1.2.2022 – V R 23/21; NWB

Abzug der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft

Nutzt ein Arbeitnehmer, der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, ein steuerlich anzuerkennendes häusliches Arbeitszimmer für berufliche Zwecke für sich allein, kann er die auf die Arbeitszimmerfläche entfallenden Kosten in voller Höhe absetzen, sofern er sich in dieser Höhe an den Raumkosten beteiligt hat. Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs auf 50 % der auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Kosten würde gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen, welches die Berücksichtigung beruflich bzw. betrieblich veranlasster Kosten verlangt.

Hintergrund: Grundsätzlich kann der Steuerpflichtige nur eigene Kosten absetzen, nicht aber Aufwendungen eines Dritten, den sog. Drittaufwand.

Streitfall: Der Kläger war angestellter Vertriebsleiter und hatte mit seiner Lebensgefährtin ein Einfamilienhaus gemeinsam angemietet. Beide trugen die jährlichen Kosten von ca. 26.000 €. Der Kläger nutzte für seine nichtselbständige Tätigkeit ein Arbeitszimmer, das den Mittelpunkt seiner beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bildete und daher dem Grunde nach steuerlich abziehbar war. Das Arbeitszimmer machte 10 % der Gesamtfläche des Hauses aus. Der Kläger machte daher 10 % der Hauskosten in Höhe von 26.000 € als Werbungskosten geltend, d.h. 2.600 €. Das Finanzamt berücksichtigte nur 1.300 €, nämlich 50 %, und begründete dies damit, dass der Kläger nur die Hälfte der Raumkosten getragen habe.

Entscheidung: Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) gab der Klage statt und erkannte insgesamt 2.600 € als Werbungskosten an:

  • Die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers lagen dem Grunde nach vor. Denn das Arbeitszimmer bildete den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers.
  • Der Höhe nach waren 2.600 € als Werbungskosten anzuerkennen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger die Kosten für das nur von ihm genutzte Arbeitszimmer allein getragen hat und sich seine Lebensgefährtin an den Kosten für das Arbeitszimmer nicht beteiligt hat.
  • Bei verheirateten Arbeitnehmern kann ein Ehegatte, der ein Arbeitszimmer allein nutzt, die gesamten Aufwendungen für das Arbeitszimmer steuerlich geltend machen, maximal bis zur Höhe der von ihm getragenen Aufwendungen. Dieser Grundsatz muss nach dem sog. objektiven Nettoprinzip, nach dem beruflich bzw. betrieblich veranlasste Aufwendungen steuerlich abziehbar sein müssen, auch für nicht verheiratete Steuerpflichtige gelten.
  • Der Kläger hat tatsächlich auch Aufwendungen in Höhe von 2.600 € getragen.

Hinweise: In vergleichbarer Weise hat bereits das FG München im Jahr 2021 entschieden. Sowohl das FG München als auch das FG Düsseldorf behandeln verheiratete und nicht verheiratete Partner gleich. Allerdings ist dies nicht ganz unproblematisch, da das Grundgesetz nur die Ehe schützt, nicht aber nichteheliche Lebensgemeinschaften.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Urteil v. 9.9.2022 – 3 K 2483/20; NWB

Umsatzsteuerfreiheit der isolierten Einlagerung eingefrorener Eizellen

Die isolierte Einlagerung eingefrorener Eizellen ist als ärztliche Heilbehandlung umsatzsteuerfrei, wenn sie Teil einer Fruchtbarkeitsbehandlung mit einer Kryokonservierung ist und Einlagerung und Kryokonservierung zwar nicht durch denselben Arzt, sondern durch zwei personenidentische Gesellschaften, an der die Ärzte beteiligt sind, vorgenommen werden.

Hintergrund: Ärztliche Heilbehandlungen sind umsatzsteuerfrei.

Streitfall: Die Klägerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter Frauenärzte waren, die zugleich die Frauenarztpraxis F-Praxis betrieben. Die GbR lagerte sowohl tiefgekühlte Samen- und Eizellen, damit diese künstlich befruchtet werden konnten, als auch tiefgekühlte befruchtete Eizellen ein; die vorherige oder nachfolgende künstliche Befruchtung wurde in ärztlicher Hinsicht von der F-Praxis betreut. Das Finanzamt gewährte der Klägerin nicht die Umsatzsteuerfreiheit, weil die ärztliche Leistung nicht von der Klägerin, sondern von der F-Praxis erbracht worden war.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gewährte die Umsatzsteuerfreiheit und gab der Klage statt:

  • Die Umsatzsteuerfreiheit für ärztliche Heilbehandlungen gilt auch für die isolierte Einlagerung eingefrorener Eizellen, bei der die künstliche Befruchtung von einem anderen Unternehmer betreut wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei dem einlagernden Unternehmer und dem behandelnden Unternehmer um dieselben Personen handelt.
  • Im Streitfall waren an der Klägerin sowie an der F-Praxis dieselben Ärzte beteiligt. Die Leistungen der Ärzte sind umsatzsteuerfrei. Die ärztliche Leistung ist in der Fruchtbarkeitsbehandlung zu sehen. Mit dieser ärztlichen Leistung ist die Einlagerung der tiefgefrorenen Ei- und Samenzellen verbunden, da sie denselben therapeutischen Zweck verfolgt.

Hinweise: Der BFH hatte bereits im Jahr 2015 entschieden, dass die weitere Einlagerung von Eizellen umsatzsteuerfrei ist, wenn sie durch den behandelnden Arzt erfolgt. Die Finanzverwaltung ist dem gefolgt und hat die sog. weitere Lagerung als umsatzsteuerfrei angesehen, nicht aber die sog. bloße Lagerung, bei der die ärztliche Behandlung durch einen anderen Unternehmer erfolgt. Der BFH widerspricht der Finanzverwaltung nun für den Fall, dass die beiden Unternehmer personenidentische Gesellschaften sind.

Quelle: BFH, Beschluss v. 7.7.2022 – V R 10/20; NWB

Betriebsausgabenabzug bei Zahlungen an ausländische Briefkastengesellschaft

Der Betriebsausgabenabzug eines Unternehmers für Zahlungen an eine ausländische Briefkastengesellschaft kann nicht aufgrund eines erfolglosen Benennungsverlangens beschränkt werden, wenn die ausländische Briefkastengesellschaft dem Unternehmer Bauleistungen in Rechnung gestellt hat und der Unternehmer hierfür Bauabzugsteuer angemeldet und abgeführt hat. Es kommt dann nämlich zu einer gesetzlichen Sperrwirkung der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs, und zwar auch dann, wenn die ausländische Briefkastengesellschaft die Bauleistungen nicht erbracht haben sollte.

Hintergrund: Werden an einen Unternehmer Bauleistungen erbracht, muss dieser grundsätzlich eine Bauabzugsteuer von 15 % einbehalten und an das Finanzamt abführen, es sei denn, der leistende Bauunternehmer verfügt über eine Freistellungsbescheinigung, die ihm auf Antrag erteilt wird, nachdem das Finanzamt geprüft hat, ob der Bauunternehmer voraussichtlich seine steuerlichen Pflichten erfüllen wird.

Auf Verlangen des Finanzamts muss der Unternehmer nachweisen, wer der Empfänger der von ihm geltend gemachten Zahlungen ist, sog. Benennungsverlangen. Anderenfalls kann das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug versagen oder zumindest beschränken. Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut aber nicht, wenn der Unternehmer Bauleistungen empfangen hat und hierfür die Bauabzugsteuer einbehalten und abgeführt hat.

Streitfall: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die im Baubereich tätig war. Sie erhielt Rechnungen von britischen Subunternehmen und leistete im Streitjahr 2002 Zahlungen an diese in Höhe von ca. 950.000 €. Bei allen britischen Subunternehmen handelte es sich um wirtschaftlich nicht aktive Briefkastengesellschaften. Die Klägerin behielt von den Zahlungen die Bauabzugsteuer von 15 % ein und führte diese an das Finanzamt ab. Das Finanzamt richtete an die Klägerin ein Benennungsverlangen und forderte sie auf, den tatsächlichen Empfänger der Zahlungen zu benennen. Nachdem die Klägerin diesem Benennungsverlangen nicht nachgekommen war, kürzte das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug in Höhe von 70 %, so dass nur 30 % von 950.000 € als Betriebsausgaben anerkannt wurden.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs aufgrund eines nicht erfüllten Benennungsverlangens ist nach dem Gesetz nicht möglich, wenn der Unternehmer Bauleistungen als Betriebsausgaben geltend macht und auf die Bauleistungen Bauabzugsteuer einbehalten und abgeführt hat.
  • Dies gilt auch dann, wenn es sich bei demjenigen, der die Bauleistungen in Rechnung gestellt hat, um eine ausländische Briefkastengesellschaft handelt, die wirtschaftlich nicht aktiv ist. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig.
  • Der Gesetzgeber hat bei der Einführung der Bauabzugsteuer gesehen, dass Bauleistungen von Scheinunternehmen oder Briefkastengesellschaften in Rechnung gestellt werden könnten, und auch insoweit die Einbehaltung und Abführung der Bauabzugsteuer angeordnet. Zugleich wollte der Gesetzgeber damit aber den Leistungsempfänger aus der Gefahr eines Benennungsverlangens herausnehmen.

Hinweise: Eine einschränkende Auslegung des Gesetzes zulasten der Klägerin hat der BFH abgelehnt, da der Gesetzeswortlaut Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist. Gleichermaßen hat der BFH einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verneint. Empfänger von Bauleistungen werden nicht gleichheitswidrig bevorzugt, da sie die Bauabzugsteuer einbehalten und abführen müssen.

Auf zwei Fragen ist der BFH nicht eingegangen: Wenn die ausländischen Briefkastengesellschaften wirtschaftlich nicht aktiv waren, warum sind dann die Zahlungen an sie betrieblich veranlasst und damit Betriebsausgaben? Sind die in Rechnung gestellten Bauleistungen überhaupt – und zwar von einem anderen Unternehmer – erbracht worden?

Quelle: BFH, Urteil v. 9.6.2022 – IV R 4/20; NWB