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Keine gesetzliche Zugangsvermutung eines Bescheids bei nicht täglicher Postzustellung

Nutzt das Finanzamt für die Bekanntgabe von Bescheiden einen privaten Postdienstleister, der nur an fünf Tagen in der Woche die Post zustellt, greift die gesetzliche Zugangsvermutung nicht, nach der ein Bescheid am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt. Die Einspruchsfrist beginnt dann erst mit Ablauf des Tages, an dem der Bescheid tatsächlich bekannt gegeben wird.

Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt ein Bescheid, der durch die Post übermittelt wird, als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn, er ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Im Zweifel hat das Finanzamt den Zugang des Bescheids und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Sachverhalt: Das Finanzamt erließ mit Datum vom 15.6.2018, einem Freitag, einen Einkommensteuerbescheid für 2017 gegenüber der Klägerin. Mit der postalischen Übermittlung des Bescheids beauftragte das Finanzamt den privaten Postdienstleister C. Die Klägerin kehrte am 19.6.2018, einem Dienstag, aus ihrem Urlaub zurück. Sie fand den Bescheid in ihrem Briefkasten vor und übermittelte ihn an ihren Steuerberater, der am 19.7.2018, einem Donnerstag, Einspruch beim Finanzamt einlegte und weitere Werbungskosten geltend machte. Das Finanzamt hielt den Einspruch für verfristet, weil nach seiner Auffassung die Einspruchsfrist am 18.7.2018 geendet hatte.

Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) hielt den Einspruch für zulässig und hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskosten auch für begründet:

  • Die gesetzliche Zugangsvermutung, nach der der Bescheid vom 15.6.2018 als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, greift im Streitfall nicht, da die C die Post nicht an sechs Tagen in der Woche zugestellt hat, sondern nur an fünf Tagen.
  • An der Aufgabe zur Post am 15.6.2018 bestehen zwar keine Zweifel, da das Finanzamt dargelegt hat, dass sichergestellt war, dass der schon vor dem 15.6.2018 erstellte Bescheid am 15.6.2018 der C übergeben wird. Auch ist die C als Post anzusehen, weil auch private Postdienstleistungsunternehmen als Post einzustufen sind.
  • Die gesetzliche Zugangsvermutung greift allerdings nicht, wenn die Post oder der private Postdienstleister die Post regelmäßig nicht an allen Werktagen (Montag bis Sonnabend) zustellt, sondern – wie im Streitfall – nur an fünf Tagen eine Postzustellung durchführt.
  • Es erscheint möglich, dass der Bescheid der Klägerin erst am 19.6.2018 bekannt gegeben worden ist, so dass der Einspruch rechtzeitig erhoben worden ist. Nach den Aussagen der Zeugen, die das FG vernommen hat, wurde die Post des Finanzamts am Sonnabend, dem 16.6.2018, im Zustellzentrum der C, das 140 km vom Finanzamt entfernt war, angeliefert und dann erst wieder am Dienstag, dem 19.6.2018, angeliefert. Am 18.6.2018 wurde nur die Post ausgetragen, die am 16.6.2018 angeliefert wurde und an diesem Tag nicht mehr zugestellt wurde.
  • Inhaltlich gab es keinen Streit über die geltend gemachten Werbungskosten, so dass der Einspruch auch begründet war.

Hinweise: Das FG sah es als unschädlich an, dass die Klägerin den Briefumschlag nicht aufgehoben hatte. In der Praxis sollte ein Briefumschlag aber vorsorglich aufgehoben werden, erst recht, wenn sich hieraus ergibt, dass der Bescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben worden sein könnte.

Mit der Postzustellung verhält es sich aktuell wie mit der Bahn: Beide werden zunehmend unzuverlässiger. Möglicherweise wird dieses Problem im Bereich der Bekanntgabe von Steuerbescheiden durch die elektronische Übermittlung oder durch die Bereitstellung von Bescheiden zum Datenabruf gemindert; soweit aber eine postalische Bekanntgabe erfolgt, „wackelt“ die gesetzliche Zugangsvermutung von drei Tagen nach Aufgabe zur Post. Gleichwohl sollte nicht darauf vertraut werden, dass die Einspruchsfrist erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt, sondern der Einspruch frühzeitig – ggf. ohne Begründung – erhoben werden, zumal eine Einspruchseinlegung per E-Mail zulässig ist.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.8.2022 – 7 K 7045/20; NWB

Höhe der Säumniszuschläge ist verfassungsgemäß

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Höhe der Säumniszuschläge, die sich auf monatlich 1 % bzw. jährlich 12 % belaufen, für verfassungsgemäß. Die Gründe, die bei Nachzahlungszinsen auf Steuernachzahlungen dazu führten, dass ein Zinssatz von 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig angesehen wurde, lassen sich auf Säumniszuschläge nicht übertragen.

Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags erhoben. Jährlich entstehen also Säumniszuschläge in Höhe von 12 %. Dieser Zuschlag ist doppelt so hoch wie die für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 geltenden Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betrugen, Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gesenkt. Umstritten ist, ob diese Entscheidung des BVerfG auch Bedeutung für die Höhe der Säumniszuschläge hat.

Sachverhalt: Der Kläger war ein Insolvenzverwalter eines Steuerpflichtigen, der die Steuern verspätet bzw. gar nicht gezahlt hatte. Hierdurch waren Säumniszuschläge in Höhe von 1.153 € verwirkt worden. Das Finanzamt erließ die Hälfte und meldete die verbleibende Hälfte in Höhe von 576,50 € zur Insolvenztabelle an. Da der Insolvenzverwalter die Säumniszuschläge bestritt, erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid über Insolvenzforderungen, zu denen auch die Säumniszuschläge gehörten. Hiergegen klagte der Insolvenzverwalter und machte die Verfassungswidrigkeit der Säumniszuschläge geltend.

Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:

  • Die Höhe von 1 % pro Monat bzw. 12 % jährlich für Säumniszuschläge ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen für Nachzahlungszinsen, die zur Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 6 % für Verzinsungszeiträume führten, lassen sich auf Säumniszuschläge nicht übertragen.
  • Im Gegensatz zu den Zinsen auf Steuernachzahlungen ist der Hauptzweck von Säumniszuschlägen nämlich nicht die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen. Vielmehr geht es bei Säumniszuschlägen vorrangig um die Sanktionierung verspäteter Zahlungen. Der Steuerpflichtige hat die Entstehung des Säumniszuschlags aufgrund seiner verspäteten Zahlung zudem bewusst in Kauf genommen.
  • Der Gesetzgeber musste bei der Höhe der Säumniszuschläge auch nicht das strukturelle Niedrigzinsniveau, das seit 2014 besteht, berücksichtigen. Säumniszuschläge sind nämlich keine Zinsen, sondern Nebenleistungen zur Steuer, die die Eigenschaften von Zinsen teilen. In Säumniszuschlägen ist auch kein konkreter Zinsanteil enthalten.

Hinweise: Bislang hatte sich der BFH nur im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Höhe der Säumniszuschläge geäußert. Die aktuelle Entscheidung ist hingegen ein Urteil im Hauptsacheverfahren. Allerdings kann eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge allein das BVerfG treffen.

In der Praxis wird angenommen, dass die Hälfte der Säumniszuschläge als Druckmittel dient und im Übrigen eine Zinsfunktion hat sowie den Verwaltungsaufwand des Finanzamts ersetzen soll. Ist der Steuerpflichtige zahlungsunfähig, wird daher auf Antrag in der Regel die Hälfte der Säumniszuschläge erlassen (wie auch im Streitfall), da bei Zahlungsunfähigkeit ein Druckmittel sinnlos ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 15.11.2022 – VII R 55/20; NWB

Umsatzsteuerbarkeit von sog. Innenumsätzen bei einer Organschaft

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss entscheiden, ob Leistungen einer Organgesellschaft an einen Organträger im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft wie bislang nicht umsatzsteuerbar sind oder aber entgegen der bisherigen Praxis der Umsatzsteuer unterliegen.

Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt also nicht auf.

Sachverhalt: Im Streitfall bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger, der Organträger war und eine Universitätsklinik betrieb, und der U-GmbH, die Organgesellschaft war. Die U-GmbH erbrachte im Jahr 2005 Reinigungsleistungen gegenüber dem Kläger für ein Entgelt von ca. 75.000 €. Der Kläger war aber teilweise hoheitlich tätig, soweit er nämlich im universitären Bereich tätig war. Das Finanzamt unterwarf das Entgelt für die Reinigungsleistungen, soweit sie auf den hoheitlichen Betrieb des Klägers entfielen, als umsatzsteuerbare unentgeltliche Wertabgabe und setzte entsprechend Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger fest. Der BFH richtete ein erstes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, der eine unentgeltliche Wertabgabe aufgrund des vereinbarten Entgelts ablehnte.

Entscheidung: Der BFH rief in demselben Fall nun erneut den EuGH an:

  • Aus Sicht des BFH ist die Umsatzsteuerbarkeit von Innenumsätzen, d.h. von Leistungen unter den Unternehmen des Organkreises, unklar, nachdem der EuGH in seiner Entscheidung zum ersten Vorabentscheidungsersuchen eine selbständige Wirtschaftstätigkeit der U-GmbH und damit eine umsatzsteuerbare Reinigungsleistung für möglich gehalten hatte.
  • Zwar hat sich der EuGH in der Vergangenheit immer wieder mit der umsatzsteuerlichen Organschaft beschäftigt. Dabei war aber die Frage der Umsatzsteuerbarkeit der Innenumsätze nicht entscheidungserheblich.
  • Für die Antwort auf die Frage, ob die Innenumsätze umsatzsteuerbar sind, könnte es einerseits von Bedeutung sein, ob der Kläger als Organträger nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. In diesem Fall könnte die Gefahr eines Steuerverlustes bestehen, weil die von der U-GmbH in Rechnung zu stellende Umsatzsteuer vom Kläger nicht vollständig abgezogen werden könnte; dies würde gegen eine Umsatzsteuerbarkeit sprechen. Andererseits könnte aber auch relevant sein, ob die Organschaft missbräuchlich eingesetzt wird, um die Entstehung einer Umsatzsteuer, die beim Organträger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, zu vermeiden.

Hinweise: Sollte der EuGH eine Umsatzsteuerbarkeit der Innenumsätze bejahen, müsste der Kläger als Organträger diese Umsatzsteuer abführen. Aufgrund seiner hoheitlichen Tätigkeit stünde dem Kläger aber insoweit kein Vorsteuerabzug zu. Die bisherige Praxis, dass Innenumsätze als nicht umsatzsteuerbar behandelt werden, wäre damit hinfällig.

Quelle: BFH, Beschluss v. 26.1.2023 – V R 20/22 (V R 40/19), Az. des EuGH: C-184/23; NWB

Finanzielle Eingliederung bei umsatzsteuerlicher Organschaft

Die finanzielle Eingliederung, die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlich ist, kann nicht nur durch eine Stimmenrechtsmehrheit des Organträgers bei der Organgesellschaft erreicht werden, sondern auch durch Stimmenrechte im Umfang von nur 50 %, wenn der Organträger dann mehr als 50 % der Anteile an der Organgesellschaft hält und den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt. In diesem Fall besteht zwar nur eine schwächere finanzielle Eingliederung; diese wird jedoch durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung ausgeglichen.

Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt also nicht auf.

Sachverhalt: Die Klägerin war die Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie GmbH, die zwei Gesellschafter hatte: zum einen die A, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die im Streitjahr 2005 51 % an der Klägerin hielt und sieben Stimmrechte hatte, und zum anderen den C-Verein, der 49 % hielt, und ebenfalls sieben Stimmrechte hatte. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war der E, der auch Alleingeschäftsführer der A sowie des C-Vereins war. Die Klägerin ging von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus, während das Finanzamt eine finanzielle Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen der A und damit eine Organschaft verneinte. Das Finanzamt behandelte deshalb die von der Klägerin an A sowie an Dritte erbrachten Leistungen als umsatzsteuerbar.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Die finanzielle Eingliederung ist zu bejahen, wenn der Organträger die Mehrheit der Stimmrechte hält. Allerdings hatte die A nur sieben Stimmrechte, während der C-Verein ebenfalls sieben Stimmrechte hatte. Damit war eine Stimmenrechtsmehrheit der A zu verneinen.
  • Allerdings kann auch bei Stimmengleichheit eine Organschaft zu bejahen sein, auch wenn die finanzielle Eingliederung nur schwächer ausgeprägt ist. Die finanziell schwächer ausgeprägte Eingliederung kann durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung ausgeglichen werden. Im Streitfall war die organisatorische Eingliederung besonders stark ausgeprägt, da der Geschäftsführer der Klägerin und der Geschäftsführer der A jeweils der E war, so dass eine Personenidentität bestand. Damit konnte die A als Organträger ihren Willen bei der Klägerin als Organgesellschaft durchsetzen.
  • Aufgrund der danach zu bejahenden Organschaft durfte die Umsatzsteuer nur gegen die A als Organträger festgesetzt werden, nicht aber gegen die Klägerin. Im Umsatzsteuerbescheid, der gegenüber der A zu erlassen ist, ist dann zu klären, ob die von der Klägerin an die A erbrachten Leistungen umsatzsteuerbar waren.

Hinweise: Der BFH hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, der ebenfalls von einer Organschaft ausgegangen war und die Organschaft nach deutschem Recht für europarechtskonform hält. Mit dem aktuellen Urteil ändert der BFH seine Rechtsprechung, weil eine Stimmenrechtsmehrheit nicht mehr zwingend erforderlich für eine Organschaft ist, sondern eine bloße Stimmengleichheit durch eine Personenidentität in der Geschäftsführung ausgeglichen werden kann.

Die Frage, ob die Klägerin umsatzsteuerbare Leistungen an die A erbracht hat, wird noch zu klären sein. Zu der Frage, wie solche Leistungen zu behandeln sind, hat der BFH in einem Parallelverfahren ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

Quelle: BFH, Urteil v. 18.1.2023 – XI R 29/22 (XI R 16/18); NWB

Bewertung einer GmbH-Beteiligung mit disquotalem Stimm- und Gewinnbezugsrecht

Eine GmbH-Beteiligung, deren Stimm- und Gewinnbezugsrechte prozentual niedriger sind als die eigentliche Beteiligungsquote, ist niedrigerer zu bewerten als eine GmbH-Beteiligung, deren Stimm- und Bezugsrechte quotal ausgestaltet sind, also der Beteiligungsquote entsprechen. Bei einem disquotal ausgestalteten Stimm- und Gewinnbezugsrecht handelt es sich nämlich um einen preisbeeinflussenden Umstand und nicht um ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, die bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen wären.

Hintergrund: Sachspenden müssen bewertet werden, damit der Spendenabzug bei der Einkommensteuer in der richtigen Höhe erfolgen kann. Zu den Sachspenden können auch GmbH-Beteiligungen gehören. Sachspenden, die aus dem Privatvermögen stammen, werden grundsätzlich mit dem gemeinen Wert bewertet. Dies ist der Preis, der bei einer Veräußerung im allgemeinen Geschäftsverkehr erzielt werden kann.

Sachverhalt: Der Kläger war zusammen mit vier anderen Gesellschaftern an einer GmbH beteiligt. Sie schenkten die GmbH-Beteiligung im Umfang von 89 % einer gemeinnützigen Stiftung; das Stimm- und Gewinnbezugsrecht der GmbH-Beteiligung betrug aber nur jeweils 1 % und nicht 89 %. Die Stiftung erteilte dem Kläger und seinen vier Mitgesellschaftern Spendenbescheinigungen, in denen der Wert der geschenkten Beteiligung mit ca. 41 Mio. € angegeben wurde, von denen jeweils 20 % auf den Kläger und die anderen Gesellschafter entfielen, d.h. ca. 8,2 Mio. €/Gesellschafter. Das Finanzamt ging jedoch nur von einem Wert pro Gesellschafter in Höhe von ca. 1,5 Mio. € aus (Gesamtwert der Beteiligung nach dem Finanzamt also ca. 7,5 Mio. €).

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurück:

  • Im Grundsatz zutreffend haben Finanzamt und Finanzgericht das disquotale Stimm- und Gewinnbezugsrecht von jeweils nur 1 % als wertmindernd berücksichtigt. Denn das disquotale Stimmrecht und das disquotale Gewinnbezugsrecht waren im Gesellschaftsvertrag vereinbart und daher ein preisbeeinflussender Umstand.
  • Bei der Bewertung sind zwar ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen. Dies betrifft aber nur Verhältnisse, die mit der Person des aktuellen Gesellschafters verknüpft sind. Sowohl das disquotale Stimmrecht als auch das disquotale Gewinnbezugsrecht waren aber mit dem Anteil verbunden und nicht mit der Person des Klägers.
  • Die Zurückverweisung erfolgt, weil dem FG bei der Bewertung Widersprüche unterlaufen sind.

Hinweise: Zu klären ist auch noch, ob der Kläger auf die fehlerhafte Spendenbescheinigung vertrauen durfte. Zwar besteht nach dem Gesetz grundsätzlich Vertrauensschutz, wenn eine Spendenbescheinigung ausgestellt wird; dies gilt aber nicht, wenn dem Spender die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Dem BFH zufolge ist dem Kläger dabei die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von Personen, die er in Ausweitung seines Risikobereichs in die Abwicklung der Spende eingeschaltet hat, zuzurechnen. Die Beweislast hierfür liegt aber beim Finanzamt; allerdings muss der Kläger auch bei der Aufklärung mitwirken. Für eine Kenntnis des Klägers von der Unrichtigkeit der Spendenbescheinigung könnte sprechen, dass der Kläger ein erfolgreicher Unternehmer war und durchaus gewusst haben dürfte, dass die GmbH-Beteiligung mit einem disquotalen Stimm- und Gewinnbezugsrecht ausgestaltet war.

Quelle: BFH, Urteil v. 16.11.2020 – X R 17/20; NWB