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Finanzverwaltung erleichtert Anpassung von Gewerbesteuervorauszahlungen

Die Finanzbehörden der Bundesländer erleichtern die Anpassung von Gewerbesteuervorauszahlungen aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine und der gegen Russland verhängten Sanktionen. So sollen die Finanzämter an Anträge auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zum Zwecke der Vorauszahlungen, die bis zum 31.3.2023 gestellt werden, keine strengen Anforderungen an die Überprüfung stellen.

Hintergrund: Grundsätzlich wird im Gewerbesteuerrecht zunächst vom Finanzamt der Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt und anschließend von der Gemeinde die Gewerbesteuer auf der Grundlage des von der Gemeinde verabschiedeten Hebesatzes festgesetzt und erhoben. Die Festsetzung von Vorauszahlungen ist zulässig. Das Finanzamt kann bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats (z. B. bis zum 31.3.2023 für 2021) für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag festsetzen, der sich aufgrund des voraussichtlichen Gewerbeertrags ergeben wird. Die Gemeinde ist an diese Festsetzung bei der Anpassung der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen gebunden.

Wesentlicher Inhalt der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Bundesländer:

  • Eine Anpassung der Gewerbesteuervorauszahlungen ist insbesondere bei einer Anpassung von Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuervorauszahlungen möglich, wenn von einem geringeren Gewerbeertrag auszugehen ist. Ein geringerer Gewerbesteuermessbetrag kann sich aktuell aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen ergeben.
  • Geht ein Antrag auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Zwecke der Gewerbesteuervorauszahlungen bis zum 31.3.2023 beim Finanzamt ein, sind an die Nachprüfung der Voraussetzungen keine strengen Anforderungen zu stellen. Außerdem soll über den Anpassungsantrag zeitnah entschieden werden.
  • Eine rückwirkende Anpassung für das Jahr 2022 ist möglich.
  • Passt das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen an, ist die Gemeinde hieran gebunden und muss die eigentlichen Gewerbesteuervorauszahlungen ebenfalls anpassen, d.h. mindern.

Hinweise: Für Stundungs- und Erlassanträge ist grundsätzlich die Gemeinde zuständig und nicht das Finanzamt. Die Gemeinde prüft dann die für die Stundung oder den Erlass erforderliche Unbilligkeit. Anders ist dies nur in Stadtstaaten, in denen die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nicht den Gemeinden übertragen worden ist.

Quelle: Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.10.2022; NWB

Erbschaftsteuer: Steuerfreiheit bei Schenkung mehrerer Beteiligungen

Wurden mehrere Betriebe bzw. wirtschaftliche Einheiten bis zum 30.6.2016 verschenkt, konnte für jede wirtschaftliche Einheit eine Erklärung zur sog. Vollverschonung, d.h. zur vollständigen Steuerbefreiung, gesondert abgegeben werden. Soweit die zehnprozentige Verwaltungsvermögensgrenze bei einer Einheit überschritten wurde, wurde für diese Einheit weder die vollständige noch die anteilige Steuerbefreiung von 85 % gewährt, wenn die Erklärung zur Vollverschonung auch für diese Einheit abgegeben wurde.

Hintergrund: Bei der Schenkung oder Vererbung von Betriebsvermögen wird eine Steuerfreiheit von 85 % gewährt (sog. Regelverschonung); allerdings müssen hierfür besondere Voraussetzungen eingehalten werden, z.B. die Fortführung des Betriebs für mindestens fünf Jahre. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sogar eine vollständige Steuerfreiheit erlangt werden (sog. Vollverschonung). Hierfür muss zum einen eine unwiderrufliche Erklärung abgegeben werden, und es müssen weitere Voraussetzungen erfüllt werden; so muss der Betrieb dann z.B. mindestens sieben Jahre fortgeführt werden. Für die Vollverschonung durfte der Betrieb bis zum 30.6.2016 maximal 10 % Verwaltungsvermögen (nicht produktive Werte wie z.B. Geld, Kunstwerke oder Mietwohnungen) enthalten.

Streitfall: Die Mutter der Klägerin schenkte der Klägerin im Jahr 2010 vier KG-Beteiligungen (KG 1, 2, 3 und 4). Das Finanzamt erließ einen Schenkungsteuerbescheid und gewährte die Steuerbefreiung von 85 % für Betriebsvermögen. Anschließend stellte das für die KG 1 bis 4 zuständige Finanzamt die Werte der Beteiligungen fest und ermittelte dabei eine Verwaltungsvermögensquote der KG 2 in Höhe von 13,74 %. Für alle KG zusammen betrug die Verwaltungsvermögensquote unter 10 %. Das Finanzamt änderte daraufhin den Schenkungsteuerbescheid und legte die ermittelten Werte zugrunde. Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und beantragte nunmehr für den gesamten Erwerb die sog. Vollverschonung, d.h. die vollständige Steuerbefreiung. Das Finanzamt folgte dem hinsichtlich der Beteiligungen an der KG 1, 3 und 4, gewährte aber für die KG 4 keine Steuerbefreiung, auch keine anteilige von 85 %.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab:

  • Nach dem bis zum 30.6.2016 geltenden Recht durfte der Anteil des Verwaltungsvermögen bei der Vollverschonung die Grenze von 10 % nicht überschreiten.
  • Diese Grenze von 10 % ist für jede übertragene wirtschaftliche Einheit gesondert zu ermitteln. Der Gesetzgeber stellt nach dem Wortlaut auf den jeweiligen Betrieb ab und nimmt keine zusammenfassende Betrachtung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten vor. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die siebenjährigen Behaltensfrist, die für jede wirtschaftliche Einheit gesondert zu ermitteln ist.
  • Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Verwaltungsvermögensquote für die vier KG-Beteiligungen zusammen 10 % nicht überschreitet. Für die KG 2 wird wegen Überschreitens der 10 %-Grenze die vollständige Steuerbefreiung nicht gewährt.
  • Allerdings kann die Klägerin für die KG 2 auch keine anteilige Steuerbefreiung von 85 % geltend machen. Denn wenn die Anforderungen an eine beantragte Vollverschonung nicht erfüllt sind, ist auch die Regelverschonung nicht zu gewähren. Dies ergibt sich daraus, dass die Erklärung zur Vollverschonung unwiderruflich ist. Die Unwiderruflichkeit hätte keine Bedeutung, wenn im Fall der Versagung der Vollverschonung die Regelverschonung zu gewähren wäre. Zudem soll die Vollverschonung dem Steuerpflichtigen einen erhöhten Anreiz bieten, den bestehenden Betrieb und dessen Arbeitsplätze zu schützen; zu diesen Anreizen gehört neben der vollständigen Steuerbefreiung auch der drohende Verlust der Regelverschonung.

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass die Erklärung zur Vollverschonung für jede wirtschaftliche Einheit gesondert abgegeben werden kann. Die Erklärung der Klägerin zur Vollverschonung war aber umfänglich und beschränkte sich nicht auf die Beteiligungen an der KG 1, 3 und 4. Die Klägerin hätte die unwiderrufliche Erklärung zur Vollverschonung nur für die KG 1, 3 und 4 abgeben sollen und nicht für die KG 2. Dann hätte die Klägerin für die KG 1, 3 und 4 ebenfalls die Vollverschonung, also vollständige Steuerfreiheit, erhalten und zudem für die KG 2 die sog. Regelverschonung, also eine Steuerfreiheit im Umfang von 85 %.

Die Regeln für die Begünstigung des Betriebsvermögens wurden 2016 deutlich geändert. Bis zum 30.6.2016 genügte es für die Regelverschonung, wenn der Betrieb nicht mehr als 50 % Verwaltungsvermögen enthielt, z.B. Forderungen, Bargeld oder Kunstwerke. Seit dem 1.7.2017 wird das Verwaltungsvermögen aus dem Gesamtwert des Betriebs herausgerechnet und nur der verbleibende Wert steuerbefreit. Für die sog. Vollverschonung darf der Betrieb seit dem 1.7.2016 maximal 20 % Verwaltungsvermögen enthalten; allerdings erstreckt sich die Steuerbefreiung grundsätzlich nicht auf das Verwaltungsvermögen.

Zur neuen Rechtslage seit dem 1.7.2016 hat sich der BFH nicht geäußert und auch nicht äußern müssen. Die Grundsätze des Urteils, nämlich die Folgen einer gescheiterten Erklärung zur Vollverschonung und die gesonderte Abgabe einer Erklärung zur Vollverschonung für jede wirtschaftliche Einheit, dürften aber auch für die neue Rechtslage gelten.

Quelle: BFH, Urteil v. 26.7.2022 – II R 25/20; NWB

Abschreibung bei Erwerb eines Anteils an vermögensverwaltender Personengesellschaft

Erwirbt ein Steuerpflichtiger einen Anteil an einer vermietenden (vermögensverwaltenden) Personengesellschaft, hängt seine Abschreibung von seinen Anschaffungskosten und von der Restnutzungsdauer der einzelnen Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt seines Erwerbs ab. Soweit der Erwerber auch Grundstücke miterwirbt, müssen seine Anschaffungskosten neu auf den Grund und Boden sowie auf das Gebäude aufgeteilt werden, so dass auch die aktuellen Bodenrichtwerte im Zeitpunkt des Erwerbs berücksichtigt werden.

Hintergrund: Bei einem Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft zahlt der Erwerber häufig mehr als den Betrag laut Kapitalkonto des Veräußerers. Dieser Mehrbetrag wird bei einer mitunternehmerischen Personengesellschaft, die Gewinneinkünfte erzielt, in einer sog. Ergänzungsbilanz abgebildet und abgeschrieben.

Streitfall: Die Klägerin war eine vermietende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte und daher ihre Einkünfte durch eine Überschussrechnung, d.h. nach Zu- und Abflussgesichtspunkten, ermittelte. Einer der Gesellschafter war der A, der zum 31.8.2011 einen Anteil von 16 % an seinen Bruder B zum Preis von ca. 515.000 € sowie einen Anteil von 34 % an C, die Ehefrau des B, zum Preis von ca. 1,1 Mio. € verkaufte. Das Vermögen der Klägerin bestand aus Grundbesitz sowie aus Bankverbindlichkeiten in Höhe von ca. 2 Mio. €, mit denen der Erwerb der Grundstücke finanziert worden war. Außerdem hatte die Klägerin noch Bankguthaben in Höhe von ca. 160.000 €. Die Klägerin war der Auffassung, dass zu den Anschaffungskosten des B und der C auch die Verbindlichkeiten der Klägerin, gemindert um das Bankguthaben, gehörten. Das Finanzamt legte für die Ermittlung der Abschreibung jedoch nur den Kaufpreis zuzüglich der Anschaffungskosten zugrunde.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Grundsatz der Klägerin recht gegeben und die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen:

  • Auf der Ebene der Gesellschaft, d.h. der Klägerin, bemisst sich die Abschreibung nach den ursprünglichen Anschaffungskosten für die Gebäude. Dies gilt auch dann, wenn später ein Anteil an der Klägerin übertragen wird. Die Abschreibung auf der Gesellschaftsebene bleibt trotz der Anteilsübertragung unverändert.
  • Der Erwerber, der für seinen Anteil einen Kaufpreis gezahlt hat, kann seine Abschreibung nur nach Maßgabe seiner Anschaffungskosten und nach der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Anteilserwerbs in Anspruch nehmen. Seine Anschaffungskosten weichen in der Regel von den Anschaffungskosten eines Gründungsgesellschafters ab.
  • Selbst wenn die Anschaffungskosten des Neu-Gesellschafters von den Anschaffungskosten eines Gründungsgesellschafters abweichen, kann er die bisherige Abschreibung nicht einfach fortsetzen; denn die Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts hat sich nun gemindert. Insoweit gilt für den Erwerber eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft nichts anderes als für den Erwerber eines Anteils an einer mitunternehmerisch tätigen Personengesellschaft, die Gewinneinkünfte erzielt.
  • Der Erwerber wird daher so behandelt, als hätte er die Wirtschaftsgüter anteilig direkt erworben. Anders ist dies nur, wenn er seinen Anteil unentgeltlich erworben hat. Dann führt er die bisherige Abschreibung fort.
  • Die von B und C mitübernommenen Bankverbindlichkeiten erhöhen die Anschaffungskosten von B und C. Denn sie sind Teil der jeweiligen Gegenleistung des B und C und lassen sich dem Grundbesitz zuzuordnen.
  • Soweit die Anschaffungskosten von B und C höher sind als der jeweilige Buchwert der verkauften Anteile, ist dieser Mehrbetrag den Wirtschaftsgütern des Vermögens der Klägerin zuzuordnen, und zwar nach dem Verhältnis der in ihnen ruhenden stillen Reserven. Dies erfordert eine Einzelbewertung sowie eine erneute Aufteilung der anteiligen Anschaffungskosten auf den nicht abschreibbaren Grund und Boden sowie auf das abschreibbare Gebäude. Für den sich danach ergebenden Betrag für das abschreibbare Gebäude ist die Restnutzungsdauer des Gebäudes im Zeitpunkt des Anteilserwerbs zu ermitteln.

Hinweise: Der BFH hat die Sache zur weiteren Berechnung an das FG zurückverwiesen. Dieses muss nun die Anschaffungskosten von B und C auf die einzelnen Wirtschaftsgüter (Gebäude sowie Grund und Boden) verteilen und dabei auch die Anschaffungskosten auf den Grund und Boden sowie auf das Gebäude neu aufteilen.

Auf das Bankguthaben entfällt kein Mehrbetrag, da im Bankguthaben keine stillen Reserven vorhanden sind.

Im Ergebnis gelten nach dem aktuellen BFH-Urteil für den Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, z.B. an einem geschlossenen Immobilienfonds, die gleichen Grundsätze wie für den Erwerb eines Anteils an einer mitunternehmerischen Personengesellschaft, die Gewinneinkünfte (z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb) erzielt.

Quelle: BFH, Urteil v. 3.5.2022 – IX R 22/19; NWB

Umsatzsteuer bei hundertfachen Verkäufen bei eBay

Lässt ein Steuerpflichtiger jährlich mehrere Hundert Artikel bei eBay versteigern, ist er umsatzsteuerlicher Unternehmer und muss Umsatzsteuer abführen. Die Berufung auf die Kleinunternehmerregelung ist nicht möglich, wenn er die gesetzliche Grenze für Kleinunternehmer (im Streitjahr: 17.500 €) überschritten hat. Allerdings kommt grundsätzlich die sog. Differenzbesteuerung in Betracht, soweit der Steuerpflichtige Wiederverkäufer ist und die Artikel von Privatpersonen erworben hat.

Hintergrund: Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Unter einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen zu verstehen, auch wenn die Gewinnerzielungsabsicht fehlt.

Ein gewerblicher Wiederverkäufer, der die Waren von Privat, also ohne Umsatzsteuer, erworben hat, kann die sog. Differenzbesteuerung anwenden und muss dann nur die Differenz zwischen seinem Einkaufs- und Verkaufspreis der Umsatzsteuer unterwerfen.

Streitfall: Die Klägerin erwarb Hausrat bei Haushaltsauflösungen und verkaufte die Hausratsgegenstände in den Jahren 2009 bis 2013 bei eBay. Sie führte jährlich zwischen 260 und über 1.000 Auktionen durch und erzielte dabei jährliche Einnahmen von ca. 40.000 € bis 90.000 €. Steuererklärungen gab sie nicht ab, sondern die Steuerfahndung ermittelte die Einnahmen der Klägerin. Das Finanzamt setzte auf die jährlichen Einnahmen eine Umsatzsteuer von 19 % an und berücksichtigte keine Vorsteuer. Gegen die Umsatzsteuerbescheide klagte die Klägerin.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage zum Teil Recht, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Die Klägerin war Unternehmerin und daher grundsätzlich zur Abführung von Umsatzsteuer verpflichtet. Mit ihrer Verkaufstätigkeit bei eBay übte die Klägerin eine wirtschaftliche Tätigkeit aus und war auch nachhaltig, d.h. mit Wiederholungsabsicht, tätig.
  • So wurde die Klägerin jährlich mehrere Hundert Mal bei eBay aktiv, im Jahr 2010 sogar über 1.000 Mal. Dies erforderte neben der eigentlichen Verkaufstätigkeit auch eine erhebliche Betriebsorganisation, da sie die Waren fotografieren und digital anpreisen sowie verpacken und versenden musste.
  • Angesichts dieses unternehmerischen Umfangs ist es unerheblich, ob sich die Klägerin bei eBay als Privatverkäufer oder als Händlerin angemeldet hatte; es besteht nämlich bezüglich der Merkmale der unternehmerischen Tätigkeit kein Wahlrecht.
  • Die Unternehmereigenschaft ist nach dem Gesetz nicht davon abhängig, dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht.
  • Zu Unrecht hat das Finanzamt aber die Umsatzsteuer auf die Gesamteinnahmen aufgeschlagen. Richtigerweise ist die Umsatzsteuer in der jeweiligen Bruttoeinnahme enthalten und muss herausgerechnet werden. Dies muss das FG nun im II. Rechtsgang beachten.

Hinweise: Das FG muss auch noch weitere Ermittlungen anstellen. So wird es prüfen müssen, ob die Klägerin die Differenzbesteuerung anwenden kann. Sie müsste dann nur die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der Umsatzsteuer unterwerfen. Für die Differenzbesteuerung spricht, dass die Klägerin die Hausratsgegenstände vermutlich von privat erworben hat, also ohne Umsatzsteuer. Ein etwaiger Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten, die bei der Differenzbesteuerung zu beachten sind, würde nicht zur Versagung der Differenzbesteuerung führen, sondern nur zu einer Schätzung der Einkaufspreise, ggf. mit einem erheblichen Sicherheitsabschlag, so dass sich eine etwas höhere Differenz ergibt.

Außerdem wird das FG ermitteln müssen, ob die Klägerin Vorsteuer geltend machen kann und ob ihre Umsätze ggf. einem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.

Die Klägerin kann sich nicht auf die sog. Kleinunternehmerregelung berufen, da diese in den Streitjahren nur galt, wenn der Gesamtumsatz im Vorjahr oder im Gründungsjahr 17.500 € nicht überstiegen hat. Die Umsätze der Klägerin lagen jedoch deutlich über dieser Grenze. Bei der Differenzbesteuerung geht nämlich nicht nur die Differenz in die Ermittlung des Gesamtumsatzes ein, sondern die Gesamteinnahme.

Quelle: BFH, Urteil v. 12.5.2022 – V R 19/20; NWB

Grenzen der rückwirkenden Rechnungsberichtigung

Eine rückwirkende Rechnungsberichtigung, die einen rückwirkenden Vorsteuerabzug ermöglicht, ist nicht möglich, wenn die ursprüngliche Rechnung wegen eines Irrtums über die Umsatzsteuerbarkeit keine Umsatzsteuer enthielt.

Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt u.a. eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Ist die Rechnung fehlerhaft oder unvollständig, kann sie berichtigt werden. Die Berichtigung wirkt grundsätzlich zurück, d.h. auf das Jahr, in dem die fehlerhafte bzw. unvollständige Rechnung erstellt worden ist. Der Vorsteuerabzug ist dann von vornherein möglich.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine in Luxemburg gegründete Kapitalgesellschaft und gehörte zur Unternehmensgruppe X. Die Geschäftsleitung der Klägerin befand sich in Deutschland. Im Jahr 2012 bezog die Klägerin Leistungen von anderen Unternehmen der X. In deren Rechnungen war keine Umsatzsteuer ausgewiesen, weil die leistenden Unternehmer davon ausgingen, dass die Leistung am Sitz der Klägerin in Luxemburg erbracht worden sei. Nach einer Außenprüfung bejahte das Finanzamt aufgrund der in Deutschland ansässigen Geschäftsleitung der Klägerin aber die Umsatzsteuerbarkeit der Leistungen. Daraufhin berichtigten die leistenden Unternehmer ihre Rechnungen im Jahr 2016 und wiesen nunmehr Umsatzsteuer gesondert aus. Die Klägerin machte die ausgewiesene Umsatzsteuer rückwirkend für 2012 als Vorsteuer geltend.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine rückwirkende Rechnungsberichtigung für unzulässig und wies die Klage ab:

  • Zwar kann eine fehlerhafte oder unvollständige Rechnung grundsätzlich mit Rückwirkung berichtigt werden. Dies setzt aber die Berichtigungsfähigkeit der Rechnung voraus; hierfür muss die Rechnung Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalten.
  • Die Rechnungen aus dem Jahr 2012 erfüllten diese Anforderungen nicht. Denn sie enthielten keine gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer. Die Klägerin kann nicht im Wege der Rückwirkung beanspruchen, eine Vorsteuer im Jahr 2012 abzuziehen, die ihr erstmalig im Jahr 2016 in Rechnung gestellt worden ist.
  • Außerdem lässt sich den im Jahr 2012 erstellten Rechnungen nicht entnehmen, ob der in ihnen genannte Rechnungsbetrag ein Brutto- oder Nettobetrag sein sollte, falls nachträglich Umsatzsteuer anfallen sollte. Über diese Frage konnte erstmals im Rahmen der Rechnungsberichtigung entschieden werden.

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass eine Rechnung ohne Ausweis der Umsatzsteuer nicht rückwirkend berichtigt werden kann. Die Vorsteuer ist für den Leistungs- und Rechnungsempfänger daher erst im Jahr der Berichtigung abziehbar; im Streitfall war dies das Jahr 2016.

Erschwerend kam im aktuellen Fall hinzu, dass die Klägerin im Jahr 2012 in Deutschland noch nicht umsatzsteuerlich erfasst war, da sie weder umsatzsteuerlich registriert war noch Umsatzsteuervoranmeldungen in Deutschland abgegeben hatte. Ein rückwirkender Vorsteuerabzug im Jahr 2012 wäre daher ungerechtfertigt.

Quelle: BFH, Urteil v. 7.7.2022 – V R 33/20; NWB