Abzug der Beiträge für die Wiederauffüllung einer Rentenanwartschaft
Füllt der Steuerpflichtige nach seiner Scheidung und dem zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleich seine Rentenanwartschaft auf, ist die Zahlung als Sonderausgabe beschränkt abziehbar. Ein unbeschränkter Abzug als vorweggenommene Werbungskosten scheidet wegen des Vorrangs des Sonderausgabenabzugs aus.
Hintergrund: Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sind nach dem Gesetz als Sonderausgaben absetzbar; die Höhe ist aber auf den Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung begrenzt. Die spätere Rente führt zu steuerpflichtigen sonstigen Einkünften, die teilweise steuerfrei sind.
Sachverhalt: Der Kläger wurde 2014 von seiner Ehefrau geschieden. Der aufgrund der Scheidung durchgeführte Versorgungsausgleich führte zu einer Minderung seiner Rentenanwartschaft. Er zahlte daraufhin im Jahr 2014 ca. 75.000 € an das Versorgungswerk für Rechtsanwälte, um seine Rentenanwartschaft wieder aufzufüllen. Das Finanzamt berücksichtigte hiervon aber nur ca. 5.000 € als Sonderausgaben, da der Kläger den Höchstbetrag bereits durch seine laufenden Rentenbeiträge aufgebraucht hatte. Der Kläger machte hingegen 88 % seiner Zahlung als vorweggenommene Werbungskosten geltend, da die künftige Rente zu 88 % steuerpflichtig sein wird.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab:
- Zwar handelt es sich bei der vom Kläger geleisteten Zahlung dem Grunde nach um vorweggenommene Werbungskosten. Denn der Kläger erhält nach Renteneintritt eine entsprechend höhere Rente, die im Umfang von 88 % zu steuerpflichtigen sonstigen Einkünften führen wird.
- Der Werbungskostenabzug wird aber durch die speziellere Regelung zu den Sonderausgaben verdrängt. Der Wiederauffüllungsbetrag ist als Beitrag zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung den Sonderausgaben zuzurechnen.
- Zu den Beiträgen zur Rentenversicherung bzw. zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist steuerlich nicht nur der laufende Beitrag, der monatlich gezahlt wird, zu zählen, sondern auch die Wiederauffüllungszahlung nach Durchführung eines Versorgungsausgleichs. Ob die Wiederauffüllungszahlung auch rentenrechtlich als Beitrag angesehen wird, ist unerheblich, da es auf die steuerliche Einstufung als Beitrag ankommt.
Hinweise: Die Zuordnung zu den Sonderausgaben war für den Kläger nachteilig, weil Sonderausgaben im Bereich der Rentenversicherung nur beschränkt abziehbar sind. Daher konnte der Kläger nur ca. 5.000 € abziehen. Der vom BFH bejahte Vorrang des Sonderausgabenabzugs lässt sich mit dem Gesetz nicht ohne Weiteres vereinbaren, da der Sonderausgabenabzug nach dem Gesetzeswortlaut erst dann möglich ist, wenn ein Werbungskostenabzug ausscheidet.
Der BFH verneinte im Streitfall eine Doppelbesteuerung von Rentenbeiträgen und Rentenbezügen. Denn wenn es eine solche Doppelbesteuerung geben sollte, könnte sie jedenfalls nicht in der Beitragsphase, d.h. während der aktiven beruflichen Tätigkeit, sondern erst ab Bezug der Rentenbezüge gerügt werden. Der BFH hat im Jahr 2021 zwar die Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung derzeit noch bejaht, aber angedeutet, dass sich dies ab 2025 ändern könnte, weil dann der steuerfreie Teil der Rentenbezüge sinkt. Die Bundesregierung hat angekündigt, eine Reform der Rentenbesteuerung anzustoßen.
BFH, Urteil v. 19.8.2021 – X R 4/19; NWB