Versteuerung von Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehegatten
Der Antrag auf Abzug von nachehelichen Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben stellt ein sog. rückwirkendes Ereignis dar, das die Änderung des Steuerbescheids des unterhaltsberechtigten Ehegatten und damit die nachträgliche Erfassung der Unterhaltszahlungen als sonstige Einkünfte rechtfertigt. Die vierjährige Verjährung für die Änderung des Steuerbescheids beginnt bereits mit der Stellung des Antrags auf Abzug als Sonderausgaben durch den unterhaltsleistenden Ehegatten und nicht erst mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids, in dem die Sonderausgaben berücksichtigt werden.
Hintergrund: Unterhaltsleistungen unter geschiedenen Ehegatten können vom unterhaltsleistenden Ehegatten bis zu 13.805 € jährlich als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte zustimmt; in diesem Fall muss der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Unterhaltszahlungen bis maximal 13.805 € als sonstige Einkünfte versteuern.
Sachverhalt: Die Klägerin wurde am 20.9.2007 von ihrem Ehemann E geschieden. Im Rahmen der Scheidung erhielt sie eine Abfindung von 10.000 €. Die Klägerin gab ihre Einkommensteuererklärung für 2007 am 17.7.2008 ab und erklärte darin keine sonstigen Einkünfte. Der entsprechende Einkommensteuerbescheid erging am 25.9.2008.
E stimmte anschließend dem Abzug der Abfindung als Sonderausgaben zu. E stellte daher am 12.2.2010 einen Änderungsantrag bei seinem Finanzamt auf Abzug der gezahlten Abfindung als Sonderausgaben und reichte die Zustimmung der Klägerin ein. Es kam zu einem längeren Streit, ob die Abfindung als Sonderausgaben zu berücksichtigen sei; erst am 15.9.2015 erließ das Finanzamt des E einen entsprechenden Änderungsbescheid zugunsten des E. Anschließend wurde der Bescheid der Klägerin am 26.11.2015 zu ihren Ungunsten geändert und die Abfindung als sonstige Einkünfte erfasst. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
- Zwar war das Finanzamt grundsätzlich zu einer Änderung des Steuerbescheids der Klägerin zu ihren Ungunsten berechtigt. Denn die Antragstellung des Klägers, die Abfindung als Sonderausgaben zu berücksichtigen, stellte ein sog. rückwirkendes Ereignis dar. Jedoch war für die Steuerfestsetzung der Klägerin für 2007 bereits Verjährung eingetreten.
- Kann der Unterhaltszahler die Unterhaltsleistung aufgrund der Zustimmung des Unterhaltsempfängers als Sonderausgaben abziehen, muss der Unterhaltsempfänger im Gegenzug die Unterhaltsleistung als sonstige Einkünfte versteuern. Der Antrag des Unterhaltszahlers auf Abzug der Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben ist rechtsgestaltend und ermöglicht auf der einen Seite den Abzug als Sonderausgaben und aufseiten des Unterhaltsempfängers die Steuerpflicht. Damit stellt bereits der Antrag des E am 12.2.2010 ein rückwirkendes Ereignis dar.
- Die vierjährige Festsetzungsverjährung, die infolge eines rückwirkenden Ereignisses neu beginnt, begann somit am 1.1.2011 und endete am 31.12.2014. Der Änderungsbescheid für die Klägerin ist aber erst am 26.11.2015 und damit nach Eintritt der Verjährung erlassen worden.
Hinweise: Das Urteil erhöht den Druck auf die Finanzämter, wenn ein geschiedener Ehegatte nachträglich Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben geltend macht, nachdem er – oft erst nach einem familienrechtlichen Rechtsstreit – die Zustimmung des Unterhaltsempfängers erhalten hat. Hier muss nun nämlich das Finanzamt des unterhaltszahlenden Ehegatten das Finanzamt des unterhaltsempfangenden Ehegatten informieren, damit dieses innerhalb von vier Jahren den Steuerbescheid zulasten des unterhaltsempfangenden Ehegatten ändern kann. Wartet es damit, bis der Änderungsbescheid für den unterhaltszahlenden Ehegatten erlassen worden ist, kann beim anderen Ehegatten bereits Verjährung eingetreten sein.
Offengelassen hat der BFH die Frage, ob die Abfindung überhaupt eine Unterhaltszahlung darstellte. Denkbar war, dass die Abfindung für einen geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruch geleistet wurde; in diesem Fall hätte der E keinen Sonderausgabenabzug geltend machen dürfen, und die Klägerin wäre ohnehin nicht zur Versteuerung sonstiger Einkünfte verpflichtet gewesen.
BFH, Urteil v. 28.7.2021 – X R 15/19; NWB