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Versteuerung einer nicht zugeflossenen Tantieme

Ein beherrschender GmbH-Geschäftsführer muss eine ihm nicht zugeflossene Tantieme nur dann versteuern, wenn die GmbH eine Tantiemerückstellung gewinnmindernd passiviert hat. Anderenfalls ist die Annahme eines fiktiven Zuflusses gerechtfertigt.

Hintergrund: Die Tantieme eines GmbH-Geschäftsführers gehört zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und muss daher grundsätzlich im Zeitpunkt des Zuflusses versteuert werden. Allerdings kann es bei beherrschenden Gesellschaftern auch zu einem sog. fiktiven Zufluss kommen, wenn sie einen fälligen Anspruch gegen ihre GmbH haben und die GmbH zahlungsfähig ist. Denn ein beherrschender Gesellschafter kann die Auszahlung der Tantieme jederzeit durchsetzen.

Sachverhalt: Der Kläger war alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und hatte in den Streitjahren 2015 bis 2017 einen Anspruch auf Auszahlung einer Tantieme, der fällig war. Die GmbH zahlte ihm die Tantieme in den Jahren 2015 bis 2017 jedoch nicht aus. Die GmbH hatte in den Jahresabschlüssen zum 31.12.2015 bis 31.12.2017 keine Tantiemerückstellungen passiviert und ihren Gewinn daher nicht gemindert. Das Finanzamt ging von einem fiktiven Zufluss der Tantiemen beim Kläger aus und setzte bei der Einkommensteuer 2015 bis 2017 entsprechende Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit an.

Entscheidung: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) verneinte einen fiktiven Zufluss und gab der Klage statt:

  • Zwar kann bei einem beherrschenden Gesellschafter ein fiktiver Zufluss angenommen werden, wenn er gegen seine GmbH einen fälligen Anspruch hat und die GmbH zahlungsfähig ist. Mit der Fälligkeit wird dann ein Zufluss angenommen, der im Jahr der Fälligkeit versteuert werden muss. Fälligkeit des Anspruchs und Zahlungsfähigkeit der GmbH waren im Streitfall gegeben.
  • Allerdings setzt ein fiktiver Zufluss des Weiteren voraus, dass die GmbH die Tantieme gewinnmindernd gebucht hat. Denn der fiktive Zufluss, der eine Versteuerung beim beherrschenden Gesellschafter bewirkt, ist ein Ausgleich dafür, dass die Tantieme bei der GmbH den Gewinn gemindert hat. Ist der Gewinn der GmbH aber nicht gemindert worden, gibt es keinen Grund, beim Gesellschafter eine Versteuerung sicherzustellen.
  • Mangels Passivierung der Tantiemeverpflichtung bei der GmbH entfällt somit ein fiktiver Zufluss beim Kläger.

Hinweise: Zu einer Versteuerung der Tantieme beim Kläger kommt es somit erst dann, wenn er die Tantieme erhält oder wenn die GmbH eine Tantiemerückstellung passiviert.

Das FG folgt nicht der Auffassung des Bundesfinanzministeriums, das einen fiktiven Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter auch dann annimmt, wenn die GmbH keine Tantiemerückstellung passiviert hat. Dem FG zufolge kommt es nicht darauf an, ob die GmbH eine Tantiemerückstellung hätte passivieren müssen.

Die Grundsätze des fiktiven Zuflusses gelten auch bei anderen Zahlungsansprüchen eines beherrschenden Gesellschafters gegen seine GmbH, z.B. beim laufenden Gehalt oder bei Miet- oder Zinsansprüchen, wenn er mit der GmbH einen Miet- oder Darlehensvertrag geschlossen hat.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.6.2022 – 12 K 58/20; NWB

Ein- und Austritt eines neuen Gesellschafters bei einer Personengesellschaft

Ist ein neuer Gesellschafter in eine unternehmerisch tätige Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) eingetreten und haben sich die Altgesellschafter für eine Buchwertfortführung und damit gegen eine Versteuerung ihrer stillen Reserven entschieden und deshalb negative Ergänzungsbilanzen gebildet, müssen sie die negativen Ergänzungsbilanzen bei einem späteren Ausscheiden des Neugesellschafters gegen Abfindung nicht gewinnerhöhend auflösen, sondern können diese fortführen. Hingegen kann der Neugesellschafter seine positive Ergänzungsbilanz, die er anlässlich seines Beitritts gebildet hat, gewinnmindernd von seiner Abfindung abziehen.

Hintergrund: Tritt ein neuer Gesellschafter in eine Mitunternehmerschaft (unternehmerisch tätige Personengesellschaft) ein, wird dies vom Gesetzgeber als Einbringung der Mitunternehmeranteile der Altgesellschafter in eine neue Mitunternehmerschaft angesehen, so dass die Altgesellschafter grundsätzlich ihre stillen Reserven versteuern müssen. Die Altgesellschafter können sich aber für eine Buchwertfortführung entscheiden. In diesem Fall sind im Ergebnis nur die Buchwerte auszuweisen. Der Neugesellschafter kann dann seinen Mehraufwand in einer sog. positiven Ergänzungsbilanz ausweisen und abschreiben, während die Altgesellschafter eine negative Ergänzungsbilanz in korrespondierender Höhe zur positiven Ergänzungsbilanz aufstellen und diese über „Negativabschreibungen“ in den Folgejahren gewinnerhöhend auflösen.

Sachverhalt: Zum 30.12.2005 beteiligte sich die M-GmbH an der C-KG. Die Altgesellschafter entschieden sich zur Buchwertfortführung. In der Bilanz der C-KG wurden daher die Buchwerte ausgewiesen. Die M-KG konnte ihren Mehrbetrag in einer positiven Ergänzungsbilanz ausweisen, während die Altgesellschafter in korrespondierender Höhe negative Ergänzungsbilanzen aufstellten, so dass im Ergebnis keine stillen Reserven aufgedeckt wurden. Zum 1.1.2011 schied die M-GmbH gegen Abfindung aus. Zwecks Ermittlung ihres Aufgabegewinns löste die M-GmbH ihre positive Ergänzungsbilanz gewinnmindernd auf. Das Finanzamt war der Auffassung, dass im Gegenzug auch die negativen Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter gewinnerhöhend aufzulösen seien. Hiergegen wehrte sich die C-KG.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Für eine Auflösung der negativen Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter gab es keine Rechtsgrundlage. Zwar wurden die negativen Ergänzungsbilanzen korrespondierend zur positiven Ergänzungsbilanz der M-GmbH gebildet, um im Ergebnis die Buchwertfortführung zu vermeiden; diese Korrespondenz erfolgte jedoch aufgrund des Beitritts der M-GmbH.
  • Diese Korrespondenz begründete aber keine Pflicht zur Auflösung der negativen Ergänzungsbilanzen beim Ausscheiden der M-GmbH. Denn Ergänzungsbilanzen werden streng mitunternehmerbezogen geführt. Daher beeinflusst die Aufgabe des Mitunternehmeranteils der M-GmbH nur die Ergänzungsbilanz der M-GmbH, nicht aber die Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter, die ihre Mitunternehmeranteile weder aufgegeben noch veräußert haben.
  • Die negativen Ergänzungsbilanzen der Altgesellschafter konnten daher ab dem 1.1.2011 fortgeführt werden und führten, soweit in ihnen Minderwerte für abnutzbare Wirtschaftsgüter ausgewiesen waren, auch nach dem Ausscheiden der M-GmbH zu gewinnerhöhenden Minderabschreibungen.

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass es nur hinsichtlich der Höhe der positiven und negativen Ergänzungsbilanzen eine Korrespondenz gab, nicht aber für die Bildung und Auflösung. Bereits für die Bildung der Ergänzungsbilanzen gab es unterschiedliche Gründe, da die M-GmbH ihre erworbenen stillen Reserven in ihrer positiven Ergänzungsbilanz aktivierte, während die Altgesellschafter die negativen Ergänzungsbilanzen aufstellten, um ihr Wahlrecht auf Buchwertfortführung auszuüben und eine Versteuerung der stillen Reserven zu vermeiden.

Quelle: BFH, Urteil vom 23.2.2023 – IV R 27/19; NWB

Keine erweiterte Gewerbeertragskürzung für sog. Sondervergütungen an Gesellschafter

Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung, die für gewerbliche Grundstücksverwaltungsgesellschaften gewährt wird, erstreckt sich bei einer Personengesellschaft nicht auf die Sondervergütungen, die als Tätigkeitsvergütungen oder als Zinsen an die Gesellschafter geleistet werden. Dies gilt auch dann, wenn der entsprechende Gesellschafter gar nicht gewerbesteuerpflichtig ist.

Hintergrund: Unternehmen, die nur aufgrund ihrer Rechtsform als Kapitalgesellschaft oder aufgrund ihrer gewerblichen Prägung als GmbH & Co. KG gewerbesteuerpflichtig sind, tatsächlich aber ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, können eine sog. erweiterte Gewerbesteuerkürzung beantragen. Der Ertrag aus der Grundstücksverwaltung und -nutzung unterliegt dann nicht der Gewerbesteuer. Nach dem Gesetz erstreckt sich die erweiterte Kürzung aber nicht auf Sondervergütungen, die in dem Gewinn enthalten sind und die für eine Tätigkeit des Gesellschafters (Tätigkeitsvergütung) oder für ein Darlehen (Zinsen) oder für die Nutzung eines Wirtschaftsguts, das kein Grundstück ist, gezahlt werden. Diese Einschränkung betrifft nur Personengesellschaften, weil es bei Kapitalgesellschaften keine Sondervergütungen gibt.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG, die eigenen Grundbesitz verwaltete. An der Klägerin war u.a. auch der B, der eine natürliche Person war, beteiligt. B hatte der Klägerin ein Darlehen gewährt und erhielt hierfür im Streitjahr 2016 Zinsen in Höhe von ca. 66.000 € (B). Diese Zinsen stellten sog. Sondervergütungen dar, die in den Gewerbeertrag der Klägerin eingingen und einkommensteuerlich dem B als Sonderbetriebseinnahmen zugerechnet wurden. Die Klägerin beantragte die erweiterte Kürzung, und zwar auch hinsichtlich der an B gezahlten Zinsen. Das Finanzamt lehnte die erweiterte Kürzung für die Sondervergütungen ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Nach dem Gesetz wird die erweiterte Kürzung nicht für Sondervergütungen gewährt, wenn es sich bei den Sondervergütungen um Tätigkeitsvergütungen, um Zinsen oder um Miet- oder Pachtzahlungen (ausgenommen Miet- oder Pachtzahlungen für Grundbesitz) handelt.
  • Die an B gezahlten Zinsen werden somit nach dem Gesetzeswortlaut nicht von der erweiterten Kürzung erfasst. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschafter – wie B – nicht gewerbesteuerpflichtig ist.
  • Der Gesetzeswortlaut ist nicht einschränkend auszulegen, da der Gesetzgeber die Regelung bewusst weit gefasst hat.

Hinweise: Der Ausschluss der erweiterten Kürzung betrifft nur die an B gezahlten Zinsen, nicht aber den sonstigen Gewinn der Klägerin aus der Verwaltung eigenen Grundbesitzes. Hätte B an die Klägerin ein Grundstück vermietet, wäre für die Miete als Sondervergütung eine erweiterte Kürzung gewährt worden, weil Sondervergütungen für die Überlassung von Grundbesitz nicht von der erweiterten Kürzung ausgeschlossen werden.

Die Versagung der erweiterten Kürzung für Sondervergütungen an Gesellschafter (mit Ausnahme der Miet- und Pachtzinsen für Grundbesitz) soll insbesondere verhindern, dass sich Banken mit einem Zwerganteil an der grundstücksverwaltenden Personengesellschaft beteiligen und dann hohe Gesellschafterdarlehen gewähren; die hierfür gezahlten Zinsen wären ohne die gesetzliche Regelung gewerbesteuerfrei. Man nennt diese Gestaltung, die bis 2009 möglich war, „Bankenbeteiligungsmodell“.

Quelle: BFH, Urteil v. 9.3.2023 – IV R 25/20; NWB

Grunderwerbsteuer: Zurechnung von Grundstücken bei Treuhand

Einer Gesellschaft sind Grundstücke, die sich im Vermögen von Tochter-Kapitalgesellschaften befinden, nicht bereits aufgrund ihrer Beteiligung an der Tochter-Kapitalgesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen. Die Zurechnung des Grundstücks im Rahmen der Prüfung einer grunderwerbsteuerbaren Anteilsvereinigung oder -übertragung setzt vielmehr voraus, dass die Gesellschaft bezüglich des Grundstücks einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang in Form eines Kaufvertrags oder des Erwerbs der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis verwirklicht hat. Die Zurechnung des Grundstücks ist zu verneinen, wenn ein Dritter aufgrund einer Treuhandabrede bereits die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis an dem Grundstück erlangt hat.

Hintergrund: Die Grunderwerbsteuerbarkeit ist zum einen bei Kaufverträgen über Grundstücke und zum anderen beim Erwerb der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis, ohne dass das Eigentum am Grundstück erworben wird, zu bejahen. Ferner kann sich eine Grunderwerbsteuerbarkeit bei einer Übertragung von Anteilen an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft ergeben, wenn der Gesellschaft Grundstücke zuzurechnen sind.

Sachverhalt: Drei verschiedene GmbH waren Eigentümer von Grundstücken. Gesellschafter der drei GmbH war die DN, deren Gesellschafterin wiederum die MG war. Die drei GmbH hatten im Dezember 2002 mit der MG eine sog. Vereinbarungstreuhand bezüglich der Grundstücke begründet, so dass die MG Treugeberin der Grundstücke und die drei GmbH Treuhänder der Grundstücke wurden; aufgrund der Vereinbarungstreuhand wurde Grunderwerbsteuer festgesetzt.

Im April 2004 erwarb die Klägerin, eine GmbH, von der MG 100 % der Anteile an der DN. Außerdem übertrug die MG ihre Rechte und Pflichten aus der Treuhandvereinbarung auf die Klägerin; das Finanzamt setzte aufgrund der Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Treuhandvereinbarung Grunderwerbsteuer fest. Ferner wollte das Finanzamt die Anteilsübertragung von der MG auf die Klägerin der Grunderwerbsteuer unterwerfen und stellte die Werte der Grundstücke der drei GmbH gesondert fest. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Zwar kann eine Anteilsübertragung oder Anteilsvereinigung Grunderwerbsteuer auslösen. Dies setzt aber voraus, dass es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft handelt, der mindestens ein Grundstück zuzurechnen ist. Die Zurechnung hängt weder vom zivilrechtlichen noch vom wirtschaftlichen Eigentum an dem Grundstück ab. Vielmehr kommt es auf die grunderwerbsteuerliche Zuordnung an.
  • Ein inländisches Grundstück ist einer Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Anteilsübertragung oder Anteilsvereinigung grunderwerbsteuerlich zuzurechnen, wenn sie einen Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen hat oder aber die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis an dem Grundstück erlangt hat. Hingegen ist ihr das Grundstück nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter einen Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen hat oder aber die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis an dem Grundstück erlangt hat.
  • Im Streitfall gehörten den drei GmbH im April 2004 die Grundstücke nicht mehr im grunderwerbsteuerlichen Sinne. Denn bereits im Dezember 2002 hatte die MG aufgrund der Vereinbarungstreuhand die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis an den Grundstücken erworben; damit waren die Grundstücke der MG grunderwerbsteuerlich zuzurechnen. Die Anteilsübertragung im April 2004 betraf somit eine Gesellschaft (DN), die keine Grundstücke mehr im grunderwerbsteuerlichen Sinne besaß.

Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass allein eine bloße Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentümerin von Grundstücken ist, nicht für die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken ausreicht. Vielmehr müssen die Grundstücke der Kapitalgesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen sein; nur dann kann eine Anteilsübertragung an der Kapitalgesellschaft Grunderwerbsteuer auslösen. Nach aktueller Rechtslage müssen hierzu entweder mindestens 90 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft übertragen werden oder ein Gesellschafter muss infolge der Anteilsübertragung eine Beteiligung von mindestens 90 % an der Kapitalgesellschaft erlangen.

Seit 2021 kann auch der Austausch von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft innerhalb von zehn Jahren im Umfang von mindestens 90 % Grunderwerbsteuer auslösen, wenn der Kapitalgesellschaft mindestens ein Grundstück grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 14.12.2022 – II R 40/20; NWB

Wegzugsbesteuerung bei vorübergehendem Umzug ins Ausland

Gibt ein Steuerpflichtiger, der an einer GmbH mit mindestens 1 % beteiligt ist, seinen Wohnsitz in Deutschland auf, muss er zwar im Rahmen der sog. Wegzugsbesteuerung den Wertzuwachs, der bei seiner GmbH-Beteiligung eingetreten ist, aufgrund des Wegzugs ins Ausland grundsätzlich versteuern. Diese Versteuerung entfällt jedoch, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig wird; für diesen Wegfall der Besteuerung ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige bei dem Wegzug ins Ausland eine Rückkehrabsicht gehabt hat.

Hintergrund: Beendet ein Steuerpflichtiger seine seit mindestens zwölf Jahren bestehende unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland, indem er ins Ausland zieht, kann es zu einer sog. Wegzugbesteuerung kommen, wenn der Steuerpflichtige wesentlich an einer GmbH beteiligt ist, also mit mindestens 1 %. Er muss dann die Differenz zwischen dem gemeinen Wert seiner GmbH-Anteile und den Anschaffungskosten versteuern, obwohl er die Anteile gar nicht verkauft hat. Nach dem Gesetz entfällt die Wegzugbesteuerung aber, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland innerhalb von sieben Jahren wieder begründet wird. Das Finanzamt kann diese Frist um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht.

Sachverhalt: Der Kläger war an mehreren GmbHs mit mindestens 1 % beteiligt und zog am 1.3.2014 von Deutschland nach Dubai. In seiner Ende 2015 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2014 machte der Kläger geltend, dass eine Wegzugbesteuerung nicht greife, weil er ab dem 1.1.2016 wieder in Deutschland wohne. Das Finanzamt folgte der Auffassung nicht, weil es eine Rückkehrabsicht des Klägers verneinte.

Entscheidung: Der BFH gab der Klage, die noch einen weiteren streitigen Punkt betraf, hinsichtlich der Wegzugbesteuerung statt:

  • Die Voraussetzungen der Wegzugbesteuerung lagen zwar an sich vor: Der Kläger war seit mindestens zehn Jahren (aktuelle Rechtslage: mindestens zwölf Jahre) unbeschränkt steuerpflichtig, und er war an mehreren GmbHs wesentlich beteiligt. Damit galt der Wegzug ins Ausland unter Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht als Veräußerung der GmbH-Beteiligungen, die mit dem gemeinen Wert zu bewerten waren.
  • Allerdings ist die Wegzugbesteuerung dadurch entfallen, dass der Kläger innerhalb von fünf Jahren (aktuelle Rechtslage: innerhalb von sieben Jahren) nach seinem Umzug nach Dubai wieder unbeschränkt steuerpflichtig geworden ist. Denn der Kläger ist zum 1.1.2016 wieder nach Deutschland gezogen, so dass er nur vorübergehend abwesend war.
  • Für den Wegfall der Wegzugbesteuerung ist eine Rückkehrabsicht nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige innerhalb der gesetzlichen Frist wieder nach Deutschland zurückkehrt und hier unbeschränkt steuerpflichtig wird. Die Rückkehrabsicht spielt nur eine Rolle, wenn die gesetzliche Frist vom Finanzamt verlängert werden soll.

Hinweise: Die Rechtslage hat sich mittlerweile geändert, weil die Wegzugbesteuerung nur greift, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht zwölf Jahre bestand und weil die Wegzugbesteuerung entfällt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Im Streitjahr 2014 kam es für den Fall der Verlängerung der Frist durch das Finanzamt zusätzlich darauf an, dass der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind.

Die sog. Rückkehrerregelung (Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb von sieben Jahren nach Wegzug) wird vom BFH zugunsten der Steuerpflichtigen ausgelegt; nach dem aktuellen Urteil muss nämlich nicht ermittelt werden, ob der Steuerpflichtige beim Wegzug ins Ausland eine Rückkehrabsicht hatte. Der BFH widerspricht insoweit der Finanzverwaltung.

Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 – I R 55/19; NWB